In Deutschland landen tonnenweise Lebensmittel im Müll. Dabei wäre vieles noch genießbar - auch Produkte, die schon "abgelaufen" sind. Sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum deswegen auf manchen Packungen wegfallen?
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) von der Packung Joghurt ist seit zwei Wochen abgelaufen. Muss er deshalb weggeschmissen werden? Nicht immer! "Wenn der noch gut aussieht, gut riecht und schmeckt, kann man den auch essen", erklärt Janina Delp von der Initiative "Zu gut für die Tonne".
Positiv sei, dass einige Hersteller inzwischen neben dem Aufdruck "Mindestens haltbar bis" den Zusatz "oft länger gut" angeben: "Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Wegwerfdatum, und wir begrüßen daher Initiativen, die genau darauf aufmerksam machen", sagt Delp.
Verbraucherschützer stehen Änderungen skeptisch gegenüber
Nach wie vor werfen allerdings viele Verbraucher "abgelaufene" Produkte weg, obwohl sie noch länger genießbar sind. Deswegen wird seit einiger Zeit über Änderungen beim MHD diskutiert. Verbraucherschützer stehen diesen aber skeptisch gegenüber.
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels betonte in einer Stellungnahme für den Bundestag, dass das MHD dort erhalten bleiben sollte, wo es "zur Beurteilung der spezifischen Eigenschaften eine große Entscheidungshilfe ist". Damit sind vor allem frische, kühlpflichtige Produkte gemeint.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Wesfalen sieht das ähnlich. Das MHD habe einen hohen Bekanntheitsgrad und biete wichtige Orientierung. "Eine neue Kennzeichnung zur Haltbarkeit lehnen wir ab." Es solle aber untersucht werden, welche Verbrauchergruppen besonderen Informationsbedarf haben.
Bei lange haltbaren Lebensmitteln auf Mindesthaltbarkeitsdatum verzichten
Um Lebensmittelverschwendung zu stoppen, fordern die Grünen unter anderem die Abschaffung des MHD für langlebige Produkte wie Nudeln oder Reis auf EU-Ebene. Eine stärkere Standardisierung des MHD könne zudem eine bessere Annäherung an den tatsächlichen Verderb erreichen.
Der Handelsverband erklärte, bei sehr lange haltbaren Lebensmitteln könne es sinnvoll sein, auf die MHD-Angabe zu verzichten. Eine solche Befreiung wäre aber für jedes infrage kommende Produkt einzeln zu prüfen. "Die Lebensmittelsicherheit darf nicht gefährdet werden."
Die Supermärkte informierten immer wieder auf vielen Kanälen über das MHD und gäben Tipps. Denn durch ein "planvolleres Einkaufen" nach dem jeweiligen Bedarf und eine sachgerechte Lagerung und Verarbeitung könnten die wichtigsten Wegwerf-Ursachen vermieden werden.
Nudeln sind nicht gleich Nudeln
Die Verbraucherzentrale NRW ist offen für eine MHD-Abschaffung bei Salz oder Zucker. Das wäre bei anderen Produkten aber kritisch: So seien Nudeln nicht gleich Nudeln. Es gebe sie frisch und getrocknet, mit und ohne Ei - bei durchaus unterschiedlicher Haltbarkeit.
Etwa bei Kaffee, Tee, Hartkäse und Gewürzen könne außerdem nach gewisser Lagerzeit ein Qualitätsverlust auftreten. Bevor das MHD für bestimmte Lebensmittel abgeschafft würde, seien daher genaue Untersuchungen zur tatsächlichen Haltbarkeit nötig. Ansonsten hätten Verbraucher keinen Anhaltspunkt mehr, wie alt ein Lebensmittel eigentlich ist.
Handel begrüßt Entwicklung neuer Möglichkeiten
Gegen unnötiges Wegwerfen könnten einmal auch "intelligente" Verpackungen helfen. So könnten Joghurtbecher elektronische Chips oder "Thermo-Zeit-Label" bekommen. Diese könnten von Grün bis Rot anzeigen, wie es um die Haltbarkeit stehe, erläuterte die Verbraucherzentrale NRW.
Herstellung und organisatorischer Aufwand verursachten aber Kosten, die am Ende auf den Lebensmittelpreisen landen könnten. Zudem könnten große Mengen nicht recycelbarer Chips entstehen.
Daher müssten neue Technologien unabhängig bewertet werden. Der Handel begrüßt die Entwicklung neuer Möglichkeiten. Zur Marktreife gehöre aber auch, dass eingesetzte Aktivstoffe und Indikatoren sicher seien.
Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen pro Jahr auf dem Müll
Ziel der Bundesregierung ist es, Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. Nach neuen Daten für 2015 landen knapp zwölf Millionen Tonnen pro Jahr auf dem Müll - auf Privathaushalte entfällt demnach gut die Hälfte der Gesamtmenge.
Die Grünen dringen auch auf eine Pflicht für Supermärkte ab einer bestimmten Größe, Lebensmittel an soziale Einrichtungen abzugeben - nach dem Vorbild Frankreichs. (ff/dpa)
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