Die Website "WYLD" warb mit dem legalen Verkauf von exotischen Wildtieren. Zudem sollte in Berlin ein Showroom eröffnet werden. Doch auf die zahlreichen Besucher wartete eine besondere Überraschung.

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Online mit nur einem Klick einen majestätischen Löwen für 4.500 Euro, einen geschmeidigen Tiger für 5.000 Euro oder einen kuscheligen Polarfuchs für 789 Euro als exotisches Haustier erwerben? Das versprach der Wildtiershop "WYLD" auf seiner Homepage www.wyld.shopping und warb offensiv damit, die führende Online-Plattform für den Handel mit einzigartigen und exotischen Tieren in Europa zu sein. – Und das sogar noch vor dem Launch. Zusätzlich sollte sogar am Mittwoch, dem 13. September, in Berlin ein Showroom mit einem "tierischen Überraschungsgast" eröffnet werden.

Doch was sich zunächst absurd oder als Aprilscherz anhört, ist in weiten Teilen Deutschlands tatsächlich völlig legal möglich. In Brandenburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist es sogar erlaubt, eine große Raubkatze bei sich zuhause einzuquartieren. Ohne vorher einen Nachweis erbringen zu müssen, ob man dazu überhaupt geeignet ist oder ob die Räumlichkeiten eine artgerechte Haltung hergeben.

Lange war nicht bekannt wer hinter 'Wyld' steckt.
Lange war nicht bekannt wer hinter 'Wyld' steckt. © Foto: unsplash.com/Teresa (Symbolfoto)

Laut der Tierschutzorganisation "ProWildlife" ist Deutschland für den Handel mit exotischen Wildtieren einer der wichtigsten Handels- und Absatzmärkte. Allein zwischen 2016 und 2020 importierte Deutschland mehr als 1,2 Millionen Reptilien, Amphibien und andere exotische Tiere.

Eine Studie des Bundesumweltministeriums, die 2020 veröffentlicht wurde, hat gezeigt, dass jährlich zehntausende exotische Tiere aus über 2.000 Arten an Privatpersonen verkauft werden und diese fast immer mit den Haltungsanforderungen überfordert sind.

Vermutungen, wer hinter "WYLD" stecken könnte

In den sozialen Medien hat dieses kontroverse Angebot mit exotischen Haustieren für viel Aufsehen gesorgt. Tausende von Nutzern reagierten empört über das breite Angebot an exotischen Wildtieren, das "WYLD" offensiv bewarb. Die Social-Media-Kanäle von "WYLD" wurden mehrfach gemeldet und gesperrt – jedoch immer wieder freigeschaltet. Denn die meisten Nutzer gingen davon aus, dass ein solches Angebot in Deutschland rechtlich nicht möglich sei.

Doch "WYLD" betonte, dass der Online-Shop zu 100 Prozent den deutschen Gesetzesvorgaben für den Handel mit exotischen Haustieren entspreche. Außerdem würden Partnerschaften mit seriösen Züchtern dafür sorgen, dass auf verantwortungsbewusste Tierhaltung und auf das Wohlbefinden der Exoten größten Wert gelegt werde. Käufer könnten sich daher völlig legal und guten Gewissens ein solch exotischen Mitbewohner ins Haus holen und sich an der Einzigartigkeit erfreuen.

Auch einige Influencer und YouTuber wie zum Beispiel Robert Marc Lehmann waren schnell auf die Seite aufmerksam geworden und haben sich dazu geäußert. Auf seinem YouTube-Kanal spekuliert Lehmann darüber, ob möglicherweise eine Tierschutzorganisation oder eine andere Gruppe hinter "WYLD" stecken könnte.

Sogar das "ZDF Magazin Royale" oder der Spezialist für "Fakes" wie Marvin Wildhage wurden als mögliche Drahtzieher der ominösen Online-Plattform vermutet. Und auch die "Berliner Zeitung" mutmaßte bereits im Vorfeld öffentlich darüber, ob es sich vor allem bei der Eröffnung des Showrooms um eine PR-Aktion einer engagierten Umweltschutzorganisation handeln könnte.

Am 13. September platzte die Bombe

Viele Schaulustige, Pressevertreter, protestierende Tierschutzaktivisten sowie die Polizei versammelten sich am 13. September zu der mit großer Spannung erwarteten Eröffnung des weltweit ersten Showrooms für exotische Tiere in Berlin. Doch die seitens "WYLD" im Vorfeld angekündigte "tierische Überraschung" entpuppte sich ganz anders als von allen Anwesenden vermutet.

