Unendliche Tiefen, unbekannte Kreaturen, versteckte Landschaften: Antje Boetius ist von der Tiefsee fasziniert. In diesem Jahr erhält die renommierte Meeresbiologin den Deutschen Umweltpreis, die höchstdotierte Umweltauszeichnung Europas - und nutzt die Aufmerksamkeit für Kritik an der Politik.

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Tiefseeforscherin - das trifft den Beruf von Antje Boetius am besten. Sie ist Meeresbiologin, geht aber in bis zu 3,8 Kilometern Tiefe auch geologischen und chemischen Fragen auf den Grund. Klimawandel, Mikroplastik, Meereserwärmung, das rasant schmelzende Eis in der Arktis.

"Wir können gar nicht so schnell forschen, wie sich die Umwelt verändert", sagt die Direktorin des Bremerhavener Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung (AWI). Sie war auf 49 oft mehrmonatigen Expeditionen, viele leitete sie selbst. Nun bekommt sie den Deutschen Umweltpreis.

Weniger als 0,01 Prozent der Tiefsee sind erforscht

Dass sie einmal das Meer erforscht, war der heute 51-Jährigen schon als Kind klar. Sie las Abenteuerbücher wie "Kapitän Nemo" oder "Die Schatzinsel", sah Filme von Heinz Sielmann und natürlich von Jacques Cousteau. Ihr Großvater war Walfänger, ihr Vater ist Schriftsteller, aber die wichtigen Impulse kamen von der Großmutter und der Mutter.

Heute gilt sie als anerkannte Meeresbiologin, die in vielen wissenschaftlichen und politischen Top-Gremien mitarbeitet. Doch ihr liebster Arbeitsplatz liegt in der ewigen Dunkelheit.

"Das ist wirklich ein Feld für Entdecker. Jeder Tauchgang, jede Expedition zeigt einem völlig neue Wesen, völlig neue Landschaften, neue Erkenntnisse", beschreibt sie eine Welt, in die sie mit einem kugelförmigen U-Boot vorstößt. Die ewige Dunkelheit liegt tiefer als 200 Meter.

Die Forschungsprojekte dürften weder Boetius noch kommenden Generationen von Meeresbiologen je ausgehen: "Wir haben weniger als 0,01 Prozent der Tiefsee überhaupt erforscht. Das macht das Forschungsfeld auch so spektakulär." Aber eine Erkenntnis ist schon sicher. Spuren der Menschen sind bis in die Tiefseegräben zu sehen, auch wenn dort noch nie ein Mensch war. Zivilisationsmüll, Plastik, überschüssige CO2-Emissionen verteilen sich im Meer. "Alles, was wir tun, wird am Ende irgendwie im Meer landen", so Boetius.

Wissenschaftler warnen schon 20 Jahre vor dem Klimawandel

Ob national im Wissenschaftsrat, in Universitäten oder internationalen Forschergremien, bei Kinder-Unis, in Kindergärten oder Schulen - die Forscherin erklärt ihre Arbeit und die Erkenntnisse gerne.

Dass die Weltmeere und ihre Bewohner durch menschliches Handeln zunehmend bedroht sind, liegt nicht am Mangel wissenschaftlicher Erkenntnisse oder an fehlenden Warnungen. "Wir sagen schon seit 20 Jahren, dass wir uns einen CO2-Anstieg nicht leisten können, dass wir nicht die fossilen Brennstoffe aufbrauchen können", betont Boetius.

Doch was nutzt alles Erklären, wenn jene, die die Macht dazu haben, nicht reagieren. "Die Wissenschaft kann warnen und mahnen und kann laut oder auch nicht so laut sein. Aber wir können nicht die Regeln für die Gesellschaft bestimmen. Das macht die Politik." Von der ist die Forscherin stark enttäuscht. "Trotz all der Forschung, die wir bereitstellen, trotz unserer Erkenntnisse, hat man das Gefühl, da sitzen Leute auf ihren Ohren."  © dpa

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