Ein Mann stellt vergiftete Babynahrung in Supermarktregale und will so von Handelsunternehmen Millionen erpressen. Die Polizei kam ihm im vergangenen Jahr schnell auf die Spur. Nun hat das Gericht das Urteil gesprochen.
Im Prozess um vergiftete Babynahrung hat das Landgericht Ravensburg einen Supermarkt-Erpresser zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Urteil gegen den 54-Jährigen erging wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung, wie das Gericht am Montagabend mitteilte.
Das Gericht folgte der Argumentation der Staatsanwaltschaft, blieb aber unter dem geforderten Strafmaß von 13 Jahren. Der Mann hatte gestanden, Babynahrung in Friedrichshafen am Bodensee vergiftet zu haben, um 11,75 Millionen Euro von Handelsunternehmen zu erpressen.
Oberstaatsanwalt Peter Vobiller sah den Vorwurf des versuchten Mordes in fünf Fällen als erwiesen an. Jedes der Gläser, die der Angeklagte vor rund einem Jahr in Geschäften auslegte, habe eine tödliche Dosis Gift enthalten, sagte er.
Nur dank intensiver Polizeiarbeit - "aber wenn man ehrlich ist, auch einer ganz gehörigen Portion Glück" - sei damals kein Kind zu Tode gekommen. Vobiller sah die Mordmerkmale Habgier, Heimtücke und Grausamkeit als gegeben an.
Dafür forderte er acht Jahre, weitere fünf Jahre wegen räuberischer Erpressung in sieben Fällen. Nach einer Verhandlungspause beantragte der Verteidiger sieben Jahre Haft wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung. Den Tatvorwurf des versuchen Mordes sah er nicht als erwiesen an.
Zuvor hatte der psychiatrische Sachverständige den Angeklagten als schuldfähig eingeschätzt. Gutachter Hermann Assfalg schloss eine schwere Persönlichkeitsstörung oder andere "seelische Abartigkeit" aus.
Zweifel an Persönlichkeitsstörung
Er hatte den Angeklagten in einem rund dreistündigen Gespräch und im Prozess beobachtet. Allerdings bescheinigte der Gutachter ihm eine übertriebene Ich-Bezogenheit (Narzissmus). "Er war nicht hilflos dieser Störung ausgesetzt", so Assfalg. Der Beschuldigte habe stets aktiv Entscheidungen getroffen.
Die Tat habe eine detaillierte und wochenlange Planung vorausgesetzt, sagte Assfalg. Er schlussfolgerte, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik nicht erfüllt seien. Der mutmaßliche Erpresser hatte sich in der Verhandlung mehrfach auf eine attestierte Borderline-Persönlichkeitsstörung berufen und so auch sein Handeln zu erklären versucht. Betroffene der Störung gelten als emotional instabil und neigen dazu, Impulse ohne Rücksicht auf Konsequenzen auszuleben.
Das Gutachten zog der 54-Jährige in Zweifel, hakte danach selbst in der Verhandlung beim Sachverständigen nach. Unter anderem warf er dem Gutachter vor, die Aussage eines Zeugen sei nicht berücksichtigt worden. Dieser Zeuge soll eine Medikamentensucht des Beschuldigten bestätigt haben. Der Angeklagte hatte in der Verhandlung angegeben, im vergangenen Jahr exzessiv Alkohol konsumiert und Schmerzmittel eingenommen zu haben. (br/dpa)
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