Wohl kaum jemand mag sie, doch jedes Jahr steht sie aufs Neue an: die Steuererklärung. Tipps und Tricks für 2022 verrät Finanzexperte und Autor Simon Neumann, der als "FinanzNerd" Millionen von Followern beim Steuern sparen hilft.
Wer verpflichtet ist, die Steuererklärung für 2022 abzugeben, hat bis zum 2. Oktober 2023 Zeit. Wer einen Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater beauftragt, kann bis zum 31.07.2024 warten. Gibt man später ab, droht ein Verspätungszuschlag. Wer sich besonders viel Zeit lässt, kann Verzugszinsen berechnet bekommen – oder die Steuer wird vom Finanzamt geschätzt. Das kann ungünstig ausfallen.
Wer freiwillig eine Steuererklärung abgibt, kann dies tatsächlich vier Jahre rückwirkend tun. In diesem Jahr also noch für die Jahre: 2022, 2021, 2020, 2019. In vielen Fällen lohnt sich das. Laut dem Steuerportal des Haufe Verlags steuern.de bekommen Steuerzahler jährlich im Schnitt rund 1.059 Euro zurück.
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Wer ist zur Steuererklärung verpflichtet?
Die Steuererklärung 2022 bezieht sich auf die Einkünfte aus dem vergangenen Kalenderjahr. Arbeitnehmer mit einer Festanstellung haben bereits monatlich ihre Lohnsteuer gezahlt. Mit der Steuererklärung ermittelt das Finanzamt, wie viele Steuern diejenigen zahlen müssen, die im Jahr 2022 Einkünfte hatten, die noch nicht versteuert wurden.
Dazu zählen:
- Selbstständige und Gewerbetreibende: Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen ist, dass Gewerbetreibende ein eigenes Gewerbe haben, das bei der Industrie- und Handelskammer angemeldet oder im Handelsregister registriert ist. Ein Beispiel sind Handwerker. Selbstständige wiederum arbeiten freiberuflich, unter anderem in wissenschaftlichen, künstlerischen oder unterrichtenden Tätigkeiten.
- Verheiratete, die der Steuerklasse 3 und 5 angehören. Meistens bedeutet das: Einer von beiden ist Geringverdiener, der andere verdient wesentlich mehr.
- Personen mit Mieteinnahmen
- Rentner, die mit ihrer Rente über dem Grundfreibetrag liegen. Der liegt für 2022 bei 10.347 Euro.
- Arbeitnehmer, die zusätzlich zu ihrem Hauptjob einer Nebentätigkeit nachgehen. In dieser Tätigkeit müssen sie mehr als 520 Euro monatlich verdienen, ein Minijob zählt also nicht.
- Alle diejenigen, die sogenannte Lohnersatzleistungen bekommen haben, die insgesamt über 410 Euro lagen. Das sind unter anderem: Arbeitslosengeld I, Sozialgeld, Kurzarbeitergeld, Wohngeld, Kindergeld, Erziehungs- und Elterngeld, Leistungen aus Kranken-, Pflege oder Unfallversicherung, Mutterschaftsgeld, Bafög, Zuschüsse zur betrieblichen und privaten Altersvorsorge, Zuschläge für Sonn- und Feiertage sowie Nachtarbeit und Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten.
Kommen wir nun zum spannenden Teil: Beim Steuern sparen spielen die Werbungskosten eine besondere Rolle.
Was sind Werbungskosten?
Werbungskosten sind Kosten, die dem Arbeitnehmer entstehen, wenn er seinen Beruf ausübt – unabhängig davon, ob selbstständig oder nicht. Das Finanzamt berücksichtigt diese Kosten, wenn es die Steuer berechnet.
Heißt: Je höher die Werbungskosten, umso geringer das Einkommen, über das es die Steuern ermittelt. Das Finanzamt arbeitet hier mit einer Pauschale. Die liegt für 2022 bei 1.200 Euro. Wer also nachweisen kann, dass seine Werbungskosten über dem Betrag von 1.200 Euro lagen, erhält unter Umständen Geld zurück. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die ihre Steuererklärung freiwillig abgeben.
