Wenn ein Hund zu aufgeregt beim Spaziergang ist, dann ergeben sich daraus fast immer Probleme für den Menschen. Denn ein zu aufgeregter Hund neigt dazu, zu anderen Menschen und Hunden hinzurennen, auf Weidetiere zu reagieren, jedes Vögelchen und fallende Blatt zu jagen, gegebenenfalls an der Leine zu randalieren, Autos zu verbellen und so weiter. Eine entspannte Gassi-Runde ist mit Deinem Vierbeiner einfach nicht möglich? Hundetrainerin Pia Gröning verrät, wie Du das ändern kannst.
Bereits mit der Wahl der Rasse kannst Du die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, ob Du einen eher aufgeregten Hund oder ein ruhiges Gemüt zu Deinem zukünftigen Begleiter ernennst. Hunde, die generell dazu gezüchtet werden, sehr schnell zu reagieren, sich schnell fortzubewegen oder auch in kurzer Zeit sehr emotional zu reagieren, sind "gefährdeter", eher erregt zu sein.
So findet man beispielsweise im Bereich Border Collie, Australian Shepherd, Malinois, Terrier und Vorstehhunde häufig Vertreter, die mit viel Energie beim Spaziergang unterwegs sind. Problematisch wird es allerdings erst dann – und das gilt für alle Rasse- und Mischlingshunde –, wenn der Hund sich dauerhaft über seinem für ihn normalen Erregungsniveau befindet. Das artet schnell in negativem Stress aus und kann sogar chronisch werden. Ist der Hund dann noch ein aktiver Stresstyp, also dass er sich bewegen muss, um sich besser zu fühlen, dann geraten Hund und Halter oder Halterin schnell in eine negative Spirale hinein.
Aktive Verhaltensweisen als Übersprungsverhalten
Wenn ein Hund einen Konflikt hat, dann hat er vier Möglichkeiten, zu reagieren. Er kann fliehen, er kann angreifen, er kann erstarren oder er zeigt sogenanntes Übersprungsverhalten. Das sind Verhaltensweisen, die ihm guttun und oft nicht zum Konflikt passen. Sich kratzen, wälzen, buddeln, an den Beinen reiben, Bellen und Fiepen, in die Leine beißen sind typische Beispiele.
Es kann aber auch vorkommen, dass der Hund genetisch bedingte Verhaltensweisen stärker zeigt. So fängt er beispielsweise an, Dinge zu verteidigen, die ihm normalerweise egal sind. Es kommt auch vor, dass der Hund sogenanntes Pseudojagdverhalten zeigt, also stöbert oder Spuren sucht, obwohl da gar kein frischer Geruch ist, buddelt, obwohl sich keine Maus im Loch befindet. Auch das Jagen von Autos, Radfahrern und Co. gehört dazu. Wenn Dich das Thema Pseudojagdverhalten näher interessiert, dann findest Du auf www.tiertraining.tv eine Podcastfolge von mir dazu und auch zu den vier Konfliktreaktionen.
Was steckt hinter den Übersprungshandlungen?
Zeigt Dein Hund häufig Übersprungshandlungen, dann ist die Lösung, die Ursache zu finden und zu beseitigen. Häufig stecken konkrete Ängste und Stressoren dahinter, wie zum Beispiel, dass der Hund ein Problem mit Hundebegegnungen hat. Allgemein hilft es, die stressigen Auslöser positiv zu besetzen, indem der Hund zum Beispiel immer besonderes Futter bekommt, wenn er den negativen Auslöser entdeckt. Auch das Training von Impulskontrolle – also, dass der Hund lernt, dass Zurückhaltung sich lohnt als auch allgemein mehr Entspannung ist sehr hilfreich für Deinen Hund. Das gilt auch, wenn Du keine konkreten Auslöser erkennst.
