- Der Prozess um den mutmaßlichen Dreifachmord in Starnberg sorgt für Aufsehen - und wird immer komplizierter.
- Zwei Wochen nach dem Auftakt im Prozess erhebt die Verteidigung eines Angeklagten heftige Vorwürfe gegen die Polizei.
- Die Aussagen des Angeklagten sollen mithilfe von "verbotenen Vernehumgsmethoden" entstanden sein.
Im Prozess um den mutmaßlichen Dreifachmord in Starnberg erhebt die Verteidigung eines der beiden Angeklagten Foltervorwürfe gegen die Ermittler. Es geht dabei um die Vernehmung des Hauptangeklagten. Dieser hatte dabei laut Polizei die Tat gestanden und einen Komplizen benannt. In einem Schreiben an das Landgericht München II fordern nun die Anwälte des angeblichen Komplizen, diese Aussage nicht als Beweismittel zuzulassen. Sie wollen den entsprechenden Antrag an diesem Montag im Gericht stellen - kurz bevor eine ermittelnde Beamtin von der Aussage des Hauptangeklagten berichten soll.
Die "angeblich gewonnenen Informationen beruhen auf verbotenen Vernehmungsmethoden", heißt es darin. Die Anwälte werfen der Polizei "Erniedrigung, Quälerei und Misshandlung" vor, wie Rechtsanwalt Alexander Stevens am Sonntag mitteilte. Die Polizei wies die Vorwürfe entschieden zurück: "Der Vorwurf der Folter entbehrt jeglicher Grundlage", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord am Sonntag.
Vernehmung wurde nicht aufgezeichnet
"Die Zelle war dunkel, abgesehen von einer Neonlampe", schreiben die Anwälte weiter. Der Angeklagte, der ihren mitangeklagten Mandanten in seiner Aussage belastete, sei "entweder ganz nackt oder nur mit einer Unterhose bekleidet und darüber hinaus lediglich notdürftig mit einer braunen Decke" versorgt gewesen. Aufgrund einer schweren Neurodermitis habe der junge Mann "blutige Stellen am gesamten Körper" gehabt.
Die Vernehmung des Deutschen, bei der er nach Polizeiangaben gestanden hatte, seinen Freund und dessen Eltern in deren Haus in Starnberg erschossen zu haben, wurde nach Angaben Stevens' nicht aufgezeichnet. Dadurch habe "die Folter (...) offensichtlich kaschiert werden" sollen.
Stevens und seine Kollegen verteidigen in dem Aufsehen erregenden Kriminalfall den slowakischen Mitangeklagten (20), der den mutmaßlichen Haupttäter zum Haus der Familie gefahren und nach der Tat wieder abgeholt haben soll.
Ermittler gingen zunächst von anderem Szenario aus
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der heute 21 Jahre alte Hauptangeklagte in der Nacht im Januar 2020 die Familie auslöschte - eine 60 Jahre alte Frau, ihren 64 Jahre alten Mann und den gemeinsamen Sohn erschoss. Anschließend habe er die wertvolle Waffensammlung des Sohnes gestohlen. Er steht unter anderem wegen Mordes vor Gericht.
Zunächst waren die Ermittler von einem anderen Szenario ausgegangen. Nämlich davon, dass der Sohn erst seine Eltern und dann sich selbst erschoss. Er wurde mit der Waffe in der Hand gefunden, Schmauchspuren wurden festgestellt.
Die Anwälte, die nun von Folter sprechen, vergleichen die Vorwürfe mit denen im Fall des ermordeten Bankierssohns Jakob von Metzler.
"Angesichts der Tatsache, dass im tatgegenständlichen Fall die Opfer bereits vor der Vernehmung tot waren und im hiesigen Fall – anders als im Fall des Kindermörders Markus Gäfgen – konkrete Foltermethoden angewendet (und nicht nur angedroht) wurden", wiege die Folter, die ihr Mandant erfahren habe, ungleich schwerer, hieß es in der Mitteilung der Anwälte.
Das Landgericht Frankfurt hatte dem verurteilten Mörder Markus Gäfgen vor rund zehn Jahren 3.000 Euro Entschädigung zugesprochen, weil die Polizei ihn mit Folter bedroht hatte. Bei dem Verhör am Morgen des 1. Oktober 2002 ging es um den Aufenthaltsort des entführten Jungen. Gäfgen offenbarte unter Druck das Versteck von Jakob, den er schon vier Tage zuvor getötet hatte. (awa/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.