Der Black Friday zieht jedes Jahr zahlreiche Schnäppchenjäger an. Umfragen zeigen aber auch: Durch Portale wie Temu und Shein sinkt für einige Kunden in diesem Jahr die Bedeutung der Aktionstage.

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Fast jeder Zweite (46 Prozent) möchte rund um den Black Friday auf Schnäppchenjagd gehen, wie das Kölner Handelsforschungsinstituts IFH erhoben hat. Viele wollen die Rabatte nutzen, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Allerdings: Die Zahl der Interessenten ging im Vergleich zum letzten Jahr um drei Prozentpunkte zurück.

Für viele Kunden in Deutschland verlieren die Aktionstage auch wegen Shoppingportalen wie Temu und Shein an Relevanz. Mehr als 40 Prozent brauchen die Rabattaktionen laut einer Umfrage des Preisvergleichsportals Idealo nicht, weil die asiatischen Anbieter das ganze Jahr über mit Angeboten locken. Die repräsentative Befragung unter 2.000 Menschen wurde im September vom Marktforschungsinstitut Kantar durchgeführt.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine weitere Umfrage des IFH. Unter Personen, die sich für den Black Friday interessieren, gibt demnach fast jeder Vierte an, die Aktionen diesmal seltener nutzen zu wollen - wegen der asiatischen Portale. Für andere Händler werde es immer schwerer mitzuhalten, sagt IFH-Geschäftsführer und Handelsexperte Kai Hudetz. Besonders herausfordernd sei es für Branchen wie Mode, Accessoires und Einrichtung.

Was ist der Black Friday?

  • Neben den Adventssamstagen zählen die Verkaufstage rund um den Black Friday (dieses Jahr am 29. November) zu den wichtigsten des Jahres für den Einzelhandel in Deutschland. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet in diesem Jahr mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 5,9 Milliarden Euro. Das ist etwa so viel wie im Vorjahr.
  • Seinen Ursprung hat der Black Friday in den USA. Dort markiert der Brückentag nach Thanksgiving, dem vierten Donnerstag im November, den Beginn des Weihnachtsgeschäftes.

Wer sind Temu und Shein?

Temu ist ein Online-Marktplatz - also ein Portal, auf dem zahlreiche Unternehmen Dinge verkaufen. Das chinesische Unternehmen ist seit Frühjahr 2023 in Deutschland aktiv und erregt seitdem immer wieder mit Minipreisen und hohen Rabatten Aufsehen. Dort bekommt man zum Beispiel ein T-Shirt für vier Euro, einen Rucksack für wenig mehr und kabellose Kopfhörer für zehn Euro.

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Der in China gegründete und heute in Singapur ansässige Modekonzern Shein ist sowohl Hersteller, Händler als auch Marktplatz. Als Direktanbieter kann er Handelsexperten zufolge schnell auf Modetrends reagieren. Da Shein seine Produkte weltweit versendet und es keine Geschäfte und kaum Lagerbestände gibt, kann Shein seine Preise extrem niedrig halten.

Was machen die Portale anders?

Beide Anbieter setzen auf spielerische Elemente wie Glücksräder, Treueprogramme und Coupons. Mit dieser sogenannten Gamification erreichen sie - im Vergleich zum gesamten Nonfood-Markt in Deutschland - überdurchschnittlich viele junge Käufer. Das Buhlen um die Aufmerksamkeit der Nutzer hat noch einen weiteren Vorteil: Je mehr Zeit sie in der App verbringen, desto weniger Zeit und Geld bleibt für die Konkurrenz übrig.

Shein und Temu konkurrieren mit Amazon & Co. nicht nur um Käufer. Sie haben ihre Online-Marktplätze zuletzt auch für deutsche Händler geöffnet. Das Angebot unterscheidet sich jedoch. Bei Shein finden Kundinnen und Kunden fast ausschließlich Mode. Das Portal hat sich insbesondere als Anbieter von "Fast Fashion" einen Namen gemacht - also als Anbieter von Kleidungsstücken, die vor allem in China billig produziert und von Verbrauchern meist nach kurzer Zeit durch neue ersetzt werden. Shein ist stark auf Social-Media-Plattformen präsent und in der Lage, die Produktion rasch an aktuelle Trends anzupassen. Der Marktplatz Temu hingegen hat ein breiteres Sortiment.

Sind Temu und Shein wirklich so beliebt in Deutschland?

Die Shoppingportale erfreuten sich zuletzt wachsender Beliebtheit. Nach letzten Umfragen kannten sie neun von zehn Menschen in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2024 bestellten hierzulande ungefähr 1,3 Millionen Menschen bei Temu, etwa 900.000 bei Shein. Das zeigt eine Untersuchung des zum Meinungsforschungsinstitut YouGov gehörenden Consumer Panel Services GfK. Gemessen an der Anzahl der Bestellungen landete Temu im ersten Halbjahr 2024 auf dem sechsten Platz der Top-Onlinehändler. Angeführt wird die Liste von Amazon, eBay und Otto, gefolgt von Zalando und Kaufland. Shein landete auf dem 19. Platz.

Einer Studie des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zufolge versenden Temu und Shein zusammen täglich rund 400.000 Pakete in die Bundesrepublik. Auf jedes der Portale entfällt demnach rund die Hälfte. Shein-Chef Donald Tang nannte die Zahl in einem "Handelsblatt"-Interview "eine große Übertreibung".