Denn gleich zu Beginn der Veranstaltung enthüllte die Europäische Tierschutzorganisation "Animal Advocacy and Protection" (AAP), das wahre Anliegen hinter "WYLD": Die Internet-Plattform sowie der Showroom sind nur Fake!

"AAP", die sich vorwiegend für den Schutz exotischer Säugetiere einsetzt, will mit dieser Aktion die ungenügende Gesetzgebung in Deutschland zu Kauf und zur privaten Haltung exotischer Tiere anprangern. David van Gennep, Geschäftsführer der Tierschutzorganisation "AAP", appellierte an die Politik: "Shops wie ‚WYLD‘ können in Deutschland legal existieren und dadurch massive Probleme für Tier-, Arten- und Naturschutz erzeugen."

Exotische Tiere sind keine Haustiere.
Exotische Tiere sind keine Haustiere. © Foto: unsplash.com/Francesco (Symbolfoto)

David van Gennep erklärt die Idee von "WYLD" als Online-Plattform für Exoten als "nichts Besonderes." Denn in Deutschland werden täglich exotische Tiere legal in Zoohandlungen, auf Tierbörsen oder im Internet gehandelt beziehungsweise verkauft.

"WYLD" habe nur die Kommunikation und die Werbung für diesen Handel offensiver betrieben und damit mehr in das Zentrum der Öffentlichkeit gerückt. Weiterhin erklärte er in seiner Rede: "Wer ‚WYLD‘ absurd fand, muss verstehen, dass die Rechtslage in Deutschland absurd ist. Sehr geehrte Ampelkoalition, bitte ändern Sie das mit einer Positivliste."

Positivliste existiert bereits in zehn europäischen Ländern

Die Tierschutzorganisation appelliert an Bundesumweltminister Cem Özdemir, im Rahmen der anstehenden Reform des Tierschutzgesetzes auch die Positivliste einzuführen. In dieser Liste legen unabhängige Experten fest, welche Tierarten für den legalen Handel und für die private Haltung als Haustier risikolos geeignet und erlaubt sind.

Bisher besteht eine Meldepflicht nur für international geschützte Tierarten. Doch der entsprechende Handel macht nur einen Bruchteil der gehandelten und der gehaltenen Tierarten aus. Trotz dieser gesetzlichen Meldepflicht ist den Behörden nach eigenen Angaben nur etwa jedes zehnte exotische Haustier bekannt.

Ob im Rahmen der anstehenden Reform des Tierschutzgesetzes allerdings die Haltung ungeeigneter exotischer Tier als Haustiere überhaupt eine Rolle spielen oder sogar verboten wird, ist völlig offen. Van Gennep fragt daher völlig zu Recht: "Bereits in zehn europäischen Ländern existiert eine solche Liste. Wie kann es sein, dass hierzulande die Haltung wilder Tiere noch möglich ist?"

Eine repräsentative Umfrage mehrerer Tier- und Artenschutzorganisationen zeigt, dass 90 Prozent der Deutschen den Handel und die Haltung von exotischen Tieren stärker reguliert sehen wollen. Und sogar 81 Prozent der Befragten sind für ein völliges Verbot. Stolz weist Van Gennep darauf hin, dass 120.000 User, die die Homepage von "WYLD" mittlerweile aufgerufen haben, automatisch auf der Homepage zur Positivliste weiterleitet wurden und sich somit unmittelbar mit deren Slogan konfrontiert sahen: "Exotische Tiere sind KEINE Haustiere"

Bereits über 33.000 Unterschriften für Petition

Die Aktion um und von "WYLD" verdeutlicht, dass eine Positivliste auch für Deutschland zwingend notwendig ist, um den Schutz exotischer Tiere im Grundgesetz zu verankern. Denn wie kann es sein, dass Löwen, Tiger oder andere Exoten wie "normale" Haustiere gehalten werden dürfen, ohne dass der Besitzer seiner Eignung dafür nachweisen muss?

Um dieser Forderung zusätzlich Nachdruck auf die Politik zu verleihen, sammelt die europäische Tierschutzorganisation "AAP" mittlerweile mit einer Petition Unterschriften, um diese Positivliste endlich auch in Deutschland einzuführen.

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Als eine vermeintliche Löwin durch Berlin streifte, die sich später als Wildschwein entpuppte, wurden bereits Stimmen laut. Neben der Tierrechtsorganisation "PETA" forderte die Tierschützerin Victoria Müller von "ddao Tierschutz" ein bundesweites Verbot zur Privathaltung von Wildtieren, auch im Zirkus. Dafür sammelte sie mit ihrer Petition mehr als 11.000 Unterschriften.  © Deine Tierwelt

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