Mit massiver Wucht stach er auf den Berliner Arzt Fritz von Weizsäcker ein – aus Sicht der Staatsanwalt tötete der Angreifer aus Hass. Im Prozess wegen Mordes ist seine Schuldfähigkeit ein zentraler Punkt.

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Der mutmaßliche Mörder des Berliner Arztes Fritz von Weizsäcker hat laut einem psychiatrischen Gutachten eine Zwangsstörung. Von ihm könnte demnach weiterhin Gefahr ausgehen. Auch wenn in die Gefühlswelt des Angeklagten nach der Tat Ruhe eingekehrt sei, bleibe die Struktur seiner Erkrankung erhalten, erklärte ein Sachverständiger am Freitag beim Landgericht der Hauptstadt. Er habe bei dem Angeklagten eine Zwangsstörung festgestellt und gehe davon aus, dass seine Steuerungsfähigkeit bei der Tat erheblich vermindert gewesen sei. Eine Aufhebung der Schuldfähigkeit schließe er eher aus.

Der jüngste Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker war am 19. November 2019 durch einen massiven Stich in den Hals gegen Ende eines Vortrags in der Schlossparkklinik Berlin getötet worden. Die Tat hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Dem 57-jährigen Angeklagten aus Andernach in Rheinland-Pfalz werden Mord an dem 59-jährigen Professor sowie versuchter Mord an einem Polizisten zur Last gelegt. Der Beamte, der privat zu dem Vortrag gekommen war, wollte den Angreifer stoppen und war direkt dazwischengegangen. Er wurde erheblich an den Händen verletzt.

Als Mordmotiv nimmt die Staatsanwaltschaft Hass auf die Familie des Getöteten an, insbesondere auf den früheren Bundespräsidenten. Laut Anklage habe der Angeklagte als "Kollektivschuld" Tote im Vietnam-Krieg an dem Sohn des früheren Bundespräsidenten rächen wollen.

Angeklagter: "Ich habe meine Tat nie bereut"

Der Angeklagte hat die Attacke gestanden, dabei aber keine Reue gezeigt. In einer von mehreren Erklärungen zu den Vorwürfen hieß es: "Ich habe meine Tat nie bereut." Er habe sich im Recht gefühlt. Zugleich beklagte er sich, er werde "vergleichsweise für Pillepalle an den Pranger gestellt". Nachdem der forensische Psychiater sein Gutachter vorgetragen hatte, erklärte der Angeklagte: "Ich habe die Tat aus politischer Überzeugung und nicht aus Wahn heraus begangen."

Im Gutachten hieß es weiter, es sei von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung bei dem Angeklagten auszugehen. Eine wahnhafte Entwicklung innerhalb einer Zwangsstörung sei möglich. Diese Störung existiere sehr lange und sei bei dem Angeklagten "sehr eingefressen". Die Prognose sei "nicht sehr günstig". Zudem sträube er sich gegen eine erforderliche Therapie. Es sei zu befürchten, dass der Mann weiterhin gefährlich sei.

Mehrere Zeugen hatten das Bild eines Mannes mit vielen Widersprüchen gezeichnet. Eine Ex-Nachbarin beschrieb den Angeklagten als Einzelgänger und Neurotiker mit Händewasch-Zwang. Er sei entweder laut und aggressiv oder in sich gekehrt gewesen. Sie habe auch einen Faustschlag ins Gesicht abbekommen, sagte die 54-Jährige.

Frühere Kollegen berichteten, der Angeklagte habe Klinken nur mit einem Taschentuch angefasst oder in seiner Wohnung Lichtschalter mit einem Fuß betätigt. Als Packer in einem Logistikzentrum sei er aber auch hilfsbereit und freundlich gewesen.

Das Gericht gab bereits den rechtlichen Hinweis, dass bei einer Verurteilung aus die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommen. Nach bisherigen Planungen könnte das Urteil am kommenden Mittwoch verkündet werden. Der Prozess wird am Montag mit der Verlesung von Schriftstücken fortgesetzt. (ash/dpa)

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