Bonn - Als vor rund drei Jahren die Pandemie ausbrach, schien die Gelegenheit für viele Menschen günstig: Sie erfüllten sich ihren Wunsch nach einem Hund. Den Zahlen des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH) nach zogen im ersten Pandemiejahr 600.000 Hunde in deutsche Wohnungen und Häuser ein.
Einer dieser sogenannten Corona-Hunde ist Oskar, ein kniehoher Mischling, geboren in Kroatien. Eine Tierschutzorganisation brachte ihn Anfang 2020 in das Tierheim von Oberursel nahe Frankfurt am Main, von dort holte ihn Nadine Lange zu sich.
Die heute 41-Jährige arbeitete in der Hotelbranche und hatte schon lange von einem Hund geträumt. Nun erlaubte ihr Arbeitgeber, ein Haustier mit ins Büro zu bringen, schickte sie allerdings erst mal notgedrungen zur Kurzarbeit ins Homeoffice.
Nach einem Termin machte die Hundeschule dicht
Lange nutzte die ungewohnt viele Freizeit, um sich eingehend mit ihrem neuen Mitbewohner zu beschäftigen. "Leider hatten wir nur einen Termin in der Hundeschule, dann musste sie schließen", erzählt sie.
Dabei hätte sie gerne Unterstützung gehabt, denn die erste Zeit war hart. Oskar wollte nur ungern in die Wohnung, ängstigte sich vor dem Laufen von Treppen und auf glatten Böden, beim Autofahren wurde ihm schlecht.
Heute ist das Geschichte, Oskar ist gut in seinem neuen Leben angekommen. Wie seine Besitzerin hätten sich die meisten der damals neuen Hundehalter verantwortungsvoll ihrer Aufgabe gestellt, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn. Doch viele Menschen haben ihren Hund aus verschiedenen Gründen auch wieder abgegeben.
Zahlen hierzu gibt es nicht. Doch der Tierschutzbund berichtet, seit dem Sommer 2021 würden vermehrt Hunde - vor allem große - in den Tierheimen abgegeben.
Jeder Vierte hat Probleme mit Betreuung
In einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov im Frühjahr 2022, also nach der Aufhebung der Homeoffice-Pflicht, gab jeder vierte befragte Tierhalter an, Probleme mit der Betreuung seines Haustieres zu haben. Jeder Fünfte bereute die Anschaffung. Mehr als die Hälfte hätte sich gewünscht, zuvor mehr über die Haltung des Tieres gewusst zu haben. Acht Prozent sagten sogar, sie müssten ihren Vierbeiner wieder abgeben.
"Corona wirkt wie ein Brennglas", sagt Schmitz. Denn viele bereits bestehende Probleme im Tierschutz haben sich mit der Pandemie verstärkt. So steigt schon seit etwa 15 Jahren die Zahl der Tierheim-Hunde, die ein problematisches Verhalten zeigen. Das ist auch die Erfahrung von Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein. "Sie haben wenig Erziehung genossen oder Fehlprägungen erlebt", erklärt er.
Dass heute noch mehr problematische Hunde in den Heimen leben als früher, liegt zum einen an dem Hundeboom zu Beginn der Pandemie - es gibt also generell mehr Hunde. Zum anderen waren Hundeschulen längere Zeit geschlossen und konnten neue Hundebesitzer nicht unterstützen.
Manch ein Halter scheiterte an seinem fehlenden Wissen rund um den Hund und dessen Bedürfnisse. Oder er hatte sich vorab nicht genügend Gedanken gemacht, ob er einem Tier wirklich dauerhaft ein gutes Zuhause geben kann.
Im Tierheim wird es immer voller
So nahmen manche Spontankäufe vor allem für das Tier ein bitteres Ende. Um so etwas zu vermeiden, fordern Tierschützer schon länger einen Sachkundenachweis vor der Anschaffung eines Hundes.
Hinzu kam, dass auch der illegale Handel mit Welpen florierte. Diese Tiere wachsen oft in Osteuropa unter miserablen Bedingungen auf und werden viel zu früh von ihren Müttern getrennt. Das macht sie nicht nur körperlich anfällig für Krankheiten. "Aufgrund von Defiziten in der wichtigen Sozialisierungsphase kann es später zu Verhaltensproblemen kommen", erklärt Lea Schmitz.
In den Tierheimen bemüht man sich, die Hunde zu resozialisieren. Das ist möglich, dauert jedoch und ist sehr aufwendig. Auch danach können diese Tiere nicht so leicht vermittelt werden wie ein von Anfang an unproblematischer Hund. Sie brauchen Besitzer mit Erfahrung sowie dem nötigen Wissen und Wollen, um mit ihnen dauerhaft klar zu kommen.
So bleiben diese Tiere meist recht lange im Tierheim, wo es immer voller wird. Manche Tierheime können keine neuen Bewohner mehr aufnehmen. Vermittlungen sind derzeit ohnehin schwierig, die Nachfrage ist deutlich zurückgegangen. "Die meisten Menschen, die mit dem Gedanken an einen Hund spielten, haben sich schon einen nach Hause geholt", erklärt Fraaß.
Plötzlich ist Frauchen arbeitslos
Auch die Besitzerin des Mischlingsrüden Oskar war in die Bredouille geraten - obwohl sie sich die Anschaffung gut überlegt und mit ihrem Arbeitgeber abgesprochen hatte. Doch sie verlor im Laufe der Pandemie ihren Job in der krisengeschüttelten Hotelbranche.
Zwar fand sie schnell eine neue Arbeitsstelle - doch dort hätte sie Oskar nicht mitbringen dürfen. Den Rüden wieder abzugeben, kam für sie nicht infrage. "Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Hundesitter zu finden", sagt Nadine Lange.
Sie war noch auf der Suche, als sich letztlich doch alles zum Guten wendete: Noch vor dem Antritt des neuen Jobs wurde ihr von einer anderen Firma eine Stelle angeboten, bei der sie Oskar mitbringen durfte. Sie sagte sofort zu.
Happy End für Oskar
Ihr war schon bei der Anschaffung klar gewesen, dass Oskar eines Tages mit ins Büro gehen würde - deshalb hatte sie seinen Tag entsprechend strukturiert. Das macht sich nun bezahlt, Oskar ist auch als Bürohund tiefenentspannt.
Wie zu Homeoffice-Zeiten geht er morgens, mittags und abends Gassi. Wenn seine Besitzerin am Schreibtisch arbeitet, macht er wie zu Hause Pause auf seiner Decke. Neu sind die Autofahrten zum Arbeitsplatz, bei denen ihm jedoch längst nicht mehr schlecht wird, und die Kollegen, die immer mal wieder zum Streicheln vorbeikommen. © dpa
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