Steuern als Grund zur Freude? Beim Blick auf 2023 gibt es tatsächlich gute Aussichten. Einige Entlastungen kommen automatisch an, für andere müssen Sie aktiv werden. Die Chancen stehen gut, dass es sich lohnt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Seit Corona-Ausbruch, Ukraine-Krieg und Energiekrise drei Jahre lang regelmäßig meine Pläne fürs nächste Jahr durcheinandergewirbelt haben, bin ich vorsichtig damit, mich aufs nächste Jahr zu freuen. Langer Sommerurlaub? Mal sehen. Das Fest zur Einweihung der neuen Wohnung nachholen? Vielleicht.

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Aber einen Grund zur Vorfreude auf 2023 habe ich entdeckt, und er liegt da, wo ich ihn am wenigsten vermutet hatte: bei der Einkommensteuer. Im kommenden Jahr summieren sich die Entlastungen für viele Menschen auf einige Hundert Euro pro Jahr. So richtig durchgedrungen ist das bisher kaum – das große Steuerpaket, das kurz vor Weihnachten im Bundesrat verabschiedet werden soll, ging in der allgemeinen Aufregung um Gaspreisbremsen, Bürgergeld und Wohngeldreform ziemlich unter.

Ohne Aufwand mehr Netto

Umso erstaunter war ich, als ich die Einzelheiten nachgelesen habe. Zunächst einmal gibt es für so ziemlich alle Einkommensteuerpflichtigen mehr Netto, ohne dass sie auch nur einen Finger rühren müssten. Grund ist, dass der Einkommensteuertarif wegen der Inflation angepasst wurde, und zwar gleich doppelt: Der Grundfreibetrag steigt von 10.347 Euro auf 10.908 Euro. Auf diesen Teil meines Einkommens zahle ich – und Sie auch – gar keine Steuern. Erst auf den 10.909ten Euro werden 14 Prozent Eingangssteuersatz fällig.

Und auch darüber, ab dem 10.909ten Euro, ändert sich etwas: Die Steuersätze steigen langsamer an, weil ein Inflationsausgleich eingebaut wurde. Konkret: Ein Single mit 30.000 Euro Jahreseinkommen zahlt über das ganze Jahr gerechnet 251 Euro weniger Steuern als 2022. Ein Paar, das zusammen 70.000 Euro verdient, spart 592 Euro Steuern. Mit dem Steuersparrechner von Finanztest können Sie selbst ausprobieren, was auf Sie zukommt.

Für alle, die Kindergeld erhalten, gibt es noch eine gute Nachricht: Sie bekommen eine weitere automatische Erhöhung. Das Kindergeld für das erste und zweite Kind steigt um 31 Euro je Kind, für das dritte Kind gibt es monatlich 25 Euro mehr. Oder, um es einfacher zu sagen: Ab Januar erhalten Familien – sofern sie nicht Bürgergeldempfänger sind – einheitlich 250 Euro für jedes Kind. Die Erhöhung ist übrigens der größte Sprung, den es beim Kindergeld jemals auf einen Schlag gab. Für Single-Eltern gibt es außerdem einen höheren Entlastungsbetrag.

Familien mit hohem Haushaltseinkommen können sich noch etwas mehr freuen. Der Kinderfreibetrag steigt ebenfalls, was dazu führt, dass sie weniger Steuern zahlen, und dieser Vorteil wirkt etwas stärker als das erhöhte Kindergeld.

Damit sind die Steuerfreuden, die ohne weitere Anstrengung hereinschneien, leider am Ende. Für alles, was 2023 sonst noch Geld bringen könnte, müssen Sie und ich eine Steuererklärung machen – aber auch die ist ja bekanntlich kein Hexenwerk.

Hier müssen Steuerpflichtige selbst ran

Jetzt kommt der Teil, für den ich mich immer erst motivieren muss: die Steuererklärung. Aber, das ist das Gute: Ich kann diese Punkte hier schieben, schieben und noch mal schieben, denn es geht ja um die Steuererklärung 2023, die ich erst 2024 mache. Also: Vorfreude ganz ohne Arbeit! Ok, die Steuererklärung für 2022, die schon lauert, habe ich jetzt ausgeblendet. Aber hey, ab und zu muss man sich auch einfach mal freuen dürfen.

Fangen wir also an:

  • Mehr Homeoffice-Tage. Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass das Homeoffice aus vielen Büroberufen nicht mehr verschwinden wird. Die Homeoffice-Pauschale steigt von 5 auf 6 Euro pro Tag. Und: Statt maximal 120 Tage kann ich sie voraussichtlich – wie gesagt, das Gesetz ist noch nicht endgültig verabschiedet – für 210 Tage pro Jahr in Anspruch nehmen. Jetzt müssen nur noch die Chefinnen und Chefs mitspielen.
  • Pauschale fürs Arbeitszimmer. Eine echte Erleichterung für alle, die so ungern Belege zusammensuchen wie ich. Die Ausgaben fürs Arbeitszimmer (falls man überhaupt eins hat und nicht wie ich am Esstisch sitzt) müssen nicht unbedingt einzeln nachgewiesen werden. Steuerpflichtige, bei denen das Arbeitszimmer der "Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit" ist, wie es im Finanzamts-Deutsch heißt, können wählen zwischen einer neu eingeführten Pauschale von 1.260 Euro oder – wie bisher – dem Nachweis der tatsächlichen Kosten. Wer sich erst gar nicht mit der Beweisführung herumplagen will, dass das Arbeitszimmer tatsächlich der Mittelpunkt seines Berufslebens ist, setzt einfach die erweiterte Homeoffice-Pauschale an.
  • Und dann gibt es noch ein paar Zusatzfreuden für kleinere Zielgruppen: Wer eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach hat, muss künftig keine Umsatzsteuer mehr dafür abrechnen, und auch bei der Einkommensteuer fallen fast alle lästigen Ausfüllarbeiten weg.

Einen einzigen Punkt habe ich gefunden, den Sie jetzt schon anpacken sollten: Der Sparerpauschbetrag steigt im Jahr 2023 auf 1.000 Euro. Falls Sie auf hohe Kapitaleinkünfte hoffen dürfen, sollten Sie die Freistellungsaufträge bei Ihren Banken entsprechend heraufsetzen.

Das wars dann aber schon. Ab jetzt heißt es: Kaffee trinken und auf 2023 freuen. Apropos Vorfreude: Die Planung für die Wohnungseinweihungsparty nehme ich auch gleich noch in Angriff.

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin Finanztest gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und Finanztest sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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