Während Staat, Politik und Medien zusehends kritisch beäugt werden, wächst die Bedeutung der Familie für die Deutschen stark an. Neue Meinungsforschungen zeigen das verblüffende Comeback familiären Zusammenhalts. Selbst die Jugend ist mit ihren Eltern so einverstanden wie noch nie.

Eine Kolumne
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Die überwältigende Mehrheit der Deutschen – bei der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren sind es exakt 57,07 Millionen Personen – halten es "für ganz besonders wichtig", für die Familie da zu sein und sich für die Familie einzusetzen. Das ist das Ergebnis der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2022, kurz AWA, die auf breiter statistischer Basis Einstellungen, Konsumgewohnheiten und Mediennutzung der Bevölkerung in Deutschland ermittelt.

Insbesondere die Jugend wendet sich der Familie wieder intensiv zu. Sie sucht vor allem Einvernehmen mit den Eltern. Wir-Stärke statt Ich-Stärke ist angesagt. In mehreren Jugendstudien stellen die Forscher verblüfft fest: "Im Unterschied zur Generation der Eltern selbst, die meist eine kritische Einstellung zum Lebensstil ihrer Väter und Mütter pflegen oder pflegten, haben junge Leute ein überwiegend entspanntes und zugewandtes Verhältnis."

Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern ist so gut wie lange nicht mehr

Studien zufolge kommen 92 Prozent der deutschen Jugendlichen derzeit gut oder sogar bestens mit ihren Eltern aus. Die Werte sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Auf die Frage "Würdest du dein Kind einmal genauso erziehen, wie deine Eltern dich erzogen haben?" sagen heute 74 Prozent der Jugendlichen ja. Das ist ein Rekordwert. Kurzum: Das Verhältnis von Eltern und Kindern ist so gut wie lange nicht mehr.

Damit sind nicht nur die Ideologen der kritischen Theorie widerlegt. Auch Kulturpessimisten und Zerfallspropheten dürften staunen. Denn trotz hoher Scheidungsraten, Patchwork-Familien und schwerer Belastungen durch die moderne Arbeitswelt, ist die Familie stark wie nie.

Das vierte Gebot trägt gewissermaßen einen Sieg davon. Wer in der Familie Liebe spürt, der fühlt sich im Leben getragen und beschützt. Die Renaissance von Elternliebe und Familienorientierung bei der Jugend ist ein Triumph des wertegebundenen Denkens.

"Anti-Autorität" der Generation 68 hat ausgedient

Für die meisten Menschen ist die Familie "das Erste, das der Mensch im Leben vorfindet, das Letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das Kostbarste, das er im Leben besitzt." Die Sentenz von Adolph Kolping beschreibt den überragenden Wert, den wertegebundene Menschen der Familie beimessen. Modernisierer und Linke des 20. Jahrhunderts haben die Familie kritisch hinterfragt, dekonstruiert, als Unterdrückungs- oder Entfremdungsstruktur oder als Leitbild der bürgerlichen Gesellschaft bekämpft. Doch sie hatten keinen nachhaltigen Erfolg damit.

Für die Generation der Achtundsechziger ist die Rückkehr der Familie eine große Verblüffung. Sie hatten zeitlebens Familienkritik betrieben, auf Emanzipation und Distanz gesetzt. "Anti-Autorität" war das Schlagwort seit den sechziger Jahren, und eine ewige Pubertät wurde proklamiert. Familie sei ein Hort der latenten Repression, dagegen brauche die Jugend "Kritikfähigkeit", "Selbstbestimmung", "Ich-Stärke".

Nun passiert freilich das glatte Gegenteil. Kaum eine andere soziale Institution hat in den letzten zwanzig Jahren einen solch hohen Zustimmungszuwachs erhalten wie die Familie. Für 80 bis 90 Prozent der jungen Menschen ist Familie wichtig bis sehr wichtig. Ebenso viele wollen selbst eine Familie gründen und auf Dauer mit einem Partner zusammenleben, und die meisten wollen Kinder.

Familie kann natürlich vielfältige Gesichter und Formationen haben. Doch wie bunt Familie auch sein kann, sie ist immer ein Vaterland des Herzens. Selbst wenn sie räumlich getrennt sind, halten Familien zusammen und übernehmen gegenseitige Verantwortung und Fürsorge. Das Vertrauen, sich auf den Mitmenschen und seine Fürsorge verlassen zu können, aber auch die Vermittlung von Durchsetzungskraft und Teamfähigkeit sind für eine vitale und solidarische Gesellschaft unersetzlich. Politik und Sozialstaat können die familiären Bindungen und die menschliche Fürsorge weder ersetzen noch schaffen.

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