Es klingt wie ein neuer Lifestyle-Begriff: Mindful Eating. Gemeint ist aber bewusstes Essen - und das kann nach Meinung von Experten wirklich dabei helfen, den eigenen Stoffwechsel zu verbessern und auch Körpergewicht zu reduzieren.

Mehr Ernährungsthemen finden Sie hier

"Kind, schling das Essen nicht so runter!“ ist ein Satz, den wahrscheinlich viele von uns schon von ihren Eltern gehört haben. Jetzt taucht er wieder häufiger auf, denn er ist Teil des sogenannten Mindful-Eating-Konzeptes. Dieses Konzept wird nicht nur auf Lifestyle-Webseiten angepriesen, es gibt auch immer mehr Kurse dazu.

"Mindful Eating zielt grundsätzlich darauf ab, das Essen bewusster wahrzunehmen“, erklärt der Ernährungsexperte André Kleinridders vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DifE) im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch was bedeutet das konkret?

Die Harvard Medical School, also die medizinische Fakultät der renommierten Harvard-Universität, formuliert in ihren "8 Steps to mindful eating“ (also: 8 Schritte zum bewussten Essen) unter anderem folgende Empfehlungen: nur gesunde Lebensmittel einkaufen, Impulskäufe vermeiden, beim Essen mit kleinen Portionen anfangen, das Essen anschauen, bewusst riechen und schmecken und jeden Bissen 20- bis 40-mal kauen.

Dass Süßes glücklich macht, heißt nicht, dass es gesund ist

Häufig ist zum "Mindful Eating“ auch zu lesen, dass man darauf achten solle, was der Körper gerade brauche. Sollte man also einfach nachgeben, wenn der Körper signalisiert: "Ich brauche jetzt ein Stück Kuchen"?

Nein, denn nicht alles, was der Körper einfordert, ist auch vernünftig. Dass er solche Signale überhaupt sendet, liegt daran, dass beim Essen zwei verschiedene Systeme in Aktion treten: das homöostatische, das eine Balance schaffen möchte zwischen dem, was dem Körper zugeführt wird und dem, was er tatsächlich braucht.

Und das psychologische, das sogenanntes Genussessen mit der Ausschüttung von Dopamin belohnt, das häufig auch als "Glückshormon“ bezeichnet wird.

Die Crux ist nun, dass besonders süße und fettige Nahrungsmittel den Dopaminausstoß fördern. Das heißt: Sie machen erst einmal glücklich. Allerdings haben sie meistens auch sehr viele Kalorien. Viel mehr, als der Körper in Energie umsetzen kann.

Evolutionäre Überbleibsel

Dass der Körper das Essen solcher Lebensmittel mit Dopamin belohnt, ist aus der Evolution heraus erklärbar. "Früher war Nahrung knapper, also war es durchaus wünschenswert, in kurzer Zeit viele Kalorien zu sich zu nehmen. Man wusste schließlich nicht, wann man das nächste Mal wieder an Nahrung kommt“, erläutert Kleinridders.

Hinzu komme, dass energie- und fettreiche Nahrung gut für die Fruchtbarkeit ist: "Es gibt einen Zusammenhang zwischen Fertilität und Fettgewebe, denn Fettgewebe produziert das Hormon Leptin, das sich positiv auf die Fruchtbarkeit auswirkt.“

Leptin hat aber auch noch eine weitere Funktion: Es zügelt den Appetit. Isst man jedoch zu viel fettreiches Essen, bleibt der Leptinspiegel auf Dauer hoch und der Körper entwickelt eine Resistenz. Das heißt: Er merkt nicht, wenn es genug ist, wenn man eigentlich schon satt ist. Einen ähnlichen Effekt gibt es auch beim Insulin, das für die Verarbeitung von Zucker verantwortlich ist.

Mindful Eating: Merken, wenn man satt ist

Doch was hat das alles mit Mindful Eating zu tun? Viel, denn beim Mindful Eating geht es nicht nur darum, was man einkauft und isst, sondern auch, wie man isst. Vor allem sollte man nicht "schlingen“. Denn wer schnell isst, gibt den Botenstoffen in seinem Körper nicht ausreichend Zeit, das Signal zu senden: Stopp, es ist genug, ich bin satt!

"Es dauert in etwa eine halbe Stunde, bis die Stoffwechselhormone Insulin und Leptin im Zentralen Nervensystem das Sättigungsgefühl regulieren können“, sagt Kleinridders. Folglich essen Schnellesser über das Sattsein hinaus - und damit oft mehr, als ihnen gut tut.

Wer sich mehr Zeit lässt, häufiger kaut und sich auf das Essen konzentriert, isst hingegen so viel, wie der Körper gerade braucht. Auf diese Art ist es einfacher, das Gewicht zu halten, oder gar zu reduzieren. "Ich denke, dass das Konzept des 'Mindful Eating' auch beim Abnehmen helfen kann“, so Kleinridders.

Positive Effekte durch Mindful Eating

Beispielsweise habe eine Studie der Idaho State University gezeigt, dass Menschen, die dieses Konzept ernst nehmen, weniger zu Impulskäufen neigen als andere. Und gerade bei Impulskäufen sind es oft ungesunde Dinge, die im Einkaufswagen landen – und nicht Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und andere mit vielen Ballaststoffen, die satt machen, ohne zu viel Kalorien zu haben.

Eine Untersuchung der University of California San Francisco hat darüber hinaus ergeben, dass Mindful Eating wohl positive Effekte auf Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker hat.

Langsames, bewusstes Essen hat aber noch eine andere schöne Seite: Denn wer beim Essen bei der Sache ist – und nicht etwa liest, mit dem Smartphone spielt oder anderweitig abgelenkt ist – bezieht all seine Sinne mit ein. Und wer sein Essen intensiver sieht, riecht und schmeckt, wird es mehr genießen können, als wenn es mit einem Happs hinuntergeschlungen wird.

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterview mit dem Leiter der DifE-Nachwuchsgruppe "Zentrale Regulation des Stoffwechsel“, André Kleinridders
  • Website der Harvard Medical School: 8 steps to mindful eating
  • Studie der Idaho State University: Mindful Eating Reduces Impulsive Food Choice in Adolescents and Adults (Researchgate)
  • Studie der University of California San Francisco (UCSF): Mindful Eating, Meditation May Lead to Better Metabolic Health
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.