Immer häufiger kommt es in Deutschland zu Erbstreitigkeiten, obwohl die Zahl jener, die ein Testament machen, sogar steigt. In sehr vielen dieser Testamente finden sich aber – eigentlich vermeidbare – Fehler, an denen im Todesfall dann manche Familien zerbrechen.
Jedes Jahr werden in Deutschland Schätzungen zufolge 200 bis 300 Milliarden Euro Privatvermögen vererbt. Immer häufiger streiten sich die Erben, wie eine repräsentative Allensbach-Umfrage im Auftrag der Deutschen Bank vom vergangenen Jahr zeigt: 2015 kam es in 17 Prozent der Erbfälle zum Streit, drei Jahre später waren es 19 Prozent.
"Im Vergleich zu einem Erbschaftsstreit ist eine Scheidung ein vergnügliches Kasperletheater", weiß Klaus Michael Groll, Gründer des Deutschen Forums für Erbrecht, aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Fachanwalt für Erbrecht zu berichten.
Zwar wollen die Deutschen einen Streit ums Erbe am liebsten vermeiden, wie die Allensbach-Studie ergab. Immerhin haben ihr zufolge 39 Prozent der Deutschen nach eigenen Angaben ein Testament – noch sechs Jahre zuvor waren es nur 31 Prozent.
Doch werden beim Testament häufig folgenreiche – aber vermeidbare – Fehler gemacht. Hier die häufigsten:
Fehler Nummer 1: Gar kein Testament
Der eigene Tod – ein Tabuthema für viele Deutsche. Dass nur vier von zehn Deutschen ihren Letzten Willen geregelt haben, findet Groll verwunderlich: "Schließlich musste doch alles hart erarbeitet werden – und niemand kann wollen, dass die Familie nach dem eigenen Tod auseinanderbricht."
Doch genau das geschieht häufig. Wie heftig der Erbenstreit ausfällt, hänge nicht mit der Höhe des Vermögens zusammen: "Im Gegenteil, es sind oft die ideellen Dinge, die mit Erinnerungen zusammenhängen, über die sich die Erben am meisten streiten."
Liegt kein Testament vor, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Und hier liegen die ersten Fallstricke begraben. Ein kinderloses Ehepaar beerbt sich automatisch gegenseitig allein? Fehlanzeige. Stirbt beispielsweise der Ehemann, findet sich die Witwe in einer Erbengemeinschaft etwa mit dem Schwiegervater wieder. "Eine Erbengemeinschaft ist ein Konfliktherd ersten Ranges, den es zu vermeiden gilt", warnt Groll. "Allen gehört dann der gesamte Nachlass. Jeder kann mitreden und den anderen Erben das Leben schwermachen." Seine Botschaft daher: Jeder Erwachsene sollte ein Testament haben.
Fehler Nummer 2: Zu spät den letzten Willen regeln
Jetzt ist es noch zu früh, ein Testament zu machen? "Fast jeder – auch der junge Erwachsene – besitzt etwas, über das nach dem Tod Streit ausbrechen kann. Auch ein geringes Vermögen oder einzelne Gegenstände von nur ideellem Wert wollen klug verteilt sein", sagt Groll.
Wer das Testament erst im hohen Alter verfasse, riskiere den Streit darüber, ob er in dieser Lebensphase überhaupt noch testierfähig gewesen ist. Um das zu vermeiden, könnten ältere Menschen dem Testament ein entsprechendes ärztliches Attest beilegen.
Fehler Nummer 3: Testament am PC schreiben
Zugegeben: Es gab schon mal ein Testament, das auf einem Bierdeckel in einem Lokal verfasst und vor Gericht als gültig anerkannt wurde. Das war aber der große Ausnahmefall, dem Groll in seinem Berufsleben begegnet ist.
Der häufigste Fehler: Viele tippen ihr Testament auf dem PC, drucken es aus und unterschreiben es. Ungültig! "Ein Testament muss von A bis Z handschriftlich sein, und zwar vom Testierenden selbst", betont Groll. Auch sollten die Seiten durchnummeriert sein: "Sie glauben nicht, wie schnell da sonst im Erbfall auch gerne mal eine Seite verschwindet, die jemandem nicht gefällt."
Fehler Nummer 4: Erbvertrag statt Testament
Beim Letzten Willen sind folgende Formen möglich:
- privatschriftliches Testament
- notarielles Testament
- notarieller Erbvertrag
Vor letzterem warnt Groll: "Schließen Sie einen Erbvertrag ab, nach dem Ihre Nichte Ihre Erbin wird, kommen Sie ohne deren Zustimmung nicht wieder aus diesem Vertrag heraus. Ein Testament können Sie jederzeit wieder ändern." Besser als Änderungen vorzunehmen, wäre allerdings, ein neues zu schreiben: "So räumen Sie den Verdacht einer Fälschung aus."
