Vor Gericht zu ziehen, bedeutet Stress - und hohe Kosten. Viele Menschen fragen sich deshalb, ob sie eine Rechtsschutzversicherung brauchen. Die Antwort lautet: nicht unbedingt. Denn für manche Fälle gibt es brauchbare Alternativen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Um das gleich vorwegzunehmen: Ich habe keine Rechtsschutzversicherung. Aber immer wieder frage ich mich, ob ich nicht doch besser eine abschließen sollte. Der Gedanke an einen zähen Rechtsstreit ist wie ein kleiner Komet, der von Zeit zu Zeit durch mein gut geordnetes Versicherungsuniversum schießt und mich ins Grübeln bringt.

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Mein Bekannten- und Kollegenkreis hilft mir in diesem Fall auch nicht weiter. Eine Freundin schwört auf ihre Rechtsschutzversicherung, ohne die sie schon Tausende Euro für Anwälte und Gerichtskosten hätte zahlen müssen, zuletzt wegen eines unverschämten Autofahrers, der sie auf dem Fahrrad anfuhr und ihr die Schuld geben wollte.

Eine andere Freundin findet eine solche Police völlig überflüssig, sie hat ihren Ärger mit Versicherungen, Vermietern und Unfallgegnern immer ohne Gericht geregelt. Und die Rechtsexperten der Stiftung Warentest? Sind ebenfalls unentschlossen. Die Rechtsschutzversicherung sei keine der ganz wichtigen Versicherungen, sagt mein Kollege, aber doch nützlich.

Was deckt eine Rechtsschutzversicherung ab – und was nicht?

Also gut, dann finden wir mal heraus, wofür genau sie nützlich ist. Eine Rechtsschutzversicherung ist eine komplizierte Sache: Manche Rechtsstreitigkeiten übernimmt sie, andere nicht. Außen vor ist zum Beispiel Streit um spekulative Kapitalanlagen und Wettverträge. Wenn Sie also eine Kryptowährung kaufen wollen, sich vom Verkäufer betrogen fühlen und vor Gericht ziehen wollen, können Sie auf Ihre Rechtsschutzversicherung meist nicht zählen.

Auch bei anderen Grenzbereichen des menschlichen Umgangs halten sich die Versicherer heraus: Wer anderen sittenwidrige Angebote macht oder solche, die rassistisch oder extremistisch sind, muss den möglicherweise folgenden Rechtsstreit selbst zahlen.

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Was aber ist mit den Dingen des Alltags, die häufig vor Gericht landen: Es gibt Streit mit dem Vermieter, der Arbeitgeber schreibt ein schlechtes Zeugnis oder der Verursacher eines Verkehrsunfalls beschuldigt Sie, Mitschuld zu haben?

Hier kommt die nächste Eigenheit von Rechtsschutzpolicen ins Spiel: Sie bestehen aus verschiedenen Einzelteilen: Privat, Beruf, Verkehr und Wohnen – das alles kann je nach Anbieter einzeln oder aufeinander aufbauend abgeschlossen werden. Hier beantwortet die Stiftung Warentest die wichtigsten Fragen rund um die Rechtsschutzversicherung.

Mein persönliches Risiko: Autofahrerin und Mieterin

Jetzt heißt es, meine Risiken einzuschätzen: Da ich häufig mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs bin, ist mein Risiko erhöht, in einen Unfall mit anschließendem Rechtsstreit verwickelt zu werden. Zumindest eine Verkehrsrechtsschutzversicherung kann daher sinnvoll sein. Dieser einzelne Baustein kostet etwa ein Drittel dessen, was ein Rundumschutz bei einem gut getesteten Anbieter kostet – im günstigsten Fall rund 100 Euro pro Jahr.

Außerdem bin ich Mieterin – auch ein häufiger Grund für juristische Scharmützel. In meinem Fall allerdings bin ich entspannt, mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich mich mit unserem derzeitigen Vermieter gütlich einigen kann, falls es mal Zwist geben sollte.

Gerade im Bereich Wohnen gibt es aber auch eine Alternative: Wer insbesondere Mieterrechtsschutz sucht, kann auch Mitglied in einem Interessenverband für Mieter werden. In vielen Städten gibt es die Mietervereine des Deutschen Mieterbundes (DMB). Die Mitgliedschaft dort kostet oft um die 100 Euro pro Jahr. Im Mitgliedsbeitrag enthalten ist bei vielen Mietervereinen eine Rechtsschutzversicherung. Diese übernimmt die Kosten, sobald der Streit mit einem Mieter vor Gericht geht (Prozesskostenversicherung).

Kosten und Abwägung: Ist es das wert?

Jetzt merke ich schon: Absicherung gegen Rechtsstreitigkeiten ist nicht gerade günstig. Vor allem Tarife ohne Selbstbehalt sind teuer. Wer rundum versorgt sein will (Bausteine Privat, Verkehr, Beruf und Wohnen), muss für eine gute Police ohne Selbstbehalt je nach Wohnort mit gut 500 bis über 1.000 Euro im Jahr rechnen. Günstiger wird es mit einem Selbstbehalt von 150 oder 300 Euro je Vorgang. Trotzdem: 300 bis 400 Euro jährlich werden auch hier fällig.

Am Ende muss ich also abwägen: Eine Rechtsschutzversicherung schont die Nerven und macht innerlich stärker, falls es bei einem Streit wirklich mal hart auf hart kommt und ohne Anwalt nichts mehr geht.

Aber: Ist mir das so viel Geld wert? Die Antwort auf diese Frage kann mir niemand abnehmen – doch wenigstens weiß ich jetzt, was ich abwägen muss, wenn ich mir das nächste Mal mein Versicherungsuniversum ansehe.

Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Stiftung Warentest Finanzen" und ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Die Stiftung Warentest testet seit 60 Jahren Finanzdienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse auf test.de und in ihren Magazinen. Alle Publikationen sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

Verwendete Quellen