- Nach sieben Verhandlungstagen wurde das Urteil im Fall Leonie gesprochen.
- Der 24-jährige Hauptangeklagte wurde wegen Mordes und die beiden anderen wegen Mordes durch Unterlassung schuldig gesprochen.
- Die Männer hätten das Mädchen "wie ein Objekt" behandelt und eine "auffällige Gleichgültigkeit" für das Leben des Mädchens an den Tag gelegt, begründete die Vorsitzende des Schwurgerichts das Urteil.
Nach sieben Verhandlungstagen ist am Wiener Landesgericht der Prozess rund um den gewaltsamen Tod einer 13-jährigen Niederösterreicherin vor eineinhalb Jahren in einer Wohnung in Wien-Donaustadt mit Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Der 24-jährige Hauptangeklagte wurde wegen Mordes und die beiden anderen wegen Mordes durch Unterlassung schuldig gesprochen. Zudem wurden alle drei der Vergewaltigung schuldig erkannt. Alle drei müssen für lange Zeit in Haft.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig
Der 24-Jährige bekam eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der 19-jährige Zweitangeklagte, dem die Tatortwohnung gehörte, muss 20 Jahre ins Gefängnis. Der 20-jährige Drittangeklagte, der behauptete, der Freund der 13-Jährigen zu sein, muss für 19 Jahre hinter Gitter. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Der Erstangeklagte erbat sich drei Tage Bedenkzeit. Der Zweitangeklagte nahm das Urteil an und der Drittangeklagte meldete Strafberufung an.
Die Männer hätten das Mädchen "wie ein Objekt" behandelt und eine "auffällige Gleichgültigkeit" für das Leben des Mädchens an den Tag gelegt, sagte die Vorsitzende des Schwurgerichts, Anna Marchart, bei der Urteilsverkündung. Der 20-Jährige blieb nur deshalb mit seiner Verurteilung von 20 Jahren unter der Höchststrafe, weil er als einziger bis dahin unbescholten war.
Die Letzen Stunden im Leben des Mädchens wurden akribisch rekapituliert
In den sieben Prozesstagen waren die letzten Stunden im Leben des Mädchen akribisch aufgerollt worden. Die Angeklagten, zahlreiche Zeugen und auch sechs Gutachter kamen zu Wort. Die gegen einen Baum gelehnte Leiche der 13-Jährigen war am frühen Morgen des 26. Juni 2021 von Passanten auf einem Grünstreifen vor einer Wohnhausanlage in der Donaustadt entdeckt worden. Recht schnell kam die Polizei auf die Verdächtigen, die sich zuvor mit dem Mädchen in der Nähe in einer Wohnung aufgehalten hatten.
Lesen Sie auch: Nach Tötung von 13-Jähriger: Vierter Verdächtiger in London gefasst
Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die Angeklagten - Männer afghanischer Abstammung im Alter von 19 bis 24 Jahren - das Mädchen in der Wohnung in Missbrauchsabsicht unter Drogen gesetzt und sich dann an der 13-Jährigen vergangen hatten. Das Mädchen überlebte den Drogencocktail nicht. Das Obduktionsgutachten ergab, dass die 13-Jährige infolge der Suchtmittelvergiftung und Ersticken eines gewaltsamen Todes starb.
Die Angeklagten belasteten sich gegenseitig dem Mädchen Drogen verabreicht zu haben
Bis zum Schluss blieb unklar, wer dem Mädchen die Drogen verabreicht hatte. Die Angeklagten beschuldigten sich gegenseitig. Aufhorchen ließ am dritten Verhandlungstag der toxikologische Sachverständige, Günter Gmeiner. Seine Untersuchungen ergaben, dass das Mädchen das Dreifache der letalen Dosis des synthetischen Suchtgifts MDA im Körper hatte. Gmeiner geht davon aus, dass die 13-Jährige mindestens sechs Ecstasy-Tabletten konsumiert haben muss. Eine Tablette nahm das Mädchen im Vorfeld freiwillig.
Das Opfer starb infolge von Suchtmittelvergiftung und Ersticken
Im Magen der Niederösterreicherin wurde nur noch eine geringe Menge MDA gefunden, was zeigt, dass die 13-Jährige das Suchtgift oral eingenommen hatte, aber die Aufnahme in den Körper des 1,64 Meter großen und 47 Kilogramm schweren Mädchens bereits abgeschlossen war. Ohne notärztliche Hilfe wäre der Tod nicht verhinderbar gewesen. Das Obduktionsgutachten ergab, dass das Mädchen infolge einer Suchtmittelvergiftung und Ersticken eines gewaltsamen Todes starb.
Jeder der drei Angeklagten würde die Tatbeteiligung in Abrede stellen, meinte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer. Jeder habe Angst vor den Konsequenzen und "würde sich vom sinkenden Schiff retten", so die Anklägerin. So wie sie die gemeinschaftliche Tat begangen hätten, würden sie versuchen, diese gemeinschaftlich zu vertuschen. "Widersprüche hat es in dem Verfahren zahlreiche gegeben", sagte die Staatsanwältin.
Laut Aussage der Staatsanwältin zeigen die Angeklagten keine "Spur von ehrlich gemeinter Reue"
Die drei Angeklagten gaben an, mit dem Mädchen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt und von der Verabreichung der Drogen nichts mitbekommen zu haben. Als sie bemerkten, dass es der 13-Jährigen schlechter ging, wollen alle drei Erste Hilfe geleistet haben. "Ich war fassungslos, was die Angeklagten von sich gegeben haben", meinte die Staatsanwältin. "Von ehrlich gemeinter Reue fehlt jede Spur."
Infolge der Überdosis setzte bei der 13-Jährigen plötzlich die Atmung aus, worauf die Männer in Panik geraten sein dürften. Sie versuchten, dem Mädchen andere Getränke einzuflößen bzw. duschten die Bewusstlose mit kaltem Wasser ab. Weil sich die 13-Jährige nicht mehr regte, trugen sie sie vor die Tür und lehnten sie an einen Baum. Dann erst holten sie die Rettung. Zum dem Zeitpunkt war die Niederösterreicherin bereits tot.
Die Verteidigung appellierte an Geschworene nicht emotional zu urteilen
Die Verteidiger der drei Angeklagten, Wolfgang Haas, Thomas Nirk, Andreas Schweitzer und Sebastian Lesigang plädierten am Endes des Verfahrens noch an die Geschworene, sich in ihrer Entscheidung nicht von Emotionen treiben zu lassen. Der Verteidiger des Drittangeklagten, Andreas Schweizer, machte darauf aufmerksam, dass der Fall in den Medien breit getreten wurde. "Hier wird versucht, eine ganze Gruppe zu kriminalisieren." Die Geschworenen müssten aber objektiv entscheiden. "Das ist ein bisschen schwer, hier nicht mit Emotionen vorzugehen", so Schweitzer.
Der Familie, die sich mit ihren Privatbeteiligtenvertretern, Florian Höllwarth und Johannes Öhlböck, dem Verfahren angeschlossen hatte, wurde ein Betrag von insgesamt 140.000 Euro zugesprochen. Öhlböck hatte am Morgen vor dem letzten Verhandlungstag mit der Mutter der 13-Jährigen noch gesprochen. "Sie hat gesagt: 'Ihre Schuld werden sie (die Angeklagten, Anm.) nicht los, aber sie hätten wenigstens die Würde haben können, um die Wahrheit zu sagen'", erzählte der Anwalt.(apa/jst)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.