Zumindest hinter vorgehaltener Hand murren viele nichtrauchende Arbeitnehmer über jene Kolleginnen und Kollegen, die mehrmals täglich zum Rauchen verschwinden. Ein Gastwirt in Rheinland-Pfalz hat diesbezüglich seine ganz eigene Lösung gefunden.

Mehr Ratgeber-Themen finden Sie hier

Fluppen oder Freizeit: Vor diese Wahl stellt ein Gastwirt im Süden von Rheinland-Pfalz seit Jahresbeginn seine Mitarbeiter. "Nichtraucher bekommen von mir als Ausgleich für die Rauchpausen ihrer Kollegen fünf Tage mehr Urlaub", sagt Helmut Glas.

Was für manche wie Gängelei klingt, sichert in seinen Augen den Betriebsfrieden. "Früher gab es in der Belegschaft mal Anfeindungen nach dem Motto 'Der geht schon wieder eine paffen'", erzählt der 44-Jährige. "Und es stimmt: Wer die Rauchpausen nicht hochrechnet, glaubt nicht, wie viel Zeit da zusammenkommt." Nun herrsche Ruhe.

Wann der Geschäftsführer des Landgasthofs "Jägerstübchen" in Neustadt die Idee zum Mehrurlaub hatte, weiß er noch. "Ich habe das auf der Weihnachtsfeier verkündet. Das Hallo war groß", erzählt Glas.

Er habe vorgefühlt und sei auf Zustimmung gestoßen. "Einer der Raucher hat gesagt: 'Klasse, da disst mich keiner mehr.'" Von seinen zwölf Mitarbeitern seien fünf Raucher und sieben Nichtraucher, auch er. "Ich bin ein Gastrokind und mache das nicht, weil Rauch mich stört."

Lesen Sie auch: Wie viel Urlaub steht mir zu? Diese Regelungen im Job sollten Sie kennen

Küchenchef gab für mehr Urlaub das Rauchen auf

Einen seiner Angestellten, der wegen des Mehrurlaubs mit dem Rauchen aufhören wollte, erwischte er im Keller mit der Zigarette. "Da war das Gentlemen's Agreement natürlich erledigt", sagt Glas. Sein Küchenchef Steffen Grüning hingegen halte tapfer durch. Grüning hat 15 Jahre lang geraucht - und nun aufgegeben.

"Der Mehrurlaub war die entscheidende Motivation", erzählt der Küchenchef bei "Rheinpfalz". Zuvor überstand eine Schachtel Zigaretten bei ihm selten mehr als zwei Tage. "Die Initiative ist auf jeden Fall gut fürs Betriebsklima", meint der 32-Jährige.

Für die Juristin Nathalie Oberthür ist Mehrurlaub für Nichtraucher grundsätzlich zulässig. "Die rauchenden Mitarbeiter erhalten durch zusätzliche Pausen einen Freizeitvorteil, der bei den nichtrauchenden Mitarbeitern durch die Urlaubstage angeglichen wird", sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln.

Juristin warnt vor Bestrafung der Raucher

Allerdings dürfe die Unterscheidung nicht allein danach erfolgen, ob jemand rauche oder nicht, sondern, ob er unbezahlte Raucherpausen in Anspruch nehme. "Wer nur während der offiziellen Pause raucht, müsste die Urlaubstage eigentlich auch erhalten", betont Oberthür. Eine Differenzierung mit dem Ziel, Rauchen zu bestrafen, wäre unzulässig.

Auch für den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ist die Regelung grundsätzlich okay. "Wenn das mit Einvernehmen aller Arbeitnehmer geschieht, kann man das als Interessensausgleich sehen", sagt Landeschef Gereon Haumann vom Dehoga Rheinland-Pfalz. Es sei sicher richtig, dass Zeit durch Rauchen verloren gehe. "Wer nicht dauernd rausläuft, ist schlicht effektiver", sagt Gastwirt Glas. "Ruckzuck sind zehn Minuten weg."

Raucherpausen kosten mehr als 28 Milliarden Euro

Ein Recht auf Raucherpausen haben deutsche Arbeitnehmer nicht. Die Kippe zwischendurch gilt nicht als zulässige Arbeitsunterbrechung, das haben Gerichte mehrfach klargestellt.

Einer 2009 vom Deutschen Krebsforschungszentrum veröffentlichten Studie der Universität Hamburg zufolge kosten Rauchpausen deutsche Unternehmen im Jahr mehr als 28 Milliarden Euro.

"Ich bin froh, dass die Idee im Betrieb so gut ankommt. Die hätten mich ja auch zum Teufel jagen können", sagt Glas. "Wir sind ein kleiner Betrieb, hier ist es möglich, hier kann man es beibehalten." Ein Konzern wie das Chemieunternehmen BASF könne das sicher nicht.

Manche werfen Glas "Diskriminierung" vor

Etwas traurig sei er über anonyme Beschimpfungen im Internet. "Da wird behauptet, ich würde Raucher diskriminieren oder sei ein Spinner, den man verklagen sollte", erzählt er. Da freue er sich umso mehr über Post von der Krankenkasse. "Die finden die Idee interessant und wollen mehr Informationen - auch zur Gesundheitsvorsorge." (dpa/hau)

Mehr Urlaub für Nichtraucher, finden Sie das eine gute Idee? Ihre Meinung interessiert uns! Unter "Kontakt in die Redaktion" haben Sie unter diesem Artikel die Möglichkeit, uns Ihre Argumente zu schicken. Die Meinungen unserer Leserinnen und Leser werden wir dann in einem eigenen Artikel veröffentlichen. Bitte fügen Sie Ihren Zeilen dafür die Überschrift "Pro" oder "Contra" hinzu. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!

Nikotin, Corona, Raucher

Sind Raucher weniger anfällig für das Coronavirus?

Studien zufolge sind unter den an COVID-19 erkrankten Patienten nur sehr wenige Raucher. Deswegen soll nun die präventive und therapeutische Wirkung von Nikotinpflastern untersucht werden.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.