Nach offiziellen Angaben ist das Tauchboot "Titan" implodiert und alle fünf Insassen gestorben. Jetzt löst der Unfall Diskussionen über die kommerzielle Erforschung der Tiefsee aus.

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Auf der Suche nach dem vermissten Tauchboot "Titan" haben sich alle Hoffnungen zerschlagen. Gerade einmal knapp 500 Meter vom Bug des "Titanic"-Wracks entfernt wurden Trümmer des Gefährts entdeckt. Damit ist klar: Die fünf Insassen sind tot. Das neue Unglück im Atlantik dürfte Wissenschaft und Abenteurer noch lange beschäftigen. Manche Fragen sind bereits geklärt, viele sind noch immer offen – und manche werden womöglich nie beantwortet.

Hinweise deuten auf eine Implosion der "Titan" hin

Alles deutet darauf hin, dass der Rumpf des Boots dem enormen Wasserdruck nachgegeben hat und implodiert ist. Der britische frühere U-Boot-Kapitän Ryan Ramsay sagte der Nachrichtenagentur PA, womöglich sei die Luke, die von außen mit 17 Schrauben verschlossen werden musste, defekt gewesen. Eine andere Möglichkeit sei, dass es zuvor einen Defekt im Druckkörper selbst gegeben habe.

Der genaue Zeitpunkt ist noch unbekannt. Sonarbojen hätten kein "katastrophales Ereignis" wahrgenommen, teilte die Küstenwache mit. US-Medien zufolge registrierte aber ein akustisches Unterwassererkennungssystem der US-Navy bereits am Sonntag ein auffälliges Geräusch. Das könnte darauf hinweisen, dass die "Titan" bereits implodierte, als der Kontakt zum Mutterschiff abbrach.

Das Tauchboot "Titan"
Das Tauchboot "Titan" ist wohl implodiert und die fünf Insassen gestorben. Experten müssen jetzt anhand der gefundenen Trümmer diese These bestätigen. © IMAGO/ZUMA Wire/OceanGate

Dem Hollywood-Regisseur und Tiefsee-Fan James Cameron zufolge spricht auch der Fundort der Trümmer dafür, dass das Unglück bereits unmittelbar beim Kontaktabbruch geschah, als das Tauchboot noch unterwegs zum "Titanic"-Wrack war. Grund sei, dass nicht nur die Kommunikation mit der "Titan" abbrach, sondern das Boot gleichzeitig auch nicht mehr habe geortet werden können.

"Das einzig Positive ist, dass es sofort geschah und sie nichts bemerkten", sagte Experte Ramsay. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe enorm gewesen – die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte der Sender CNN am Freitag die frühere Marineoffizierin Aileen Marty, Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", betonte Marty.

Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe ein solches Unglück auslösen.

Experten hoffen durch die Trümmerteile Erkenntnisse zu gewinnen

Erkenntnisse darüber dürften sich die Experten von den entdeckten Trümmerteilen erhoffen. Während Personal und Schiffe nun vom Unfallort abgezogen werden, gehe die Operation auf dem Meeresboden zunächst weiter, teilte die US-Küstenwache mit. Im Moment konzentriere man sich darauf, den Ort zu dokumentieren. Die Daten würden analysiert. Die "Titanic" liegt in rund 3.800 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund.

Im Einsatzgebiet, rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland, hatten Trupps aus den USA und Kanada mithilfe weiterer Länder seit Verschwinden des Boots am Sonntag eine großangelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet. Im Einsatz waren Schiffe, Flugzeuge, Tauchroboter und andere Spezialausrüstung.

An Bord der "Titan" waren der Franzose Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman sowie der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte. Auf die Frage, ob ihre Leichen geborgen werden könnten, gab es zunächst keine Antwort. Es handele sich in der Gegend des "Titanic"-Wracks um eine "unglaublich erbarmungslose Umgebung", teilte die Küstenwache lediglich mit.

Nach Angaben verschiedener Experten hatten die Entwickler und Betreiber des Tauchboots anerkannte Standards umgangen und Warnungen missachtet. Medienberichten zufolge warnte schon 2018 ein Brief der Organisation Marine Technology Society (MTS) vor dem experimentellen Charakter des touristischen Angebots, und dass die Fahrten in einer Katastrophe enden könnten. Auch ein ehemaliger Oceangate-Mitarbeiter soll bereits vor fünf Jahren Sicherheitsbedenken geäußert haben.

Hollywood-Regisseur James Cameron spricht von Größenwahn

"Titanic"-Regisseur James Cameron sieht gar Parallelen zur Katastrophe des Jahres 1912. "'Titan', 'Titanic', wissen Sie, der Größenwahn, die Arroganz. Das ist alles wieder da", sagte Cameron der BBC in einem am Freitag ausgestrahlten Interview. "Es ist eine große Ironie, dass da jetzt ein weiteres Wrack neben der 'Titanic' liegt, und zwar aus dem gleichen Grund" – weil die Warnungen nicht beachtet worden seien, sagte Cameron.

Das Unternehmen äußerte sich laut BBC zunächst nicht zu den Vorwürfen. Oceangate-Mitbegründer Guillermo Söhnlein verwies im Gespräch mit dem Radiosender BBC 4 auf die 14-jährige Entwicklungsdauer der "Titan". Wer daran nicht beteiligt gewesen sei, dürfe sich kein Urteil anmaßen, so Söhnlein, der nicht mehr aktiv in dem Unternehmen ist, aber noch Anteile daran hält.

Die Erforschung der Tiefsee in internationalen Gewässern, in denen die "Titan" unterwegs war, ist weitgehend unreguliert, wie der Meereskunde-Experte Simon Boxall von der University of Southampton der BBC sagte. Spekuliert wird nun, dass sich dies infolge der "Titan"-Tragödie ändern könnte.

Charles Haas von der Titanic Society sagte: "Die 'Titanic' hat der Welt die Gefahren von Hybris und übermäßigem Vertrauen in Technologie aufgezeigt. Das tragische Ende dieser Expedition hat gezeigt, dass diese Lektionen noch gelernt werden müssen." Haas forderte eine Debatte über Reisen zum Wrack des Dampfers "im Namen der Sicherheit". (dpa/the)

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Teaserbild: © IMAGO/Xinhua/OceanGate Expeditions