Im Wirecard-Prozess hat eine frühere Mitarbeiterin der Chefetage des 2020 kollabierten Dax-Konzerns jahrelanges Desinteresse an ordnungsgemäßer Unternehmensführung bescheinigt. Die 42 Jahre alte Controllerin berichtete bei ihrer Aussage am Mittwoch, dass es in der Wirecard-Finanzplanung und -steuerung chaotisch zugegangen sei - und schloss dabei den seit dreieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzenden früheren Vorstandschef Markus Braun ein. "Es war kein Interesse da, uns zu unterstützen", sagte die Zeugin. "Es war immer ein Kampf, die Daten zu bekommen."
Controller sind in Unternehmen nicht nur für die Kontrolle, sondern auch für Planung und Steuerung der Finanzen zuständig. Bei Wirecard gab es nach Aussage der 42-Jährigen nicht einmal eine integrierte Datenplattform für die von den verschiedenen Unternehmensbereichen gelieferten Geschäftszahlen. Die Controller hätten dem Vorstand die Defizite erläutert - doch änderte sich der Zeugin zufolge nichts. "Ich hatte immer den Eindruck, dass man keine Priorität darauf gesetzt hat."
Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und seinen zwei Mitangeklagten vor, gemeinsam mit weiteren Komplizen als Betrügerbande nicht vorhandene Milliardenumsätze erdichtet zu haben. Diese Scheinumsätze wurden laut Anklage über sogenannte Drittpartner im Mittleren Osten und in Südostasien verbucht, die im Wirecard-Auftrag Kreditkartenzahlungen abwickelten. Das Drittpartnergeschäft sei vom restlichen Unternehmen separiert gewesen, berichtete die Zeugin. "Es war alles lückenhaft, es hat alles nicht gepasst. Das war immer eine black box.".
Braun weist seit Prozessbeginn alle Vorwürfe zurück. Der bis 2020 in Dubai für Wirecard tätige Manager Oliver Bellenhaus hat den Großteil der Anklagevorwürfe eingeräumt und Braun der Mittäterschaft beschuldigt, was der frühere Vorstandsvorsitzende bestreitet. Der frühere Chefbuchhalter als dritter Angeklagter schweigt seit Prozessbeginn. © dpa
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