In Testamenten findet sich häufig der Wunsch, jemanden aus der Familie vom Erbe auszuschließen. Ist die betroffene Person aber pflichtteilsberechtigt, ist das nicht so einfach.

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"Mein Sohn soll nichts von meinem Erbe erhalten." Wer so etwas in sein Testament schreibt, muss damit rechnen, dass sein Letzter Wille mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden kann. "Enterben kann man zwar jeden", sagt dazu Klaus Michael Groll, Fachanwalt für Erbrecht und Gründungspräsident des Deutschen Forums für Erbrecht.

Viele meinen jedoch, ihre Kinder zu enterben bedeute, dass diese überhaupt nichts vom Erbe erhalten. "Ein im Gesetz fest umschriebener Kreis von Enterbten, dazu gehören etwa die Kinder, besitzt jedoch einen Pflichtteilsanspruch", betont Groll.

Wer enterbt werden sollte oder nach dem Willen des Erblassers, also des Verstorbenen, weniger erhalten sollte als das gesetzliche Minimum, kann seinen Pflichtteil einfordern. Der Kreis dieser pflichtteilsberechtigten Personen ist beschränkt. Dazu gehören nur:

  • Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner
  • Abkömmlinge und Adoptivkinder (letztere sind den leiblichen Kindern gleichgestellt)
  • Eltern – nur dann, wenn der Verstorbene keine Abkömmlinge hatte
  • Enkel – nur dann, wenn keine Kinder vorhanden sind
  • Urenkel – nur dann, wenn weder Kinder noch Enkel vorhanden sind

Abkömmlinge von Adoptivkindern haben denselben Anspruch wie die Abkömmlinge von leiblichen Kindern.

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Ein häufiger Irrtum ist, auch Geschwister seien pflichtteilsberechtigt. Das sind sie ebenso wenig wie Stiefkinder des Verstorbenen. Geschwister können höchstens über die gesetzliche Erbfolge an einen Teil des Erbes gelangen, wenn der Verstorbene keine Abkömmlinge hatte. Diese Erbfolge wiederum tritt nur ein, wenn der Verstorbene kein Testament oder Erbvertrag hinterlassen hat.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Wichtig zu wissen: Ein Pflichtteilsberechtigter hat immer nur einen Geldanspruch. Das ist ein Unterschied zur gesetzlichen Erbfolge: Dort bilden alle Erben eine Erbengemeinschaft, in der jeder einzelne Gegenstand allen gemeinsam gehört.

Den Pflichtteilsanspruch zu berechnen, ist nicht einfach. "Das ist eine etwas komplizierte Formel: die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Man ermittelt also zunächst den gesetzlichen Erbteil des Berechtigten", erklärt Groll.

  • Beispiel: Der Verstorbene hinterlässt eine Ehefrau, mit der er in einer sogenannten Zugewinngemeinschaft gelebt hatte, und drei Kinder. Pflichtteilsberechtigt sind also vier Personen.

Groll: "Der gesetzliche Erbteil der Witwe ist die Hälfte des Erbes, die Kinder teilen sich die andere Hälfte. Ihr Erbteil liegt somit jeweils bei einem Sechstel. Die Pflichtteilsquote jedes Kindes wäre dann die Hälfte davon, also ein Zwölftel."

Pflichtteil auszahlen: Witwe muss im schlimmsten Fall ihr Haus verkaufen

So errechnet sich aus dieser Quote schließlich die Geldsumme, die jedem der drei Kinder aus obigem Beispiel zusteht: Sie können nicht ein Zwölftel Eigentumsanteil aus jedem Nachlassgegenstand verlangen, sondern immer nur ein Zwölftel des Wertes des gesamten Nachlasses, genauer gesagt des Verkehrs- bzw. Marktwertes des Nachlasses.

Um den Pflichtteilsanspruch berechnen zu können, muss also in jedem Fall der Wert des gesamten Nachlasses ermittelt werden. Dazu zählen auch Unternehmen, die dem Verstorbenen gehörten, Immobilien, Wertpapiere, Fahrzeuge und so weiter. "Der Erbe, der den Pflichtteil auszahlen muss, und der Pflichtteilsberechtigte sind über den Wert dieses Nachlasses meistens unterschiedlicher Meinung. Eine Streitursache ersten Ranges", weiß der Münchner Fachanwalt aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung.

Das Problem, das der Geldanspruch des Pflichtteilsberechtigten zwangsläufig mit sich bringt: Der Erbe hat oft kein Geld, also keine flüssigen Mittel, sondern zum Beispiel eine Immobilie oder ein Handwerksunternehmen geerbt. Die Folge liegt auf der Hand: "Oft muss die Immobilie oder das Unternehmen verkauft werden, um die Pflichtteilsansprüche erfüllen zu können. Dabei kann es sich durchaus auch um die Wohnimmobilie der Witwe handeln, nicht selten der Familiensitz seit Jahrzehnten."

