Mütter tragen nach wie vor häufig die Hauptlast im Familienalltag. Es gibt aber Wege, die Aufgaben stressfreier zu strukturieren und Lasten besser zu verteilen.
Das neue Schuljahr ist bereits in vollem Gange, aber trotzdem müssen sich viele Familien immer noch an die veränderte Struktur im Tagesablauf gewöhnen. Nach wie vor tragen oft die Mütter die Hauptlast, dazu gehört auch die sogenannte "Mental Load", um alle Aufgaben und Termine im Blick und unter einen Hut zu bringen. Autorin Nora Imlau (41) gibt im Interview Tipps, wie man - vor allem aber nicht nur - die Zeit des Schulanfangs besser und stressfreier strukturiert und wie sich Aufgaben innerhalb der Elternpaare besser verteilen lassen.
Familie bedeutet generell schon viel Organisation - der Schulstart hat noch mehr Aufgaben mit sich gebracht. Wie können Familien den zusätzlichen Stress bewältigen? Welche Tipps haben Sie, um den Familienalltag mit Schulkindern zu strukturieren?
Nora Imlau: Ein gemeinsamer Familienplaner ist hilfreich, in dem alle anstehenden Aufgaben übersichtlich aufgelistet sind und abgehakt werden können. Hilfreich ist außerdem, sich selbst die Erlaubnis zu geben, sich Dinge leicht zu machen. So bieten viele Schreibwarengeschäfte etwa den Service an, alle Produkte auf der Materialliste der Schule zusammenzustellen, sodass Eltern sie nur noch abholen müssen. Das kann Zeit und Nerven sparen und den Start ins Schuljahr deutlich erleichtern.
Am wichtigsten ist jedoch, mit viel Nachsicht und Gelassenheit durch die ersten Wochen des neuen Schuljahres zu gehen. Es ist ganz normal, dass die Routinen noch nicht ganz rund laufen, Kinder nach den Sommerferien morgens schwer aus dem Bett kommen und alle Fehler machen und Dinge vergessen. Tief durchatmen, in den Arm nehmen, weitermachen - und dieselbe Großzügigkeit bitte auch bei sich selbst walten lassen.
Wie kann man die Aufgaben fairer zwischen den Elternteilen aufteilen, damit nicht alles an einer Person hängen bleibt?
Sehr wichtig ist es, klar die Zuständigkeiten zu verteilen: Wer kümmert sich verlässlich um was, inklusive daran zu denken? In Familien mit zwei Elternteilen kann zum Beispiel ein Erwachsener die volle Verantwortung für die Brotboxen übernehmen - inklusive Einkauf, Vorbereitung und Reinigung der gebrauchten Boxen - und der andere Erwachsene übernimmt dafür alle Elternabende, Elterngespräche sowie die Kommunikation mit der Schule.
Um sich überhaupt erstmal klar zu werden, wer wie viel trägt, kann eine Mental-Load-Checkliste helfen. Davon gibt es viele kostenlos im Internet. Paare können so gemeinsam prüfen: Wie können wir unsere Aufgaben fairer verteilen? Damit geht auch mehr Wertschätzung einher für das, was der andere tut - weil es plötzlich sichtbar wird, wenn man es aufschreibt.
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Wie wir uns die Last beim Kochen nehmen können
Welche besonderen Herausforderungen gibt es beim Übergang vom Kindergarten in die Schule, und wie können Eltern ihre Kinder und sich selbst dabei (mental) entlasten?
Der Schulbeginn ist eine riesige Umstellung für Kinder wie für Eltern. Es ist wichtig, darauf vorbereitet zu sein, dass Kinder in der ersten Klasse nachmittags oft richtig erschöpft sind und viel emotionale Begleitung brauchen, um mit den Eindrücken des Schultages umzugehen. Was hilft, ist jetzt alles, was Stress aus dem Familiensystem nimmt: weniger feste Termine, viel Zeit zum Kuscheln, Spielen, Vorlesen und Toben. Und ein leckeres Essen beim Nach-Hause-Kommen - das stärkt die Nerven der Kleinen und der Großen.
Gesunde Ernährung ist wichtig, doch die Planung und Zubereitung von Mahlzeiten kann zusätzlichen Stress bedeuten, oft vor allem für Mütter. Wie können Familien das Kochen im Alltag integrieren, ohne dass es zur Belastung wird?
Auch hier ist Entlastung das Stichwort. Holt euch Hilfe, wie bspw. mit Kochboxen mit vorportionierten Zutaten und einfachen Rezeptanleitungen. Auch kann man Mahlzeiten vorplanen, Lieblingsessen eingefroren in der Tiefkühltruhe haben und schnelle Sattmacher wie Nudeln und Tomatensauce aus dem Glas immer im Vorratsschrank lagern - auch das hilft. Was ebenfalls viel Druck rausnimmt: mit Kindern gemeinsam kochen und sich dabei vom Tag erzählen, naschen und lachen.
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Gibt es digitale Tools und Apps, die Sie empfehlen, um den Familienalltag besser zu organisieren?
Mein Mann und ich nutzen einen synchronisierten digitalen Familienkalender sowie eine ToDo-Liste und einen digitalen Einkaufszettel, auf dem wir beide abhaken können, was wir besorgt haben. Unsere wichtigste Organisations-App ist aber unser Messenger. Darüber bleiben wir tagtäglich in Verbindung und teilen uns so die Belastung.
