Reittherapeutin Franziska Vogt aus Kaltenlengsfeld wanderte mit ihren zwei Kindern, zwei Pferden und Dogge Hermine 110 Kilometer durch Deutschland. Ein Abenteuer für das Sextett – und alles für einen guten Zweck. Sie wollte dabei 11.000 Euro sammeln für Menschen, die sich eine tiergeschützte Therapie nicht leisten können. pferde.de sprach mit ihr über ein besonderes Engagement und warum die Reittherapie auch Menschen mit Schlaganfall helfen kann.
Pferde sind mehr als Partner auf vier Hufen: Sie sind auch Therapeuten und können Seelen heilen. Das weiß auch Franziska Vogt (35) aus Kaltenlengsfeld. Als Neunjährige stieg sie zum ersten Mal in den Sattel, mit zehn Jahren hatte sie ihr erstes eigenes Pferd. Ihr Traum damals: Zur berittenen Polizei zu gehen. Stattdessen wurde sie Einzelhandelskauffrau. "Das hat mich aber nicht erfüllt", sagt sie.
Sie wollte umsteigen, Kinderpflegerin werden. Dann wurde sie schwanger. Nach der Geburt ihres Sohnes stand für sie fest: "Ich muss zurück zu den Pferden." Sie nutzte die Elternzeit, machte eine Ausbildung zur Reittherapeutin. Und erfüllte sich 2018 ihren größten Wunsch: Sie eröffnete den kleinen Hof Rhönschätze in der Thüringer Rhön, bietet seitdem tiergestützte Interventionen für Kinder und Erwachsene. "Es ist immer wieder ein ganz besonderes Gefühl, zu sehen, was die Zeit mit den Tieren den Menschen bringt", sagt sie. Sie helfen bei Trauer, geben Mut und sie mobilisieren den Körper, wenn eine Behinderung vorliegt, sagt Vogt.
Reittherapeutin: "Pferde können Seelen heilen"
Doch in den Jahren als Reittherapeutin hat sie nicht nur Erfolge erlebt, sondern auch Rückschläge – wenn es um Unterstützung geht. "Es gibt mittlerweile viele Studien, die zeigen: Reittherapie hilft. Und trotzdem wird sie nicht von den Kassen finanziert", so Vogt. Und genau das ärgert sie: "Gerade für Familien, die finanziell nicht so gut gestellt sind, ist es doch wichtig, dass sie auch solche Angebote annehmen können."
Dazu fehlt ihr die Anerkennung für tiergestützte Interventionen. "Wenn du Rückenschmerzen hast, gehst du zum Arzt oder zum Physiotherapeuten. Es gibt Logopäden, Osteopathen, Ergotherapeuten. Und für die Seele den Psychiater. Aber dass Pferde auch die Seele heilen können – das wird nicht so schnell akzeptiert", sagt Vogt.
Wandern mit Pferden: Das wird eine tolle Zeit…
Doch jammern? Das liegt ihr nicht. Stattdessen schmiedete die zweifache Mutter einen Plan: Sie wollte auf tiergestützte Therapie aufmerksam machen – und gleichzeitig Spenden für Projekte sammeln. Gedacht, geplant. "Ich habe im letzten Jahr 120 Firmen angeschrieben, ob sie einen Spendenlauf unterstützen würden", erzählt Vogt. Die Reaktion? Frustrierend. "Gerade mal drei Firmen haben sich überhaupt zurückgemeldet. Sie fanden die Idee zwar toll, aber Geld gab es nicht."
Das war der Punkt, an dem Vogt kurz aufgeben wollte. "Aber die Idee hat mich einfach nicht losgelassen", erzählt sie lächelnd. Und so machte sie weiter, nur eben eine "Nummer kleiner". Weil sie nicht nur zwei Pferde, sondern auch ihre Kinder mitnehmen wollte, plante sie alles für die Osterferien. "Ich war sicher: Das wird eine tolle Zeit."
Zum Start wurde es kalt und nass
So startete sie mit Sohn Oden (9), Tochter Talvi (3), Tinker-Mix Teddy (9), Shetlandpony Bolek (11) und Dogge Hermine (2) in Berkach. "Und direkt zum Start änderte sich das Wetter komplett. Statt Sonne gab es Regen, dazu wurde es wieder richtig kalt." Aber auch davon ließ sie sich nicht stoppen. Ihr Ziel: 111 Kilometer entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze zum Point Alpha im Wartburgkreis.
