Brasilien übernimmt eine Vorreiterrolle in der Wiederansiedlung von Jaguaren. Das Modell wird bereits in andere Länder exportiert. Jetzt soll Xamã der erste männliche und jüngste Jaguar sein, der 2024 wieder im Amazonasgebiet angesiedelt wird.

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Der kleine Jaguar-Junge Xamã war ein Jahr alt, als man ihm im August 2022 fand. Ganz allein, schwach, dehydriert und extrem unterernährt kauerte die kleine Wildkatze auf einem Privatgrundstück im brasilianischen Mato Grosso. Seine Mutter war nicht da, wahrscheinlich sind die beiden durch ein großes Feuer, das in der Nähe wütete, getrennt worden.

Seine Mutter ist jetzt vermutlich tot. Der kleine Xamã hatte jedoch Riesenglück: Er wurde von den Umweltbehörden gerettet und zunächst in die Tierklinik der Bundesuniversität von Mato Grosso gebracht. Obwohl vorerst in Sicherheit, drohte dem kleinen Jaguar jetzt ein Leben im Zoo oder in einem Tierheim.

Dank der Pionierarbeit von "Onçafari" steht dem kleinen Jaguar aber eine andere Zukunft bevor. Xamã soll der erste männliche Jaguar sein, der wieder im Amazonasgebiet angesiedelt wird. "Onçafari" ist eine brasilianische Tierschutzorganisation, die Ökotourismus, Naturschutz und wissenschaftliche Forschung miteinander verbindet.

Seit 2014: Tierschützer wildern Jaguare wieder aus

Das Projekt der Wiederansiedlung von Jaguar-Waisen begann im Jahr 2014 eher zufällig, als die Organisation die zwei kleinen Jaguar-Weibchen Isa und Fera aufgenommen und 2016 wieder ins "Pantanal"-Biom (Biom = Großlebensräume) ausgewildert hatte.

Zuerst wurde das Projekt mit großer Skepsis beäugt. Denn die beiden Schwestern waren die ersten Jaguare der Welt, die wieder in die freie Natur entlassen wurden. Doch im Laufe der Jahre ist aus dem zufälligen Projekt ein großer Erfolg geworden. Nicht nur haben sich Isa und Fera in Freiheit behaupten können, sie gründeten auch jeweils Familien und sind mittlerweile stolze Jaguar-Omas.

Der Jaguar muss seine Instinkte erst entwickeln

Nach fünfmonatiger Genesungszeit in der Tierklinik wurde Xamã im Januar in ein von "Onçafari" speziell errichtetes, 15.000 m² großes Rehabilitationsgehege in den Amazonas-Bundesstaat Pará gebracht. Zwar hat Brasilien kein formelles Protokoll für die Wiederansiedlung von Wildtieren, doch sieht das Umweltrecht vor, dass sie in dasselbe Biom entlassen werden, wo sie ursprünglich hingehören. Und da sein Fundort Mato Grosso zum Amazonasgebiet gehört, wird er auch wieder in dieses Gebiet ausgewildert.

Zuerst einmal helfen in diesem Gehege erfahrene Biologen der kleinen Wildkatze dabei, ihre Instinkte zu entwickeln. Denn die grundlegenden Verhaltensweisen eines Jaguars konnte ihm seine Mutter ja nicht mehr beibringen. Aus den Erfahrungen mit den Schwestern Isa und Fera hat die Tierschutzorganisation gelernt, was kleine Jaguare brauchen, um später einmal allein in der Wildnis überleben zu können.

Am wichtigsten ist die Entwicklung des Jagd-Instinkts. Täglich ein Stück Fleisch in das Gehege zu legen, entwickelt diese Instinkte jedoch nicht. Wenn Jaguare keinen Hunger haben, werden sie nicht jagen. Sie müssen fasten, erst der Hunger zwingt die Raubkatzen zur Jagd von lebender Beute.

