- Eine gewöhnliche Türnotöffnung kostet durchschnittlich 137 Euro, jedoch ist die Branche komplett unreguliert.
- Abzocker-Firmen und kriminelle Banden nutzen diese Situation aus und verlangen vor Ort oft Wucherpreise bis in den vierstelligen Bereich hinein.
- Der Bundesgerichtshof erklärt diese Situation als Zwangslage, die nun strafgerichtlich einfacher verfolgt werden kann.
Gedankenverloren, unter Zeitdruck und tausend andere Dinge als den Wohnungsschlüssel im Kopf – plötzlich fällt die Tür ins Schloss und schon ist sie da, die Notsituation.
Einmal zugefallen, lässt sich die eigene Haustür ohne fremde Hilfe kaum öffnen. Doch bei der Auswahl des Schlüsseldienstes ist große Vorsicht geboten. Da der Beruf des Schlüsseldienstmonteurs nicht geschützt und an keine Zulassung gebunden ist, kann praktisch jeder diese Leistung anbieten. Das ruft zahlreiche schwarze Schafe und kriminell organisierte Banden auf den Plan.
Sich auszusperren und für die einfache Türöffnung im Mittel - laut deutschlandweiter Preisstudie des Portals "getmellon.de" - rund 137 Euro zu zahlen, ist an sich schon ärgerlich, auch weil die Kosten dafür ständig steigen. Vor fünf Jahren lag der Durchschnittspreis noch bei rund 70 Euro. Noch deutlich ärgerlicher ist es allerdings, dafür einen Wucher zu bezahlen. Abzocker-Schlüsseldienste verlangen oft 400 bis 1.000 Euro für ihre Dienste und nutzen die Notsituation der Betroffenen vor Ort schamlos aus.
Seit Januar 2021 gilt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes das Ausgesperrtsein immerhin als Zwangslage und macht die strafrechtliche Verfolgung der Täter, die in dieser Situation Wucher verlangen, deutlich leichter. Was aber können Betroffene unternehmen, um erst gar nicht in die Abzock-Falle zu geraten?
Prävention ist alles und spart bares Geld
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen rät Bürgern, sich vorbeugend die Telefonnummer eines lokalen, seriösen Schlüsseldienstanbieters im Smartphone abzuspeichern. "Das kostet nichts und spart im Fall der Fälle bares Geld. Am besten nimmt man diesen dafür vorab und vor Ort einmal genau in Augenschein, denn wer ein lokales Geschäft hat, der ist auch als besonders vertrauenswürdig einzustufen", erklärt Eva Spiegelhoff, Mitarbeiterin des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen und langjährige Präventionsexpertin, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Für den Fall, dass auch das eigene Handy in der Wohnung zurückgelassen wurde, empfiehlt sie, die Telefonnummer des lokalen Anbieters am Briefkasten oder an einem ähnlich gut erreichbaren Ort zu befestigen. Noch besser, sagt die Expertin, sei es natürlich, den Ersatzschlüssel bei Freunden oder Nachbarn zu hinterlassen. So müsse erst gar kein Schlüsseldienst gerufen werden. "Auf gar keinen Fall aber sollten Sie den Schlüssel im Blumentopf oder unter der Fußmatte verstecken. Das ist immer eine Einladung für Einbrecher", mahnt sie.
Woran Sie Abzocker-Seiten im Internet erkennen können
Wer keine Nummer eines vertrauensvollen, örtlichen Anbieters und auch keinen Ersatzschlüssel parat hat und sich für die Suche nach einem Anbieter ins Internet begibt, der sollte besonders vorsichtig sein. Hier lauern viele Betrüger und Abzockfallen.
"Im Netz ist die Abzockgefahr mindestens genauso groß wie in der analogen Welt", weiß Philip Schur vom Schlüsseldienst-Start-up Mellon zu berichten. Der Betreiber der Plattform, der nur vorab geprüfte Schlüsseldienstmonteure vermittelt und einen Festpreis garantiert, weiß, wie Abzocker im Internet arbeiten.
"Abzockerseiten erkennt man vor allem an generischen Fotos, die keine reellen Personen, Kennzeichen oder Bilder aus der Region zeigen. Auch finden Sie dort häufig selbstgebastelte Siegel, die Vertrauen erzeugen sollen, doch einen TÜV oder Ähnliches gibt es für den Schlüsseldienstbereich gar nicht", stellt Schur klar.
Kritisch sollten Bürger auch Google-Bewertungen betrachten. "Wer zum Beispiel 13 Bewertungen mit 5,0 Sternen hat, den würde ich nicht auswählen. Die Bewertungen sind oft gekauft und der Gesamtdurchschnitt ist zu konstruiert und perfekt", mahnt Schur.
