Emma und Ben gehören seit Jahren zu den beliebtesten Vornamen, Erna und Wolfgang nicht. Warum eigentlich? Namenforscher Jürgen Udolph erklärt, wie es zu Modenamen kommt, ob man am Vornamen etwas erkennen kann und wie Eltern am geschicktesten den Namen für ihr Neugeborenes auswählen.

Ein Interview

Herr Professor Udolph, wie entstehen Modenamen?

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Prof. Dr. Jürgen Udolph: Heutzutage möchten Eltern einen möglichst seltenen Namen für ihr Kind, weil sie es besonders schätzen. Diese Idee haben aber auch andere Eltern, so dass im Kindergarten dann jedes zweite Kind denselben Vornamen trägt.

Ist ein Name besonders beliebt, erzeugt das irgendwann eine Gegenbewegung. So geht es rauf und runter mit den Modenamen, allerdings sehr langsam. Es kann Jahrzehnte dauern, bis sie wieder hochkommen.

Es gibt aber auch Ausnahmen: Jeder kennt einen Martin, egal in welcher Generation. Dieser Name ist seit 2.000 Jahren beliebt, sozusagen ein Dauerbrenner.

Wie kann man diese Trends erkennen?

Ganz einfach. Einer meiner Schüler hat eine interessante Website gemacht, auf der sehr viele Vornamen kartiert sind: Auf "gen-evolu" gibt man einen Vornamen ein und erhält mit einem Klick eine Deutschlandkarte, auf der die Häufigkeit und regionale Verteilung übersichtlich dargestellt ist.

Wonach wählen Eltern den Vornamen ihres Kindes aus?

Chinesen suchen Vornamen nach ihrer Bedeutung aus. Das kommt auch daher, weil Namen dort eine andere Funktion haben. Denn große Bevölkerungsteile in Ostasien teilen sich nur wenige Familiennamen.

Bei uns wählen Eltern hingegen den Namen für ihr Kind nach dem Klang aus. Vokalreiche Namen wie Maria, Emma oder Mia sind deshalb sehr beliebt.

Was kann man an Vornamen erkennen? Sozialen Status? Herkunft?

Ehrlich gesagt: Nichts! Unsere Forschungen haben auch ergeben, dass weder Vor- noch Familiennamen etwas mit der persönlichen Karriere zu tun haben.

Mein Lieblingsbeispiel: Am Bundesverfassungsgericht gab es mal einen Richter namens Wilhelm Schluckebier. Ich denke, man sollte den Namen nicht zu hoch hängen, es kommt viel mehr auf die menschlichen Qualitäten an.

Warum sind viele alte Namen wie Emil und Frieda wieder in, hingegen andere wie Wolfgang und Erna nicht?

Es kann sein, dass auch Brigitte und Horst bald wieder in Mode kommen. Alte Namen werden auf einmal wieder schick, weil man sie nicht oft hört.

Wir unterscheiden bei der Namenwahl zwei Gruppen von Eltern: diejenigen, die sich übers Fernsehen, insbesondere Privatfernsehen, informieren und Promitrends folgen. Und die andere Gruppe, die im Internet recherchiert, was Namen bedeuten.

Welche Tipps haben Sie für Eltern bei der Namensuche?

Bei der Vergabe des Vornamens beginnt gelegentlich die Kindesmisshandlung. Um das zu vermeiden, empfehlen wir "stinknormale" Namen. Also solche, die möglichst nicht zum Hänseln in der Schule taugen.

Meine vier Kinder heißen beispielsweise Susanne, Martin, Anja und Katja. Ich finde es besser, aus dem Kind etwas Besonderes zu machen, als es mit einem außergewöhnlichen Namen auszustatten.

Wer wissen will, welche Namen vermutlich in ein paar Jahren auf der Hitliste stehen, sieht auf der Website von Knud Bielefeld "Beliebte Vornamen" nach. Dort gibt es ein Vornamenlexikon mit Herkunft, Bedeutung und Diagrammen, die auf einen Blick zeigen, wie der Name in der Vornamen-Hitliste von 1890 bis heute platziert ist.

Dabei kann man auch sehen, wie es zum "Kevinismus" gekommen ist: Der Name tauchte 1975 in der Vornamenhitparade auf und schaffte es 1991 an die Spitze. Seit 2001 geht die Kevin-Kurve jedoch rapide herunter, er ist längst "out".

Wer Probleme bei der Namensfindung hat, kann auch zur Namenberatung gehen - beispielsweise an der Uni Leipzig.

Prof. Dr. Jürgen Udolph ist Philologe und gründete 2011 nach langer Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig das Zentrum für Namenforschung in Leipzig. Er gilt als Deutschlands bekanntester Namenforscher, der sich ebenso mit Familiennamen, Orts-, Flur- und Gewässernamen beschäftigt. Der Sprachwissenschaftler moderiert mehrere wöchentliche Radiosendungen zur Namenkunde (Onomastik).
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