Doch schon am zweiten Tag kam Vogt an ihre Grenzen. "Nach der frostigen ersten Nacht in Roßrieth musste ich mir eingestehen, Zelten im April ist keine coole Idee. Die nächste Unterkunft musste warm sein und im besten Fall ein Bett haben." Dazu kam die kleine Gruppe zu spät los. "Doch das Wetter war uns wieder wohlgesonnen. Auf guten Wegen und in schöner Landschaft ließ es sich angenehm laufen." Nur: "Die Kilometer gingen ins Land, aber irgendwie wurde die Entfernung zum Ziel nicht weniger."
…und dann hat die Tochter Fieber
Es ging hoch und runter, "immer die langsam untergehende Sonne im Blick. Die Kinder wurden langsam ungeduldig." Dann ging die Sonne unter – und das Ziel war noch immer nicht erreicht. "Etwas Panik, Angst und Verzweiflung machten sich nun doch breit." Deshalb rief sie bei ihrer Unterkunft an und ließ sich abholen. "Im Nachhinein bin ich sehr froh über die Entscheidung. Denn bis zum Ziel wären es weitere drei Kilometer im Dunkeln gewesen." In diesem Moment zweifelte sie kurz, ob sie es wirklich schaffen würde. "Aber wir hatten ein Bett, eine Dusche – und ich habe noch nie so gut geschlafen", erinnert sich Vogt.
Am nächsten Morgen sollte es weitergehen. Doch Tochter Talvi hatte Fieber. "Mir war klar, den heutigen Tag braucht sie eine Pause. Dazu hatten auch die Ponys sich entschieden, den Ort in der Nacht nochmal auf eigene Faust zu erkunden. Sie wurden von netten Nachbarn gegen 8 Uhr zurückgebracht – leider ohne Hufschuhe. Also hieß es erstmal, diese suchen…"
Franziska Vogt lernt: Für jedes Problem gibt es eine Lösung
Doch auch davon ließ sich Vogt nicht stoppen – und lief weiter. Mit jedem weiteren Kilometer lernte sie: Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Zum Beispiel als sie abends noch einen Anstieg zum nächsten Ort meistern musste – und sich ziemlich erledigt fühlte. "Ich fand eine Technik, um die letzten Höhenmeter gut zu meistern: Teddy lief vorneweg und zog mich hinauf. Es war ein tolles Gefühl oben angekommen zu sein, es geschafft zu haben und es zusammen mit den Pferden gemeistert zu haben", sagt sie und schlussfolgert: "Es bedarf einiges an Vertrauen auf beiden Seiten, solche Hindernisse zu überwinden. Und ich war sehr dankbar dafür, dass ich so tolle tierische Partner an meiner Seite habe."
Nach elf Tagen kam die 35-Jährige mit ihren Kindern und den Tieren wie geplant am Ziel an. "Wir sind gelaufen und an persönliche Grenzen gestoßen", fasst Vogt ihre Erfahrungen zusammen. "Es ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung. Es macht Spaß, es befreit, es lässt einen wachsen, weiterentwickeln. Zusammen mit einem Tier, mit seinen Kindern, Freunden, Partner stärkt es in jedem Fall die Bindung." Die elf Tage haben sie verändert, sagt Vogt. "Ich bin ruhiger, geerdeter geworden."
Ziel nicht erreicht – aber drei Projekte finanziert
Noch etwas ist ihr wichtig: "Unser Ziel, die tiergestützte Therapie bekannter zu machen und ihren Wert und Vielseitigkeit zu verdeutlichen, hoffe ich erreicht zu haben. Für mich jedenfalls hat es sich durch die vielen Begegnungen bewiesen." Ihr Spendenziel von 11.000 Euro hat sie zwar nicht erreicht. "Aber ich freue mich über jeden Euro", sagt sie. Davon will sie drei Projekte finanzieren: eine dreitägige Trauerbegleitung für Kinder und Erwachsene dazu ein tierisches Klassenzimmer sowie Projekttage für Familien in schwierigen Lebenslagen.
"Nur mein Herzensprojekt muss ich leider noch etwas liegen lassen", sagt Vogt. Sie möchte gerne auch Schlaganfallpatienten eine Therapie mit Pferden ermöglichen. "Sie können zum Beispiel bei der Mobilisierung helfen." Außerdem wolle sie die Effekte auch zeigen, eine Studie dazu machen. "Doch das scheitert bislang am Geld." Trotzdem: Ihre Wanderung würde sie immer wieder machen. "Durch das Laufen in der Natur habe ich mich neu sortiert. Und gemerkt: Tiere geben uns so viel. Wir müssen es nur zulassen." © Pferde.de
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