München (jfi/afp/kle) - Über drei Monate waren 33 Kumpel in einem Bergwerk in Chile eingeschlossen. Ein neues Buch enthüllt nun, wie sie die lange Zeit des Wartens auf Rettung überstanden. Einige elementare Bedürfnisse wurden dabei offenbar befriedigt. Und es handelte sich nicht nur um Nahrungsaufnahme.

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Der Reporter Jonathan Franklin hatte als einziger Journalist während der Rettungsaktion Zugang zu allen Bereichen und berichtet in "33 Men" von einigen verstörenden Ereignissen unter Tage. Nachdem die Retter 17 Tage nach dem Einsturz erstmals Kontakt zu den 33 Eingeschlossenen hergestellt hatten, gab es wieder Grund zur Hoffnung. Und schnell verlangten die eingeschlossenen Männer nach Dingen, die ihnen die Zeit unter der Erde erleichtern würden.

Als einer der größten Wünsche der Männer entpuppte sich der nach "menschlicher" Zuneigung: Nach mehreren Wochen sexueller Abstinenz wollten die Kumpel etwas zum Anfassen haben und verlangten nach aufblasbaren Sexpuppen. Zehn solcher Damen hätte eine Erotik-Firma gerne bereitgestellt, doch die an der Oberfläche wachenden Ärzte hielten zehn Exemplare für zu wenig. Wenn, dann bräuchte jeder Kumpel eine eigene Gummipuppe. Zu groß wäre sonst die Eifersuchts-Gefahr gewesen. Statt aufblasbarer Damen schickte man den Männern schließlich Porno-Hefte und Poster von Pin-Up-Girls in die Tiefe.

Einige der Eingeschlossenen suchten jedoch nach noch tieferer Entspannung und ließen sich von ihren Frauen Cannabis in die Grube einschmuggeln. Die treusorgenden Ehefrauen und Freundinnen der Kumpel schickten die Drogen mit ihren Briefen nach unten. Doch der Drogenkonsum unter Tage verwandelte die Bergarbeiter nicht etwa in eine entspannte Kiffer-Runde: Geteilt wurde offenbar nur sehr ungern, und so kam es zu Spannungen zwischen den Kollegen.

Doch bevor die Retter erstmals mit einer Sonde zu den Eingeschlossenen vordrangen, müssen sich unter Tage sehr viel schrecklichere Szenen abgespielt haben. Einige der Kumpel hatten in ihrer Verzweiflung an Selbstmord und Kannibalismus gedacht. Als es den Helfern gelang, erstmals Kontakt zu den Bergleuten aufzunehmen, hatten die ausgehungerten Männer nach eigenem Bekunden bereits einen Topf und eine Säge bereitgelegt. Die ersten 17 Tage lang hatten sich die Bergleute in rund 700 Metern Tiefe nur von winzigen Portionen Thunfisch ernähren müssen.

Glücklicherweise musste dann nicht mehr darüber entschieden werden, ob wirklich ein Mensch verspeist werden sollte. Mario Sepulveda, einer der Geretteten, sagte dem Fernsehsender CBS. "Ich musste darüber nachdenken, welcher Kumpel als erster zusammenbrechen würde, und dann habe ich darüber nachgedacht, wie ich ihn essen würde, (...) es war mir nicht peinlich, es hat mir keine Angst gemacht."

Ein anderer Bergmann, Victor Zamora, sprach über die Selbstmordgedanken, die er und seine Leidensgenossen hatten. Er habe erwogen, einen Motor anzuwerfen, um sich und die anderen mit den Gasen zu ersticken. Als Suizid habe er das aber nicht verstanden: "Es bedeutete, nicht weiter zu leiden. Wir würden so oder so sterben." Nach Angaben von Reporter Jonathan Franklin leiden fast alle der 33 Bergleute unter post-traumatischen Belastungsstörungen.

Die 33 Kumpel waren Mitte Oktober in einer spektakulären Aktion nach 69 Tagen, die sie eingeschlossen in rund 700 Metern Tiefe zugebracht hatten, aus der Mine San José in der chilenischen Atacama-Wüste gerettet worden.

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