Mitten im Prozess wegen Totschlags im Fall Joel wird der angeklagte Jugendliche aus der U-Haft entlassen. Der Bürgermeister zeigt sich entsetzt, die Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein.
Im Fall um den getöteten sechsjährigen Joel hat die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg Beschwerde gegen die Freilassung des angeklagten Jugendlichen aus der Untersuchungshaft eingelegt. Das teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Teenager ist wegen Totschlags angeklagt. Der Prozess vor dem Landgericht Neubrandenburg hatte am Dienstag begonnen - und zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit, da der Angeklagte Jugendlicher ist.
Sobald die Beschwerde beim Gericht eingeht, muss dieses innerhalb von drei Tagen entscheiden, ob die Beschwerde begründet ist, wie eine Sprecherin des Landgerichts Neubrandenburg sagte. Wenn die Beschwerde aus Sicht des Landgerichts nicht begründet ist, geht der Fall demnach an das Oberlandesgericht Rostock, das dann entscheidet.
Fehlender Haftgrund – Entlassung aus U-Haft
Am zweiten Prozesstag am Donnerstag hatte das Landgericht entschieden, den Jugendlichen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Kammer habe nach Prüfung des Haftbefehls keinen Haftgrund mehr erkannt, hatte ein Sprecher des Landgerichts Neubrandenburg am Donnerstagabend gesagt. "Der Haftgrund war die Wiederholungsgefahr."
Das Gericht ist nach Aussage eines Sprechers jederzeit verpflichtet, während des Verfahrens zu prüfen, ob Gründe für eine Untersuchungshaft bestehen. Diese seien nach der Vernehmung von Zeugen am Donnerstag nicht mehr festgestellt worden. Dies habe aber nichts mit der Schuldfrage zu tun. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hingegen haben sich keine neuen Tatsachen mit Blick auf die Untersuchungshaft des Angeklagten ergeben.
Im vergangenen September soll der damals 14-Jährige in der Gemeinde Pragsdorf bei Neubrandenburg Joel geschlagen und erstochen haben. Keine zwei Wochen später kam der Verdächtige in Untersuchungshaft. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte der Angeklagte zum Prozessauftakt am Dienstag geschwiegen. Zu den Zeugenaussagen aus dem Umfeld von Joel und des Angeklagten sickerten aus dem Gerichtssaal keine Informationen durch.
Bürgermeister kann Entscheidung "nicht verstehen"
Pragsdorfs Bürgermeister Ralf Opitz zeigte sich entsetzt über die Entscheidung des Landgerichts Neubrandenburg, den Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen. "Ich kann das nicht verstehen", sagte Opitz. Er habe von der Entlassung von einem Bürger erfahren, der Kontakt zur Familie von Joel habe.
Nachdem der Jugendliche verdächtigt wurde, war die Familie des Angeklagten aus Pragsdorf weggezogen. Wo die Familie nun lebt, ist nicht bekannt. Auch Gemeindeoberhaupt Opitz sagte, er wisse es nicht. "Und das ist auch gut so." Durch die Entscheidung des Landgerichts, den Jugendlichen freizulassen, werde das Sicherheitsgefühl in dem Dorf nicht gesteigert, so Opitz. "Man kann nicht in seinen Kopf reingucken, was da vorgeht." Es sei eine 24-Stunden-Überwachung nötig, um sicherzustellen, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe, sagte er.
Gegen Bruder des Angeklagten wird ebenfalls ermittelt
Der Fall um den getöteten Joel hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. In dem Prozess fanden bislang zwei Verhandlungstage statt. Für den 27. Februar ist der nächste Termin angesetzt. Danach sind bis Ende März noch vier weitere Termine vorgesehen. Dann könnte es ein Urteil geben.
In Zusammenhang mit dem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft außerdem gegen den 17 Jahre alten Bruder des Angeklagten. "Die Ermittlungen dauern an", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Konkrete Details nannte sie nicht, um die aufgenommenen Ermittlungen und den laufenden Prozess nicht weiter zu gefährden. (dpa/lag)
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