Die "Tagesschau" erntet Kritik für ihre Berichterstattung über die "Wahre Preise"-Aktion des Discounters Penny. Kurz nach Veröffentlichung des Beitrags wird klar: Hier wurde eine Kollegin interviewt, die sich positiv über die Aktion äußert. Der WDR klärt auf, wie es zu dem Fehler kam.

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Eine Woche lang will Penny einige seiner Produkte zu "wahren Preisen" anbieten - also zu den Preisen, die sie tatsächlich kosten müssten, um auszugleichen, wie umweltschädlich sie sind. Teilweise werden sie so um bis zu 94 Prozent teurer.

Die Aktion kommt durchwachsen an: Nur ein Bruchteil der Deutschen möchte diese Preise auch bezahlen. Kritik setzt es nun aber an ganz anderer Stelle, und zwar für die "Tagesschau" wegen einer angeblichen Schummelei. Was war passiert?

In einem Beitrag zu der "Wahre Preise"-Aktion ließ der WDR für die "Tagesschau" Kundinnen und Kunden des Discounters zu Wort kommen. Zumindest vermeintlich, denn eine der Einkäuferinnen stellte sich als Mitarbeiterin des Senders heraus.

Hannah Mertens, Radio-Moderatorin beim WDR, wurde in dem Beitrag als zufällig ausgewählte Kundin interviewt. Sie finde die Aktion gut, sagte sie. "Weil es zum Nachdenken anregt. Normalerweise denkt man nicht darüber nach, dass Fleisch so und so viel Aufschlag hat."

WDR korrigiert Beitrag und gibt Fehler zu

Der WDR reagierte auf das Bekanntwerden der Vorwürfe und korrigierte den Beitrag. Die entsprechende Sequenz wurde gelöscht. Dazu veröffentlichte der Sender ein Statement: Die mit Mertens gezeigte Sequenz "hätte so nicht gesendet werden dürfen. Kolleginnen oder Kollegen zu interviewen, entspricht nicht unseren journalistischen Standards."

Stefan Brandenburg, Chefredakteur Aktuelles im WDR, räumte auf Twitter ebenfalls einen Fehler ein - und stellte gleichzeitig klar, wie es zu dem Vorfall gekommen war. "Glaubt ernsthaft jemand, gestern hätte kein Penny-Kunde die 'Wahre Preise'-Aktion gut gefunden, so dass wir eine Mitarbeiterin als Schauspielerin hätten einsetzen müssen? Passiert ist ein saublöder Fehler", schrieb er.

Die Kollegin sei zufällig angesprochen worden und habe den Reporter darauf hingewiesen, dass sie selbst beim WDR arbeite. "Der hat das in der Situation im Supermarkt mit vielen Nebengeräuschen falsch verstanden als 'Ich habe es im WDR-Radio mitgekriegt'."

Brandenburg schreibt in seinem Thread weiter: "So banal, so ärgerlich und peinlich für uns." Mertens, "die von der 'Bild' völlig zu Unrecht als angebliche Tagesschau-Moderatorin (die sie nicht ist) mit Betrugsabsicht an den Pranger gestellt wird, hat diesen Fehler absolut nicht zu verantworten". Der Reporter hätte die Sequenz nie in seinen Beitrag aufgenommen, hätte er verstanden, dass er eine Kollegin vor sich hat.

Brandenburg warb weiters um Verständnis. "Fehler passieren, zumal unter Zeitdruck in der aktuellen Berichterstattung. (...) Das Versehen tut uns leid." Die "Bild"-Zeitung hatte unterstellt, die "Tagesschau" hätte bewusst ihre eigene Moderatorin als Penny-Kundin ausgegeben.

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Kaum jemand will die "wahren Preise" auch wirklich bezahlen

Nur wenige Verbraucherinnen und Verbraucher wollen die Aktion von Penny indes unterstützen, indem sie die teureren Produkte kaufen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov wurden hierzu 3.315 Personen befragt.

Nur 16 Prozent der Deutschen planen demnach, Produkte zu den "wahren Preisen" zu erwerben. 44 Prozent haben das nicht vor. Rund 30 Prozent gaben an, dass sie in ihrer Nachbarschaft keinen Penny-Markt hätten, wo sie einkaufen könnten. 10 Prozent machten keine Angaben. Am seltensten sagten Befragte ab 55 Jahren, dass sie die Aktion unterstützen wollen (8 Prozent).

Seit Montag verlangt Penny für neun seiner mehr als 3.000 Produkte eine Woche lang die "wahren Preise" - also den Betrag, den der Discounter verlangen müsste, wenn alle durch die Produktion verursachten Umweltschäden abgegolten würden. Darunter sind etwa Produkte wie Käse und Wiener Würstchen.

Penny will die Mehreinnahmen aus der Aktion für Projekte zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden. Ziel der Aktion ist es nach Angaben der zur Rewe-Gruppe gehörenden Kette, mehr Bewusstsein für Umweltbelastungen zu schaffen, die durch die Lebensmittelproduktion entstehen.

Für die Umfrage wurden am Montag 3.315 Personen in Deutschland ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Die Frage lautete: "Ab heute, 31. Juli 2023, verlangt der Discounter Penny für 9 seiner mehr als 3.000 Produkte eine Woche lang die 'wahren Preise', also jenen Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden eigentlich berechnet werden müsste. Dadurch werden Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen um bis zu 94 Prozent teurer. Die Mehreinnahmen will Penny für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden. Planen Sie, die Aktion diese Woche durch den Kauf dieser Produkte zu unterstützen?"

Verwendete Quellen:

  • tagesschau.de: tagesthemen Sendung vom 31.07.2023 • 22:05 Uhr
  • bild.de: "Tagesschau" gibt eigene Moderatorin als Kundin aus
  • dpa
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