Mögliche Maßnahme: Schenkung zu Lebzeiten

Wenn der Pflichtteil in eine solche wirtschaftliche oder gar familiäre Katastrophe münden kann, lassen sich denn solche Ansprüche vielleicht vermeiden? Groll nennt dazu ein Beispiel: Eine Witwe hat zwei Söhne, einen, der ihr nahesteht, mit dem anderen ist sie vollkommen entzweit. "Sie könnte Ersterem schon lebzeitig einen größeren Geldbetrag oder eine Immobilie schenken", schlägt er vor.

Zwar würden solche Schenkungen im Erbfall dem Wert des Nachlasses wieder zugerechnet, wenn der Pflichtteil ermittelt wird. Jedoch gelte ein sogenanntes Abschmelzungsmodell: Jedes Jahr nach der Schenkung reduziert sich der Wert der hinzuzurechnenden Schenkung um zehn Prozent. "Stirbt etwa die Mutter im zweiten Jahr nach der Schenkung, würden dem Nachlass nur noch 90 Prozent des geschenkten Wertes hinzugerechnet, im dritten Jahr nur noch 80 Prozent und so weiter", erläutert Groll. Sind seit der Schenkung mehr als zehn Jahre vergangen, wird die Schenkung für die Berechnung des Pflichtteils des "bösen" Sohns gar nicht mehr berücksichtigt.

"Aber Vorsicht!", warnt Groll, "Behält sich die Mutter den Nießbrauch oder ein Wohnrecht an der geschenkten Immobilie vor, fließt im Erbfall der volle Wert der Schenkung in die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil." Und weiter: "Schenkungen zwischen Ehegatten mindern die Ansprüche Pflichtteilsberechtigter überhaupt nicht."

Vertraglich auf Pflichtteil verzichten

Selbst mit dem sogenannten Berliner Testament, in dem sich Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, kommt man nicht um den Pflichtteil herum. Kinder haben dann immer noch einen Anspruch. Dies lasse sich aber durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag vermeiden, sagt Groll. Der Erblasser und der Berechtigte schließen solch einen Vertrag lebzeitig und notariell ab. "Das bedeutet natürlich, dass der Pflichtteilsberechtigte zustimmen muss. Aber mit einer gleich zu zahlenden Abfindung könnte man ihm einen solchen Verzicht vielleicht schmackhaft machen."

Auch kann der Anspruch der Kinder mit einer Pflichtteilsstrafklausel verhindert werden. Mit ihr verfügen Ehegatten im Testament: Erhebt ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils gegen den Willen des Überlebenden Anspruch auf den Pflichtteil, bekommt es auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil.

Enterben ist etwas anderes als Entziehung des Pflichtteils

Ein weiterer Weg schließlich, Pflichtteilsansprüche zu umgehen, ist die gänzliche Entziehung des Pflichtteils. Dabei geht es um das, was Laien häufig als "Enterben" missverstehen. Während beim Enterben der Pflichtteilsanspruch bestehen bleibt, soll dieser beim Entziehen gänzlich verhindert werden.

"Hiermit entziehe ich meinem Sohn Harald den Pflichtteil", könnte der Schlüsselsatz im Testament dafür lauten. "Das ist jedoch eine ganz hohe Hürde", sagt Groll. "Ein unsittlicher Lebenswandel genügt nach neuerem Recht nicht mehr, um jemanden den Pflichtteil zu entziehen."

In folgenden Fällen wäre eine Entziehung des Pflichtteils möglich: Der Pflichtteilsberechtigte hat …

  • … dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben getrachtet
  • … sich gegenüber jemandem aus dieser Personengruppe eines schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht
  • … die Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser verletzt
  • … eine vorsätzliche Straftat begangen, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung geführt hat. Und: Durch die Schwere der Tat ist es dem Erblasser nicht zuzumuten, den Verurteilten am Nachlass teilhaben zu lassen

Wie geschieht die Entziehung? "Sie muss in der letztwilligen Verfügung mit Schilderung des Sachverhalts erfolgen, möglichst auch mit der Nennung von Zeugen", sagt Groll. Habe der Erblasser der betreffenden Person aber nach der Verfassung des Testaments verziehen, wird die Entziehung des Pflichtteils unwirksam: "Glückwünsche zum Geburtstag können dafür schon genügen."

Zur Person: Prof. Dr. Klaus Michael Groll ist Fachanwalt für Erbrecht in München und gründete 1996 das international agierende Deutsche Forum für Erbrecht)
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