Wer Nachrichten sieht, hört oder liest, kommt nicht an Meldungen über Job-Abbau und Entlassungen vorbei. Immer mehr Firmen bauen Personal ab. Da kann sich glücklich schätzen, wer wenigstens eine Abfindung bekommt. Noch besser, wenn Sie wissen, wie Sie aus der Einmalzahlung das meiste rausholen.
Fachkräftemangel war gestern, nun geht in vielen Betrieben die Angst vor Jobverlust um. Ob Autoindustrie oder Chemie, die Auftragsflaute führt dazu, dass immer mehr Unternehmen Personal abbauen. Der erste Schritt ist häufig, dass es für alle oder einen Teil der Belegschaft Abfindungsangebote gibt. Das heißt konkret: Wer einem Ausscheiden zustimmt und schriftlich auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet, bekommt eine bestimmte Summe quasi als Entschädigung ausgezahlt.
Abfindung statt Job? Ob das ein schlechter Tausch ist, hängt vom Einzelfall ab – hier ist kein Fall wie der andere. Die eine war ohnehin unzufrieden und nutzt die Gelegenheit, sich neu zu orientieren. Der andere kümmert sich um seine alten Eltern und möchte auf keinen Fall den Wohnort wechseln. Wieder andere ernähren eine Familie und wollen kein finanzielles Risiko eingehen. Und manch einer muss nur noch ein oder zwei Jahre bis zur Frührente überbrücken und kann die Abfindung dafür gut gebrauchen. Ob ein Abfindungsangebot Chance oder Katastrophe ist, hängt natürlich auch von der Höhe ab – und davon, wie viel am Ende netto übrigbleibt.
Als Erstes: Firmen zahlen unterschiedlich hohe Abfindungen. Dennoch gibt es eine Faustregel: ein halbes bis ein ganzes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. "Finanztest" hat zusammengestellt, wann es Aussicht auf eine Abfindung gibt und wovon die Höhe abhängt.
Die gute Nachricht: Auf eine Abfindung müssen keine Beiträge zu Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlt werden. Wohl aber Steuern. Und die können – wenn man nichts unternimmt – recht hoch sein. Die Steuerexperten von "Finanztest" haben das beispielhaft durchgerechnet.
- Beispiel: Eine 55-jährige Frau arbeitete knapp 20 Jahre im selben Unternehmen. Im Januar und Februar 2024 verdiente die Alleinstehende jeweils 5.000 Euro brutto, zum 29. Februar wurde ihr Vertrag aufgelöst. Mit der Firma konnte sie 70.000 Euro Abfindung aushandeln. Das Geld wurde mit der Februar-Gehaltsabrechnung ausgezahlt. Der Gehaltszettel war aber ernüchternd: Für die zusätzlich zum Gehalt ausgezahlten 70.000 Euro behielt die Firma 29.804 Euro Lohnsteuer und 1 639 Euro Solidaritätszuschlag ein. Das heißt: Von den 70.000 Euro musste sie rund 31.400 Euro Steuerabzug hinnehmen.
Damit man nicht die Hälfte ans Finanzamt verliert, gibt es zwei Auswege.
Ausweg 1: Steuererklärung machen und Fünftel-Regelung anwenden
Die Fünftel-Regelung wurde eingeführt, um den Nachteil auszugleichen, den Gekündigte erfahren, wenn ihnen eine hohe Abfindung auf einmal ausgezahlt wird. Solche außerordentlichen Einkünfte führen dazu, dass das zu versteuernde Einkommen in diesem Jahr erheblich ansteigt, was wiederum einen höheren Steuersatz zur Folge hat.
Das Resultat? Eine größere Steuerlast, als wenn das Unternehmen die vereinbarte Summe über mehrere Jahre verteilt auszahlen würde. In unserem Beispiel halbiert sich damit die Steuerlast: Unsere Musterfrau macht eine Steuererklärung und beantragt hier die Anwendung der Fünftel-Regelung. Dadurch muss sie letztlich 15.034 Euro Einkommenssteuer für ihre 70.000 Euro Abfindung zahlen.
Ein wichtiger Punkt: Ab 2025 ist die Steuererklärung der einzige Weg, um von der Fünftel-Regelung zu profitieren. Arbeitgeber werden die ermäßigte Besteuerung dann nicht mehr bei der Gehaltsabrechnung anwenden. Wer eine Abfindung erhält, sollte daher auf jeden Fall eine Steuererklärung machen.
Um von der Fünftel-Regelung profitieren zu können, müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. Hier die wichtigsten Bedingungen:
- Der Arbeitgeber muss die Abfindung auf einen Schlag auszahlen, nicht in Raten. Eine Ausnahme gilt, wenn die Abfindung nachweislich nur aufgrund eines finanziellen Engpasses des Arbeitgebers über zwei Jahre verteilt ausgezahlt wird.
- Die Abfindung muss um mindestens 1 Euro höher sein als der bis zum Jahresende wegfallende Arbeitslohn. Gleiches gilt, falls der oder die Abgefundene noch im selben Jahr einen höher bezahlten Job annimmt: Dann greift die Fünftel-Regelung nur, wenn die Abfindung höher ist als der Arbeitslohn in jenem Jahr.
Ausweg 2: In die Rentenkasse einzahlen
Neben der Fünftel-Regelung gibt es noch einen zweiten Weg, um die Steuerlast auf die Abfindung zu senken: das Geld für die Altersvorsorge nutzen, um sich im Ruhestand höhere Einnahmen zu sichern. Dieser Weg ist steuerlich günstig, hat aber einen Haken: Auf das Geld, das man auf diese Weise einzahlt, hat man vorerst keinen Zugriff mehr. Wer die Abfindung braucht, um die Übergangszeit bis zum nächsten Job zu überbrücken, ist mit dieser Variante also schlecht beraten.
Lesen Sie auch
Wer dagegen genug finanziellen Spielraum hat, um die Abfindung in die Rente zu investieren, wird steuerlich belohnt – im besten Fall wird gar keine Steuer mehr auf die Abfindung fällig. Denkbar sind mehrere Varianten: Einzahlungen in die gesetzliche Rente (für über 50-Jährige) oder auch in Betriebsrenten oder Pensionskassen. Wie Sie dabei am besten vorgehen, hat "Finanztest" hier aufgeschrieben.
Die wichtigste Empfehlung beim Thema Abfindung ist daher: Informieren Sie sich gründlich, bevor Sie einen Auflösungsvertrag unterschreiben – und lassen Sie sich bei Bedarf von Fachleuten beraten. Es geht um viel Geld.
Über die Autorin
- Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen.
- Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.