So wird der Jaguar auf die Auswilderung vorbereitet

Außerdem dürfen Jaguare nicht einen bestimmten Ort, geschweige denn Nahrung mit Menschen assoziieren. Das Gehege von Xamã hat deshalb Türen mit Fliegengittern, sodass es keinen Sichtkontakt zwischen dem Tier und seinen Bezugspersonen gibt. Das Leben im Gehege darf für Xamã alles andere als einfach sein. Um erfolgreich in der Natur überleben zu können, muss der kleine Jaguar vorher möglichst harte und unangenehme Erfahrungen sammeln.

Dann soll Xamã – wenn alles nach Plan läuft, und seine Betreuer glauben, dass er allein überleben kann – mit zwei Jahren in ein geeignetes und sicheres Amazonas-Areal entlassen werden. Für circa ein Jahr können die Wissenschaftler die Raubkatze dann noch per Funkhalsband überwachen. Doch nachdem dieses abgefallen ist, wird es schwierig, in dem dicht bewachsenen Gebiet weiter an Xamãs Leben in der freien Natur teilzuhaben.

Brasilien ist ein Schlüsselland für den Schutz der Jaguare

Annahmen zufolge leben die Hälfte der geschätzten 170.000 Jaguare in freier Wildbahn – sie verbreiten sich von Mexiko bis Argentinien – in Brasilien. Dieses Land gilt daher als Schlüsselland für den Schutz der wunderschönen Wildkatzen.

Ein Beispiel dafür ist das Jaguar-Männchen Jatobazinho. Er wurde 2019 im Pantanal krank aufgefunden und in eines der Rehabilitationszentren von "Onçafari" gebracht. Nach seiner Genesung hat sich die Tierschutzorganisation dazu entschlossen, die Raubkatze für ein Wiederansiedlungsprojekt in Argentinien zu spenden.

Jetzt hat sich der Erfolg gezeigt: Im Imberá-Nationalpark im Norden Argentiniens ist Jatobazinho Vater von zwei Jaguar-Babys geworden. Die ersten Babys, die dort seit 70 Jahren in freier Natur das Licht der Welt erblickten. "Es ist wirklich schön zu sehen, dass dieses Verfahren, das wir zur Rettung von Isa und Fera entwickelt haben, nun dazu beiträgt, die Art an einen Ort zurückzubringen, an dem sie ausgestorben war", sagt "Onçafari"-Gründer Mario Haberfeld.

Die Erfahrungen, die die brasilianische Tierschutzorganisation "Onçafari" seit der Aufnahme von Isa und Fera im Jahre 2014 gesammelt haben, zieht bereits die Aufmerksamkeit von Institutionen in Mexiko, Belize und anderen Ländern auf sich, in denen die Wildkatze verbreitet ist.

Die Wiederansiedlung eines Jaguar kostet 94.000 Euro

Die Wiederansiedlung einer einzigen Wildkatze kostet etwa 500.000 Reais (circa 94.000 Euro und circa 100.000 US-Dollar). Dazu kommen die Kosten für Transport, Wartung, Medikamente, Gesundheitstests und Personal. Daher unterstützt die britische Tierschutzorganisation "World Animal Protection" die Auswilderung von Xamã finanziell.

David Maziteli, Wildtiermanager von "World Animal Protection", erklärt das Engagement seiner Organisation so: "Alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um Xamã zu behandeln, wiederherzustellen und in sein wildes Leben zurückzubringen, wo er seine natürlichen Verhaltensweisen voll ausleben kann, ist eine Frage der kollektiven Verantwortung."

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Sobald Jaguar Männchen Xamã erfolgreich ausgewildert wurde, wartet bereits Apoena auf seine Reise in die Freiheit. Dieser kleine Kerl wird dann der erste Jaguar sein, der in Gefangenschaft geboren und wieder in die Wildnis entlassen wird. Wo wird das stattfinden? Natürlich in Brasilien – mittlerweile das Schlüsselland zum Schutz dieser wunderschönen und eleganten Raubkatzen.  © Deine Tierwelt

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