Welche Steuertipps gibt es für 2022?
Gängige Möglichkeiten, Werbungskosten abzusetzen, sind zum Beispiel: Ausgaben für Arbeitsmittel, Beiträge zu Berufsverbänden, Bewerbungskosten oder Fortbildungskosten. Finanzexperte Neumann nennt drei Tipps, die in 2022 besonders interessant sind.
Tipp eins: Pendlerpauschale. Steuerzahler können ihre Fahrtkosten beim Arbeitsweg als Werbungskosten absetzen. Das waren in der Regel 30 Cent pro Kilometer am Tag – berechnet wird immer nur der einfache Weg. "Für Wege zur Arbeit wurde die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer ab 2022 erhöht", sagt Neumann. "So kann man nach wie vor für jeden Kilometer Arbeitsweg 30 Cent absetzen und ab dem 21. Kilometer sogar 38 Cent." Und: "Wer nur einen kurzen Arbeitsweg hat und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann stattdessen lieber die vollen Kosten für seine Monats- und Jahreskarten absetzen."
Tipp zwei: Homeoffice-Pauschale. Seit der Corona-Pandemie arbeiten viele Arbeitnehmer im Homeoffice. Allerdings steigen dadurch die Kosten für zum Beispiel Strom und Heizung. Das gleicht das Finanzamt seit 2020 mit der Homeoffice-Pauschale aus. Auch für das Jahr 2022 darf man die Homeoffice-Pauschale weiterhin nutzen. "Dabei sind pauschal fünf Euro pro Tag und das für maximal 120 Tage, also immerhin bis zu 600 Euro."
Tipp drei: Internet- und Handykosten. "Immer mehr Menschen nutzen das private Telefon oder den Internetanschluss zu Hause für berufliche Angelegenheiten", sagt Neumann. "Diesen Teil darf man ebenfalls als Werbungskosten absetzen. Viele Finanzämter akzeptieren mittlerweile bis zu 20 Prozent der Kosten, die man für Handy und Internet hatte, bis maximal 240 Euro pro Jahr."
Zusätzlich zu den Werbungskosten zieht das Finanzamt die Sonderausgaben vom Einkommen ab, bevor es die Steuer berechnet.
Was zählt zu den Sonderausgaben?
Das sind unter anderem Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, aber auch Pauschalbeträge für Behinderte. Auch Spenden an gemeinnützige Organisationen können abgesetzt werden. Hierzu ein Hinweis vom Finanzexperten für Beträge bis 300 Euro: "Dafür wird nicht mal eine offizielle Spendenquittung benötigt, sondern es reicht bei Rückfragen des Finanzamts ein Überweisungsbeleg oder Kontoauszug aus."
Für Eltern interessant: Das Finanzamt berücksichtigt bis zu zwei Drittel der Kosten für Kinderbetreuung für Kita, Hort oder auch private Schulen. Angerechnet werden können 6.000 Euro pro Kind jährlich, zwei Drittel davon sind also 4.000 Euro, die von der Steuer abgesetzt werden können. Das Kind darf das Alter von 14 Jahren nicht übersteigen. Das gilt nicht, wenn es körperlich, geistig oder seelisch behindert ist und nicht für sich selbst sorgen kann.
Und dann gibt es noch die Beträge für außergewöhnliche Belastungen. Was ist das?
Finanzexperte Neumann erklärt: "Das sind Kosten, die unvermeidlich waren und dem Großteil der anderen Steuerzahler nicht entstehen." Dazu zählen: Kosten für Sehhilfen, also Brillen und Kontaktlinsen, Medikamente, medizinische Behandlungskosten und Zahnersatz, aber auch Pflegekosten und Unterhaltszahlungen.
Allerdings wirken sich diese nicht ab dem ersten Euro steuerlich aus. Vielmehr müssen sie einen sogenannten zumutbaren Eigenanteil übersteigen, den das Finanzamt prozentual je nach Familien nach Familienstand und Einkommen festlegt. "Wer auf Nummer sicher gehen will, gibt seine Kosten aus diesem Bereich einfach an und das Finanzamt prüft dann die Grenzen automatisch", rät Finanzexperte Neumann.
