Es wäre so einfach: Ein simples Formular ausfüllen, schon kann man sicher sein, dass ein vertrauter, liebender Mensch einspringt, falls man wegen Krankheit oder Unfall seine Dinge nicht mehr regeln kann. Aber wer wird schon gerne daran erinnert, dass er nicht unverwundbar ist?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wenn man - so wie ich bei Finanztest - arbeitet, gehen Gespräche im Verwandtenkreis schnell locker-flockig in eine kleine Lebensberatung über. Wie war das noch mit der Netflix-Gebührenerhöhung, kann man da irgendwas machen? Und sag mal, ich will ein Depot eröffnen, welches ist das beste? Meinst Du, ich brauche eine private Altersvorsorge?

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Es gibt aber eine sichere Methode, jedes Gespräch im Keim zu ersticken: die Frage nach der Vorsorgevollmacht. Die meisten winken ab, bevor ich überhaupt erklären kann, was hinter diesem Wortungetüm steckt. "Hast Du mich gerade alt genannt?" ist noch die freundlichste Entgegnung, bevor sich die Gesprächspartnerin der schwerhörigen Großtante am anderen Ende des Tisches zuwendet.

Meine küchenpsychologische Erklärung: Die meisten von uns – mich eingeschlossen – werden ungern daran erinnert, dass sie nicht unverwundbar sind. Das ist wie mit einem Fahrradhelm: Das Ding erinnert mich daran, wie verletzlich ich im Straßenverkehr bin, sobald ich auf dem Rad sitze – und allein schon deshalb habe ich mich lange schwergetan, ihn aufzusetzen.

Anders als den Fahrradhelm muss man eine Vorsorgevollmacht wenigstens nicht den ganzen Tag mit sich herumschleppen. Einmal ausgefüllt und unterschrieben, kommt sie in den Ordner mit den wichtigen Dokumenten, wird hoffentlich nie gebraucht und sorgt im Notfall dafür, dass meine Interessen gut vertreten werden.

Sie regelt, wem Ärzte und Krankenhauspersonal Auskunft geben dürfen, wenn ich bewusstlos bin, wer in eine Operation einwilligen darf oder mich vor Gericht vertreten darf, falls ich es nicht selbst tun kann. Und wer in einem solchen Fall meine Briefe öffnen und Rechnungen zahlen darf.

Warum gibt es dann so eine Zurückhaltung bei dem Thema? Ich glaube ja, der Grund sind drei weit verbreitete Irrtümer.

Irrtum 1: Vorsorgen ist nur was für alte Leute

Tatsache ist: Eine Interessensvertretung braucht jede und jeder ab 18 Jahre. Denn die Eltern sind dann keine gesetzlichen Vertreter mehr. Ab dem 18. Geburtstag ihres Kindes haben sie in Gesundheitsfragen und bei Bankgeschäften nicht mehr Rechte als ein x-beliebiger Fremder.

Auch wenn gerade junge Erwachsene jeden Gedanken an Unfall und Behinderung von sich schieben: Eine Vorsorgevollmacht ist ab Volljährigkeit sinnvoll. Sollen Bevollmächtigte im Notfall auf das Konto zugreifen können, ist zusätzlich eine Bankvollmacht ratsam. Das Formular gibt es in der Filiale oder im Onlinebanking.

Irrtum 2: Vorsorgen macht viel Arbeit

Endlose Formulare, schwierige Fragen? Fehlanzeige. Eine Vorsorgevollmacht ist ein einfaches Dokument. Es sollte festhalten, wer der oder die Bevollmächtige ist, Anschrift und Kontaktdaten und für welche Fälle die Vollmacht gilt: Vertretung in Gesundheitsfragen, gegenüber Behörden, Justiz, Versicherung und Banken. Am einfachsten geht das mit einem vorgedruckten Formular. Das Ausfüllen ist in zehn Minuten erledigt.

Noch die Unterschriften der Beteiligten darunter, gut auffindbar ablegen, fertig. Soll der oder die Bevollmächtige auch Bankangelegenheiten regeln können, sollten Sie weitere zehn bis zwanzig Minuten investieren, um das Formular der eigenen Bank herunterzuladen, auszufüllen und zu unterschreiben.

Das war die Pflicht, jetzt kommt die Kür: Wer eine Vollmacht ausstellt, kann sie beim Zentralen Vorsorgeregister registrieren lassen, damit Unbeteiligte herausfinden können, ob eine Vollmacht existiert und wer der Ansprechpartner ist. Wie das geht, hat Finanztest hier aufgeschrieben, auch das dauert nur ein paar Minuten. Wichtig: Das Vorsorgeregister speichert nur das Vorhandensein der Dokumente, nicht die Dokumente selbst.

Wer für den Fall der Fälle alle Zweifelsfragen klären will, braucht noch eine Patientenverfügung. Darin ist festgelegt, welche medizinischen Behandlungen in welchen Situationen erfolgen oder nicht erfolgen sollen. Das braucht allerdings etwas mehr Zeit und Nachdenken.

Irrtum 3: Es geht nicht ohne Notar

In den allermeisten Fällen gilt: Für eine Vorsorgevoll­macht oder Patienten­verfügung muss man nicht zum Notar. Es reicht, wenn die Dokumente schriftlich vorliegen, mit Datum und Unter­schrift.

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Keine Regel ohne Ausnahme: Geht es in der Vorsorgevoll­macht um den Verkauf von Immobilien, reicht eine einfache unter­schriebene Vorsorgevoll­macht nicht aus. Die Unter­schrift unter der Vorsorgevoll­macht muss in diesem Fall öffent­lich beglaubigt sein, damit sie rechts­wirk­sam ist.

Meine eigene Vorsorgevollmacht habe ich natürlich längst ausgefüllt und unterschrieben – auch wenn es erst Überwindung gekostet hat, mich damit zu beschäftigen. Und: Meistens trage ich inzwischen einen Fahrradhelm. Allein schon, damit meine Familie die Vollmacht hoffentlich nie herausholen muss.

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin Finanztest gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und Finanztest sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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