Fehler Nummer 5: Fehlender Hinweis im Ehegattentestament
Verheiratete Paare verfassen oft ein sogenanntes Gemeinschaftliches Testament in der Form des "Berliner Testaments". Man setzt sich dabei gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmt zugleich, wer nach dem Tod des Letztversterbenden Schlusserbe werden soll.
Laut Groll wird dabei aber häufig nicht verfügt, ob der überlebende Ehepartner die Regelung für den Schlusserbfall wieder ändern darf.
"Eine schwierige Frage, für die es auch kein Patentrezept gibt. Wird sie allerdings nicht entschieden, ist das Testament für den Überlebenden in der Regel bindend", so Groll.
Fehler Nummer 6: Das Testament in der Nachttischschublade
Niemand weiß, wie viele Testamente jährlich verschwinden, weil sie dem Finder nicht gefallen. "Ein Testament sollten Sie zur Aufbewahrung nicht in den eigenen vier Wänden, sondern am besten beim Nachlassgericht hinterlegen." Auch Änderungen seien dann natürlich immer noch möglich.
Die Kosten beim Nachlassgericht belaufen sich auf 75 Euro. Wird das Testament beim beratenden Anwalt hinterlegt, kostet das in der Regel nichts.
Fehler Nummer 7: Kein Ersatzerbe eingesetzt
"Ich setze meinen Sohn zum Alleinerben ein", kann der Schlüsselsatz des Testaments lauten. Doch was, wenn der Sohn inzwischen verstorben ist? Oder der Erblasser und der Erbe gemeinsam bei einem Unfall tödlich verunglücken?
Im schlimmsten Fall sieht die gesetzliche Erbfolge einen Erben vor, der eigentlich – nach dem Willen des Verstorbenen – partout gar nichts erben sollte. "Die Regelung, wer Ersatzerbe werden soll, gehört unbedingt in ein Testament", betont Groll.
Fehler Nummer 8: Falscher Ehevertrag
Sogar der Ehevertrag kann sich im Erbfall negativ auswirken, und zwar wenn ein Paar Gütertrennung statt Zugewinngemeinschaft vereinbart hat.
Es könnten sich der gesetzliche Erbteil sowie der Pflichtteilsanspruch mindern, zudem besteht die Gefahr höherer Erbschaftsteuer.
"Eine Möglichkeit ist etwa die Vereinbarung der sogenannten modifizierten Zugewinngemeinschaft im Ehevertrag: Sie bedeutet Gütertrennung im Fall der Scheidung, aber Zugewinngemeinschaft im Fall des Todes einer der Ehepartner", sagt Groll.
Fehler Nummer 9: Steuerfragen vernachlässigen
"Manches Testament liest sich ganz überzeugend, ist aber steuerlich betrachtet unvernünftig", so Groll. Dies gelte nicht nur aus erbschaftsteuerlicher, sondern auch aus einkommensteuerlicher Sicht. Der Berater muss also auch im Steuerrecht sattelfest sein.
Fehler Nummer 10: Testament ohne fachliche Beratung
Das Erbrecht ist ein kniffliges Terrain. "Hinzu kommt: Jede Situation, jeder Mensch, jede Familie ist anders. Ein Laie hat keine Vorstellung – nicht nur von den zivil- und steuerrechtlichen Tellerminen, sondern auch, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten das Erbrecht bereithält", erklärt Groll.
Beispiel Pflichtteil: Pflichtteilsberechtigt sind der Ehepartner, die Eltern (sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind) und die Abkömmlinge des Verstorbenen. Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch – allerdings fehlen häufig die Geldmittel, um ihn auszahlen zu können. In solchen Fällen muss dann oft ein Haus, das lange in Familienbesitz war, verkauft werden.
"Um so etwas zu vermeiden, gibt es gute Möglichkeiten", weiß Groll, "so kann einem Erben zu Lebzeiten eine Abfindung gezahlt werden – im Gegenzug unterschreibt dieser einen Pflichtteilsverzichtsvertrag."
Sein Tipp für die Beratung: "Suchen Sie einen Fachanwalt für Erbrecht auf und handeln Sie das Honorar für einen Testamentsentwurf im Vorfeld mit ihm aus." Die Höhe des Honorars richte sich in der Regel nach dem Aufwand des Anwalts sowie dem Wert des Vermögens.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Prof. Dr. Klaus Michael Groll, Fachanwalt für Erbrecht und Gründer des Deutschen Forums für Erbrecht
- dpa
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