Auch die Angabe einer Festnetznummer mit Ortsvorwahl sei noch kein Hinweis auf einen seriösen Anbieter, sagt die Expertin des Landeskriminalamtes, Eva Spiegelhoff. "Anzunehmen, die Festnetz-Vorwahl bringe genügend Sicherheit, ist falsch. Eine lokale Festnetznummer kann ganz einfach mit einem Callcenter irgendwo in Deutschland verbunden werden. Hier ist also ebenso Vorsicht geboten."
Sie empfiehlt auf jeden Fall vorab einen Blick auf die Internetseite des Schlüsseldienstes. Ist zum Beispiel ein Impressum nicht vorhanden? "Dann lassen Sie die Finger von diesem Anbieter, das ist höchst unseriös", rät die Expertin.
Zwingend Festpreis am Telefon vereinbaren
Wer über die Online-Suche erfolgreich einen mutmaßlich lokalen Anbieter ausfindig gemacht hat, der sollte beim anschließenden Telefonat versuchen, unbedingt einen Festpreis auszuhandeln. Auch ist es wichtig, genau zu besprechen, welche Zusatzkosten für Anfahrt und Steuern anfallen werden und was genau vor Ort gemacht werden soll. Das Hinzuziehen eines Zeugen - etwa eines Nachbarn -, der dem Telefonat beiwohnt, kann hier schon von Vorteil sein.
"Beharren Sie am Telefon auf die Auskunft eines Festpreises – geben Sie sich nicht mit Mindestpreisen zufrieden. Falls der Anbieter sich weigert, nehmen Sie unbedingt den nächsten, denn der Anbieter hat mit großer Wahrscheinlichkeit vor, Sie vor Ort abzuzocken", warnt Philip Schur. "Wir haben herausgefunden, dass 44 Prozent der Schlüsseldienste sich weigern, auf der Website oder am Telefon Preisangaben zu tätigen. Hinter fast jedem zweiten Anbieter könnte sich also ein schwarzes Schaf verbergen."
Zur Vorsicht mahnt Schur auch bei Lockpreisen um die 30 Euro. "Eine Türöffnung lässt sich wirtschaftlich gar nicht unter 60 Euro abbilden. Das ist also Augenwischerei", erklärt er.
Ist der Monteur dann vor Ort, lassen Sie sich den telefonisch zuvor besprochenen Festpreis noch einmal bestätigen – und zwar bevor dieser mit der Arbeit beginnt. "Nehmen Sie sich dafür wenn möglich einen Nachbarn als Zeugen zur Hilfe. Sollte der Anbieter plötzlich und ohne ersichtlichen Grund einen deutlich höheren Preis nennen, weisen Sie ihn darauf hin, dass bereits am Telefon ein Fernabsatzvertrag zustande gekommen ist und dieser bindend ist", empfiehlt Eva Spiegelhoff.
Nur den ortsüblichen Preis zahlen und im Zweifel die Polizei rufen
Wenn der Monteur trotz des Hinweises nicht kooperativ ist und Ihnen der verlangte Betrag wie ein Wucher vorkommt, zahlen Sie zunächst nur den ortsüblichen Preis. Sollte der Anbieter das verweigern, damit beginnen, Sie einzuschüchtern oder gar zu bedrohen, zögern Sie nicht, die Polizei einzuschalten und bitten Sie die Person, ihr Grundstück zu verlassen.
"Im Zweifel immer an die Polizei wenden. Je mehr Betroffene solche Sachverhalte am Ende bei uns anzeigen, desto eher können wir auch die Betrüger für ihre Straftaten belangen", sagt Spiegelhoff.
Fazit: Hektik und Panik helfen nicht weiter
Mit der Schlüsseldienst-Abzocke sei es wie mit dem Enkeltrick, erklärt Spiegelhoff. "Man kann wirklich nicht oft genug vor den Betrügern warnen. Leider fallen immer noch zu viele Menschen auf die Tricks herein, weil sie in dem Moment, in dem sie sich ausschließen, einfach in Panik verfallen."
Wer also im Fall der Fälle erst einmal Ruhe bewahrt und sich Zeit nimmt, im Internet einen seriösen Anbieter zu finden und mit diesem einen Festpreis vorab vereinbart, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in die Falle der Betrüger tappen. "Ohne Hektik an die Sache herangehen, ist der beste Weg und schont am Ende auch den Geldbeutel", sagt die Expertin des Landeskriminalamtes.
Verwendete Quellen:
- Verbraucherzentrale Brandenburg: Was kostet der Schlüsseldienst?
- Verbraucherzentrale Brandenburg: Schlüsseldienst-Abzocke
- getmellon.de: Deutschlandweite Preisstudie zu Schlüsseldiensten 2020
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