Das wünschen sich die meisten Immobilien-Eigentümer: Nach ihrem Tod soll das Haus, die Wohnung oder das Grundstück im Familienbesitz bleiben und nach ihren Vorstellungen verteilt werden. Wie das am geschicktesten geht, erklärt Rechtsanwalt und Notar Dr. Thomas Streppel.
In vielen Familien ist es ein Thema, über das man nicht gerne redet: Wer bekommt im Todesfall die Immobilie? Kinder, die ihre Eltern ansprechen, fühlen sich oft als Erbschleicher.
Eltern verschieben Gedanken an das eigene Ende lieber in die Zukunft. "Doch da darf man keine Scheu haben, denn ein offenes Wort hilft hier allen, schließlich geht es um jede Menge steuerfreies Geld", sagt der Hagener Erbrechts-Experte Dr. Streppel.
Seiner Erfahrung nach ist es in den meisten Fällen besser, eine Immobilie bereits zu Lebzeiten zu verschenken - "aber mit Augenmaß!"
Vier Gründe sprechen laut Thomas Streppel für das Überschreiben von Immobilien: Erbschaftssteuer kann durch das Nutzen von steuerlichen Freibeträgen vermieden werden. Oft hilft die finanzielle Unterstützung dem Empfänger umso mehr, je früher er sie erhält, "denn im Alter von 30 Jahren können die meisten Zuwendungen besser gebrauchen als mit 60 Jahren". Das Vermögen lässt sich im Familienverband sichern. Und Dankbarkeit kann noch von beiden Seiten erlebt werden.
Worauf muss man bei einer Schenkung achten?
Die eigene Versorgungssituation sollte immer im Zentrum aller Überlegungen stehen. Dazu gehört auch die Altersvorsorge und sämtliche Sicherheiten, um auf ungeplante Situationen reagieren zu können. "Zu viel verschenken und dann in Altersarmut geraten, ergibt auch keinen Sinn", sagt der Notar.
Zudem sollten angemessene Rückforderungsrechte vereinbart werden, für den Fall, dass man in Streit gerate oder das Vermögen an Dritte gehe.
"Das kann passieren, wenn beispielsweise der beschenkte Ehegatte die Scheidung beantragt oder das beschenkte Kind stirbt und das Vermögen an dessen Ehegatten geht", erklärt Dr. Streppel.
"Hier sollte man alle Sachverhalte durchspielen, auch wenn man das nicht gerne tut, sonst kann man im schlimmsten Fall nichts mehr zurückfordern."
In welchem Fall ist welche Schenkungs-Variante sinnvoll?
Je höher das Vermögen, desto früher sollte man sich Gedanken über Schenkungen machen. "Denn die Erbschaftssteuer steigt nicht linear an, sondern progressiv", erklärt der Hagener Anwalt. Große Vermögen sollten deshalb möglichst bald abgeschichtet werden, um steuerliche Belastungen gering zu halten.
Wird eine Immobilie nicht selbst genutzt, empfiehlt der Experte, sich beim Überschreiben ein sogenanntes "Nießbrauchrecht" vorzubehalten. "So ist die Vermögenssubstanz in der nächsten Generation und der Schenker kann lebenslang Miete kassieren, wodurch ihm eine Einkommensquelle im Alter bleibt."
Bei selbst genutzten Immobilien sollte sich der Schenker ein Wohnungsrecht vorbehalten. So kann er das Haus oder die Wohnung mietfrei nutzen. Selbst wenn er pflegebedürftig würde, könnte die Wohnung nicht gleich durch Sozialhilfeträger besetzt werden, sagt Thomas Streppel.
Wie sieht es bei einer Schenkung mit dem Pflichtteil aus?
Der Pflichtteil berechnet sich zunächst aus dem Vermögen, das man hinterlässt. "Was in den letzten zehn Jahren vor dem Tod verschenkt wurde, wird fiktiv zum Nachlass hinzugezogen, so als hätte man es immer noch", erläutert der Hagener Anwalt.
Allerdings würde der Wert der Schenkung für jedes Jahr um zehn Prozent abgeschmolzen und abgezogen. Das gelte jedoch nicht für Schenkungen an Ehegatten, "das ist ein Sonderfall, hier wird ewig hinzugerechnet".
Will ein Vater nur einem seiner beiden Kinder Vermögen übertragen und den Pflichtteil des anderen reduzieren, kann er dies im Rahmen von Schenkungen machen: Er überschreibt dem "guten" Kind möglichst früh möglichst viel und nach dem Ablauf von zehn Jahren ist der Pflichtteil des "bösen" Kindes stark geschrumpft.
Welche Freibeträge gibt es bei Erbschafts- und Schenkungssteuer?
Die Freibeträge sind grundsätzlich bei beiden Steuerarten gleich: Für Ehegatten beträgt der Freibetrag alle zehn Jahre 500.000 Euro, für Kinder 400.000 Euro. Für Enkel liegt der Freibetrag bei 400.000 Euro, wenn der Elternteil, der die Verwandschaft vermittelt - also das Kind des Erblassers und Elternteil des erbenden Enkels - bereits verstorben ist; ansonsten 200.000 Euro.
Wie viel Steuer lässt sich bei einem Vermögen von einer Million Euro sparen?
Die Beispielrechnung geht von einer typischen Familie, bestehend aus einem Ehepaar und zwei Kindern, aus, sowie einem Vermögen von einer Million Euro. Die Ehegatten setzen sich zunächst als Alleinerben ein, danach erben die Kinder.
Beim Übergang auf den Ehegatten müssen 500.000 Euro zum Erbschaftssteuersatz von 15 Prozent versteuert werden, die restlichen 500.000 Euro sind steuerfrei. So sind 75.000 Euro Steuer fällig.
Stirbt nun dieser Ehepartner auch, so erben die beiden Kinder die verbliebenen 925.00 Euro. Mit ihren jeweiligen Freibeträgen von 400.000 Euro kommen sie nur auf die Summe von 800.000 Euro und müssen deshalb die Differenz von 125.000 Euro mit dem Erbschaftssteuersatz von sieben Prozent versteuern. So sind 8.750 Euro fällig.
In Summe fallen so insgesamt 83.750 Euro Steuer an.
"Diese Summe kann man sich komplett sparen, wenn man mindestens zehn Jahre vor dem Tod mit Schenkungen beginnt", erklärt Erbrechts-Experte Dr. Streppel.
Im Beispielfall hätte die Hälfte des Vermögens an den anderen Ehegatten überschrieben werden sollen, sodass beide Partner 500.000 Euro besitzen, die im Erbfall steuerfrei sind.
Um die ganze Linie steuerfrei zu halten, hätte man zu Lebzeiten auch den Kindern schon etwas schenken können - 100.000 Euro an jedes der beiden Kinder reichen nach Erklärungen des Anwalts aus, dass kein Cent Steuer auf die eine Million Euro Vermögen gezahlt werden muss.
Quelle:
Expertengespräch mit Dr. Thomas P. Streppel, Rechtsanwalt und Notar, Mitglied des Vorstandes der Westfälischen Notarkammer und Schiedsrichter der Deutschen Schiedsgerichtbarkeit für Erbstreitigkeiten. Er betreibt mit Kollegen in Hagen die Kanzlei Hefer Streppel & Partner.
Infos:
Amtliche Informationen zur Schenkungsteuer mit Übersicht über Steuersätze und Freibeträge
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.