Eltern vernachlässigen oft ihre eigene mentale Gesundheit. Wie können sie im Alltag besser auf sich selbst achten? Wann ist es etwa sinnvoll, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen?
Es ist ganz wichtig, dass Eltern sich bewusst machen, dass sie mit Selbstaufopferung niemandem einen Gefallen tun - auch ihren Kindern nicht. Gesunde Selbstfürsorge ist die Basis eines wertschätzenden Familienlebens, denn damit leben wir auch unseren Kindern vor, dass wir selbst Wertschätzung verdient haben.
Wie diese Selbstfürsorge aussieht, ist individuell verschieden: Sie beginnt mit einer sanften, großzügigen inneren Stimme, reicht über ordentliche Mahlzeiten und Pausen, die wir uns nicht verdienen müssen, und hört bei der Unterstützung durch Babysitter und Co. noch lange nicht auf.
Alles, was uns guttut, ist gut. Und gleichzeitig hat jede Familie andere Ressourcen und Bedürfnisse, sodass die Möglichkeiten zur Selbstfürsorge eben auch verschieden sind.
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Fußballtraining, Musikunterricht, Pfadfinder ...?
Freizeitaktivitäten der Kinder nach der Schule können den Stress weiter erhöhen. Wie lässt sich dieser Bereich des Familienlebens besser organisieren?
Hier gilt es, eine gute Balance zu finden: Wie viele Hobbys packt jedes Kind, und was schaffen auch wir als Eltern? Grundsätzlich sind die besten Freizeitaktivitäten für ein entspanntes Familienleben die, zu denen Kinder eigenständig hingehen können. Ist das nicht möglich, kann man sich die Hol- und Bringdienste mit anderen Familien aufteilen. Es ist auch in Ordnung, wenn Eltern sagen: pro Kind ein Hobby, mehr können wir nicht leisten. Kinder entwickeln sich auch sehr gut, wenn sie nachmittags einfach Zeit zum freien Spielen haben.
Wie wichtig ist die Kommunikation innerhalb der Familie, um den Alltag und die damit verbundenen Aufgaben zu meistern? Haben Sie konkrete Tipps?
Die Kommunikation ist das Herzstück eines zugewandten Familienlebens. Wichtig dabei ist, nicht in Vorwürfe und Aufrechnungen zu verfallen, sondern klar und konstruktiv zu benennen, wer welchen Beitrag leisten muss, damit das Familienleben funktioniert.
Dabei ist es wichtig, sensibel zu sein: Wenn ein Kind seine Aufgaben nicht erfüllt, wäre es ungerecht, ihm gleich Faulheit zu unterstellen. Vielleicht fühlt es sich damit überfordert, vielleicht braucht es eine kleinteilige Anleitung, mehr Unterstützung? Auch in einer Paarbeziehung gilt es, wertschätzend hinzusehen, wenn eine Person ihre Pflichten immer wieder vernachlässigt: Müssen die Aufgaben nochmal neu verteilt werden? Liegt eventuell ein gesundheitliches Problem vor, etwa eine psychische Erkrankung? Tägliche Gespräche - zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen und Essen - helfen dabei, als Familie in Verbindung zu bleiben und gemeinsam alle Aufgaben zu bewältigen.
Welche langfristigen Strategien können Eltern entwickeln, um den Mental Load im Familienleben nachhaltig zu reduzieren?
Es geht dabei vor allem um Routinen und Verantwortung. Beide Elternteile müssen sich darüber im Klaren sein, dass in einer Familie nichts von selbst passiert und dass sie beide hundertprozentig dafür verantwortlich sind, dass der Laden läuft.
Dann müssen Aufgaben nachhaltig so verteilt werden, dass ganze Aufgabenbereiche komplett bei einer Person liegen. So kann etwa eine Person die komplette Verantwortung für den Bereich Hausaufgaben übernehmen, oder für den Bereich Wäsche. Nur das bringt der anderen Person einen echten Mehrwert. Jemanden ständig an seine Aufgaben erinnern zu müssen heißt, immer noch den Mental Load zu tragen. Deshalb sind Routinen so wichtig: Wenn ich jeden Tag für die Spülmaschine zuständig bin, denke ich irgendwann gar nicht mehr darüber nach, sondern räume sie wie selbstverständlich ein und aus.
Perfekte Familie? Gibt es nicht!
Immer mehr Eltern fühlen sich durch die unrealistische Darstellung von Familienleben in den sozialen Medien unter Druck gesetzt. Wie können sie sich von diesen wirklichkeitsfremden Erwartungen lösen?
Indem sie sich bewusst machen, dass auf Social Media Inszenierungen stattfinden, die lebensecht wirken, es aber oft nicht sind. Viele bekannte Influencer leben zudem sehr privilegierte Leben mit jeder Menge Personal - natürlich sieht es bei ihnen dann anders aus als bei anderen Familien.
Für die eigene mentale Gesundheit ist der wirksamste Tipp, sich seine Timeline gut zu kuratieren: Wer ganz unterschiedlichen Menschen folgt, die auch die unperfekten Seiten des Familienlebens zeigen, merkt schnell, dass wirklich jede Familie ihre eigenen Herausforderungen hat und dass es kein perfektes Familienleben gibt. (jmk/spot) © 1&1 Mail & Media/spot on news
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