Dauerhafte Aufregung beim Spaziergang
Wenn Dein Vierbeiner scheinbar ohne Zusammenhang und ständig beim Spaziergang aufgeregt ist, dann sollte die Situation ganzheitlich betrachtet werden. Häufig sind es Hunde, die ständig an der Leine ziehen beziehungsweise im Freilauf sich ständig 50 Meter und mehr entfernen und dauerhaft im Galopp unterwegs sind. Manchmal ist die Ursache Frust, weil der Hund zum Beispiel aufgrund von Jagdverhalten ständig an der Leine geführt wird und diese zu kurz ist (viele Hunde fühlen sich mit 20 Metern wohl).
Manche Hunde haben einen Schlafmangel aufgrund ihres Alltags oder weil sie Zuhause schlecht zur Ruhe kommen. Manche Hunde bleiben schlecht alleine und sind dadurch dauerhaft im Stress, wenn sie trotzdem oft alleine gelassen werden. Manche Hunde haben Geräuschängste und sind diesen Geräuschen ständig ausgesetzt. Manche Hunde verkraften den Umzug in ihr neues Zuhause schlecht, weil es sich so unterscheidet von ihrem bisherigen Leben.
Gerade Hunde aus dem Tierschutz brauchen auch erstmal in ihrer Eingewöhnung viel Zeit, um mit der neuen Situation zurechtzukommen. Es kann aber zum Beispiel auch bei Mehrhhundehaltern in der Gruppe zu schwelenden Konflikten kommen, die dauerhaft für mehr Erregung sorgen.
Spaziergang mit zwei Hunden
Meist steigt sowieso die allgemeine Erregung, wenn zwei Hunde oder mehr gemeinsam spazieren gehen. Dauerhafte Fehlkommunikation zwischen Mensch und Hund, zu viel oder zu wenig Auslastung und Beschäftigung, als auch Krankheiten können weitere Gründe für ein zu hohes Erregungsniveau sein. Oft kommen auch mehrere Aspekte zusammen. Hier gilt es dann zu optimieren. Oft sind es eher die Veränderung der Haltungsbedingungen, statt konkretes Training, die bereits sehr viel bringen. In meinem Bindungs- und Kommunikations-Onlinekurs machen wir genau das.
Was kannst Du konkret beim Spaziergang tun?
Wenn Dein Hund keine Leckerchen mehr annimmt oder das sonst geliebte Spiel mit Dir verweigert, dann ist das ein sehr deutlicher Hinweis, dass er gerade zu aufgeregt ist. Es ergibt keinen Sinn, in diesem Zustand weiter mit ihm zu spazieren zu gehen und immer mehr Reize auf ihn einprasseln zu lassen.
Da er aber trotzdem seine Bewegung haben soll, ist es sinnvoll, den Weg Hin- und Her zu gehen, statt eine Runde zu laufen. Im Zweifel gehe ich lieber 100 Meter 20 Mal auf und ab, als einen zu erregten Hund immer mehr Reizen auszusetzen, die er nicht verarbeitet bekommt.
Ansonsten ist natürlich immer Entspannung der Gegenspieler von Erregung. Ob Massagen, gemeinsames Picknick, einfach nur Abliegen, Bodenarbeit, Körperbandagen, entspannende Gerüche auf seinem Halstuch – alles, was Deinem Hund guttut, darf gerne eingesetzt werden. Ich persönlich bin großer Fan der Tellington Methode. Hier findest Du viele praktische Anregungen, um Entspannung in Euer Leben zu holen.
Spaßreiche Beschäftigung beim Spaziergang kann zu mehr Ansprechbarkeit führen und damit auch die Erregung senken. Auch die Ernährung spielt eine Rolle. Die Anpassung dieser, sowie gegebenenfalls der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln, Bachblüten und Co. ist oft ebenfalls effektiv. Es führen also sehr viele Wege nach Rom. Deine Aufgabe wird es, denjenigen zu finden, der zu Dir und Deinem Hund passt. Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg dabei! © Deine Tierwelt
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