Seit Jahren versucht das Münchner Landgericht in einem Mammutprozess, den Wirecard-Skandal aufzuklären. Bislang steht Aussage gegen Aussage. Nun könnte aber Bewegung in das Verfahren kommen.

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Im Münchner Wirecard-Prozess wird nach über eineinhalb Jahren ein Meilenstein erreicht: Der seit Prozessbeginn im Dezember 2022 schweigsame dritte Angeklagte Stephan von E. will am 17. Juli erstmals zu den Anklagevorwürfen aussagen. Diesen Termin nannte der Vorsitzende Richter Markus Födisch zu Beginn des 134. Prozesstags.

Der ehemalige Chefbuchhalter des 2020 kollabierten Konzerns hatte zum Prozessauftakt seine Personalien bestätigt, ansonsten aber im bisherigen Verlauf des Mammutverfahrens kein Wort zur Sache gesagt. Die IV. Strafkammer des Münchner Landgerichts unter Födischs Leitung hat E. im Gegenzug für ein Geständnis eine Haftstrafe zwischen sechs und acht Jahren in Aussicht gestellt.

Noch ist unklar, ob E. ein Geständnis ablegen will

Ob der frühere Chefbuchhalter in seiner Stellungnahme Anklagevorwürfe einräumen oder zurückweisen will, ist noch nicht klar. E.s Verteidigerin Sabine Stetter wollte am späteren Vormittag noch eine Erklärung abgeben.

Hauptanklagepunkt gegen E., den früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und den bis 2020 in Dubai für Wirecard tätigen Manager Oliver Bellenhaus ist gewerbsmäßige Bandenbetrug: Die drei sollen gemeinsam mit etlichen Komplizen Milliardenumsätze erfunden haben, um ihr eigentlich defizitäres Unternehmen über Wasser zu halten. Den Betrugsschaden beziffert die Münchner Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage auf gut drei Milliarden Euro.

Bisher stand im Prozess Aussage gegen Aussage: Der seit vier Jahren in Untersuchungshaft sitzende Braun als Hauptangeklagter weist sämtliche Vorwürfe zurück. Bellenhaus hingegen hat den Großteil der Anklagevorwürfe eingeräumt.

Schlüsselfigur Jan Marsalek ist weiter auf der Flucht

Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt auch gegen den untergetauchten früheren Wirecard-Vorstand Jan Marsalek - unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte.

Marsalek befindet sich seit der Insolvenz des Zahlungsunternehmens Wirecard im Juni 2020 auf der Flucht und wird international gesucht. Er arbeitete seit Januar 2000 bei Wirecard und war seit 2010 Mitglied des Vorstands. Dabei war er vor allem für das Asien-Geschäft verantwortlich.

Die Insolvenz des ehemaligen Dax-Konzerns gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik Deutschland.

Bundesanwaltschaft ermittelt laut "Spiegel" gegen Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek

Einem Medienbericht zufolge hat unterdessen die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Marsalek eingeleitet - allerdings in einem vom Wirecard-Skandal weitgehend unabhängigen Fall. Laut einem Bericht des "Spiegel" vom Freitag (28.06.) beschuldigt sie Marsalek der Spionage für Russland. Die Bundesanwaltschaft wollte das auf Anfrage der AFP weder bestätigen noch dementieren.

Schon im März hatten der "Spiegel", das ZDF, der österreichische "Standard" und die russische Plattform "The Insider" unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen berichtet, dass Marsalek offenbar seit Jahren für russische Geheimdienste aktiv gewesen sei.

Er sei in einem Strafverfahren in Großbritannien als zentrale Figur hinter einer Gruppe bulgarischer Staatsangehöriger aufgetaucht, die im Auftrag russischer Stellen einen Journalisten ausgespäht haben sollen, berichtete der "Spiegel" nun. Nach Angaben der britischen Behörden solle die Ausspähung demnach womöglich sogar den Zweck gehabt haben, den Journalisten zu entführen oder zu töten. Auch in Österreich werde wegen Spionageverdachts gegen Marsalek ermittelt. (dpa/AFP/ank)

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