Zusätzlich zu den Werbungskosten, den Sonderausgaben und den Beträgen für außergewöhnliche Belastungen gibt es noch eine vierte Möglichkeit, Steuern abzusetzen.
Was sind Kosten für Handwerker oder haushaltsnahe Dienstleistungen?
"Tatsächlich erstattet das Finanzamt 20 Prozent der gezahlten Lohnkosten für Handwerker direkt. Das gilt bis zu einem Betrag von 6.000 Euro pro Jahr – also immerhin eine mögliche Erstattung von 1.200 Euro", sagt Neumann und weist darauf hin: Noch viel mehr Menschen sind von den haushaltsnahen Dienstleistungen betroffen.
"Dazu lohnt sich als Mieter der Blick in die letzte Nebenkostenabrechnung, wo sich viele solcher haushaltsnahen Dienstleistungen finden." Das sind zum Beispiel: Kosten für den Hausmeister, Gartenpflege, Hausreinigung oder den Winterdienst. Auch Eigentümer von selbstbewohnten Immobilien können solche Ausgaben absetzen. "Wichtig: Es gibt eine Rechnung und diese darf nicht bar bezahlt worden sein!"
Nach Abzug all dieser Beträge ermittelt das Finanzamt dann die Einkommenssteuer. Ergibt sich eine Differenz zu den in 2022 bereits gezahlten Beträgen? Dann bekommt der Steuerzahler Geld zurück – oder zahlt drauf.
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Übrigens: Die Steuererklärung lohnt sich auch für Geringverdiener oder Menschen, die nicht das ganze Jahr 2022 über berufstätig waren. Der Grundfreibetrag für 2022 liegt für Ledige bei 10.347 Euro. Wenn das zu versteuernde Einkommen abzüglich aller Beträge also auf unter 10.347 Euro sinkt, muss das Finanzamt alle bereits gezahlte Steuern zurückerstatten.
So kompliziert – wer kann mir bei der Steuerklärung helfen?
Enge Verwandte, wie Eltern, Kinder, Geschwister, Tanten und Onkel dürfen unentgeltlich bei der Steuererklärung helfen, sagt Neumann. "Freunde und Bekannte zählen ausdrücklich nicht dazu und die Strafe für unerlaubte steuerliche Hilfestellung liegt laut Steuerberatungsgesetz bei bis zu 5.000 Euro."
Zur Person:
- Simon Neumann ist seit 2005 in der Finanz- und Steuerwelt unterwegs und berät zu Finanz- und Steuerthemen. Mit seinen Finanztipps tritt er im Sat.1-Frühstücksfernsehen und in anderen Medien auf. In den sozialen Medien hat der "FinanzNerd" fast eine Million Follower. Außerdem ist er Autor des Buchs "100 Steuertipps und Tricks", das Ende des Jahres in dritter Auflage erscheint. Der gelernte Versicherungskaufmann hat eine Ausbildung zum Fachberater für Finanzdienstleistungen und zum Fachwirt für Finanzberatung (beides IHK).
Verwendete Quellen:
- Bundesministerium der Finanzen: Anwendungsfragen zur (erneuten) Verlängerung der Steuererklärungsfristen
- steuern.de: Einkommensteuergesetz: Diese Einkünfte sind steuerfrei
- smartsteuer.de: Selbstständig, Freiberufler oder Gewerbe - Das sind die Unterschiede
- steuertipps.de: Steuerklassen – Übersicht zu allen Lohnsteuerklassen
- mehrwerrtsteuerrechner.de: Steuerfreibetrag Rentner
- mehrwerrtsteuerrechner.de: Steuerklasse 6
- YouTube-Video von "FinanzNerd": Steuererklärung selber machen 2023 | Einkommensteuererklärung 2022
- finanztip.de: So machst Du Betreuungskosten für Kinder geltend
Korrektur: Der Absatz über das Absetzen von Spenden war missverständlich formuliert. Wir haben das korrigiert.
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