Bei Kunden gibt es allerdings auch erhebliche Bedenken, wie eine Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH) zeigt:

  • 62 Prozent sehen ein großes Risiko, dass die bei Temu und Shein bestellten Artikel von minderwertiger Qualität sind.
  • Zwei Drittel können sich nicht vorstellen, bei dieser Art von Anbietern zu kaufen.
  • 83 Prozent geben die mangelnde Qualität der Produkte als Grund an, dort nicht zu bestellen.
  • 60 Prozent haben Angst vor Produktfälschungen.
  • Bis zu 50 Prozent haben bei Temu und Shein das Gefühl, manipuliert zu werden.
  • Nur jeder Vierte kauft ohne Bedenken dort ein.

Der Erfolg von Temu und Shein sei stark preisgetrieben, sagte IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz.

Vorwurf: Temu trickst beim Zoll

Handelsvertreter, Politiker und Verbraucherschützer kritisieren unter anderem manipulative Kaufanreize, mangelhafte Produktqualität, mangelnde Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Beklagt wird außerdem, dass die Anbieter von Ausnahmeregeln wie der 150-Euro-Zollfreigrenze profitieren. Die asiatischen Online-Plattformen nutzen vor allem Luftfracht. Bei Bestellungen aus Nicht-EU-Ländern müssen für Pakete mit einem Warenwert unter 150 Euro bei der Einfuhr keine Gebühren bezahlt werden. Der Vorwurf: Viele Sendungen seien falsch deklariert, um die 150-Euro-Grenze einzuhalten.

Die Verbraucherzentrale mahnte sowohl Shein als auch Temu im Frühjahr ab. Sie monierte unter anderem manipulative Designs und willkürlich erscheinende Rabatthöhen. Temu und Shein unterzeichneten unabhängig voneinander Unterlassungserklärungen und stellten Nachbesserungen in Aussicht. Die Zeitschrift "Öko-Test" hatte kürzlich Artikel von Shein untersucht. Laut einem im August veröffentlichten Bericht fielen viele Kleidungsstücke im Test durch, einige enthielten demnach giftige Chemikalien.

Die Firmen betonen, sich an geltende Regeln zu halten. Ihren Angaben zufolge verlangen sie von den Firmen, deren Waren über das Portal verkauft werden, die Einhaltung strenger Sicherheitsstandards. Kinderarbeit werde nicht geduldet.

Shein gab zuletzt an, 2023 zwei Fälle von Kinderarbeit in der eigenen Lieferkette entdeckt und aufgeklärt zu haben. Zu dem "Öko-Test"-Artikel erklärte das Unternehmen, die Ergebnisse ernst zu nehmen. Von Lieferanten verlange man strenge Kontrollen und Standards, die sich an europäischen und globalen Vorschriften orientierten, sagte eine Sprecherin. Vergangenes Jahr seien 400.000 chemische Tests durchgeführt worden, um dies sicherzustellen.

Welche Pläne hat die Politik?

Die Bundesregierung machte zuletzt in Brüssel Druck, Plattformen wie Temu und Shein unter die Lupe zu nehmen. Die Europäische Kommission solle geltendes EU-Recht rigoros durchzusetzen. Unterstützung dafür gab es auch von anderen Mitgliedsstaaten. In einem Aktionsplan von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hieß es: "Anbieter wie Temu und Shein untergraben die Standards des EU-Binnenmarkts, während ihr Marktanteil zunimmt."

Die deutschen und europäischen Sicherheitsstandards müssten erfüllt und durchgesetzt werden. Unternehmen in Europa dürften nicht dadurch benachteiligt werden, dass andere die geltenden Regeln umgehen. Der Plan sieht unter anderem eine engere Zusammenarbeit und mehr Befugnisse der nationalen und europäischen Marktüberwachungsbehörden vor.

Welche Folgen drohen?

Shein und Temu wurden von der EU-Kommission als "sehr große Online-Plattform" im Sinne des EU-Digitalgesetzes (Digital Services Act, DSA) eingestuft. Für diese gelten besonders strenge Vorgaben. Das Gesetz soll unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bislang. Nutzern wird es dazu erleichtert, solche Inhalte zu melden. Halten sich Unternehmen nicht an die DSA-Regeln, drohen hohe Geldstrafen.

Im Oktober kündigte die Kommission an, Temu wegen möglicher Verstöße gegen EU-Recht unter die Lupe zu nehmen. In einem formalen Verfahren soll demnach unter anderem geprüft werden, ob die Plattform genug gegen den Verkauf illegaler Produkte unternimmt. Bestimmte unseriöse Händler würden immer wieder auf der Plattform auftauchen, nachdem sie gesperrt worden seien. Auch die potenziell süchtig machende Gestaltung des Dienstes soll untersucht werden. Ein ähnliches Verfahren gegen Shein gibt es derzeit nicht.

Worauf müssen Verbraucher achten?

Die Verbraucherzentrale rät Konsumenten beim Online-Shoppen zu Vorsicht. Sie empfiehlt, sich über Zollbestimmungen zu informieren, möglicherweise können zusätzliche Steuern und Zollgebühren anfallen. Verbraucher sollen die Ware außerdem erst nach Erhalt bezahlen. Bei elektronischen Geräten soll auf zugelassene Qualitätssiegel wie das CE-Zeichen geachtet werden. Insgesamt sei es wichtig, sich vor dem Kauf gut zu informieren und dabei auch die Rückgabebedingungen zu prüfen. (dpa/bearbeitet von af)

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