Eine Doula ist keine Hebamme. Dennoch begleitet sie Frauen während und nach einer Schwangerschaft sowie bei der Geburt selbst. Wo genau liegt also der Unterschied und wie kann eine Doula für Schwangere eine große Unterstützung sein?
Den Abend vor unserem Gespräch verbrachte Helen Alexiew im Kreißsaal, denn die Hamburgerin arbeitet als Doula. Im Interview wollten wir von der zweifachen Mutter erfahren, was eine Doula eigentlich ist, was sie vor, während und nach der Geburt leistet und welche persönlichen Erfahrungen sie in diesem intimen Beruf bereits gemacht hat.
Frau Alexiew, was ist eine Doula?
Helen Alexiew: Eine Doula ist eine Wegbegleiterin, die Familien während der Schwangerschaft bis zur Geburt und im Wochenbett zur Seite steht. Und das auf emotionaler und mentaler Ebene. Und da grenzen wir uns auch zu dem medizinischen Fachpersonal, also zu Hebammen, Gynäkologen und Ärzten, ab. Wir begleiten wie eine Freundin, die eine fundierte Ausbildung hat und viele Fähigkeiten und Wissen mitbringt. Durch meine Erfahrungen als Mutter und meine Ausbildung zur Doula konnte ich wesentliches Wissen vervollständigen, sodass ich sämtliche Fragen, die einer werdenden Mutter durch den Kopf gehen, beantworten kann. Ich versuche dadurch der Frau zu helfen, ihre Ängste abzubauen. Doulas haben aber keine medizinische Ausbildung. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Frauen und Familien zusätzlich durch medizinisches Personal begleitet und beraten werden.
Was bedeutet der Begriff "Doula"?
- Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet wörtlich übersetzt "Dienerin" oder "Dienerin der Frau".
Auf emotionaler Ebene begleiten - was bedeutet das konkret?
Gerade wenn es die erste Schwangerschaft ist, hat man viele Sorgen und Ängste. Geburt, Mutterschaft und Vaterschaft, das alles ist etwas Unbekanntes. Und diese Sorgen und Ängste mit jemandem besprechen, Fragen in einem Ausmaß stellen zu können, die den medizinischen Bereich übersteigen, ist für viele sehr wichtig. Wir sind wie "Freundinnen auf Zeit" und haben ein offenes Ohr, wenn irgendwas besprochen werden möchte. Besonders auf emotionaler Ebene. Diese Zeit ist emotional einfach eine Achterbahnfahrt und das darf sie auch sein. Und dann ist es schön, eine Ansprechpartnerin zu haben.
Warum gibt es einen Bedarf an Doulas?
Ich habe das Gefühl, dass einige Frauen gerade auf emotionaler Ebene wenig Begleitung erfahren. Das kann mehrere Faktoren haben, etwa der Wohnort. Wir leben oftmals nicht mehr dort, wo wir geboren sind, wo unsere Familien und Freunde sind. Uns fehlen also enge Bezugspersonen vor Ort. Mit dem Beginn einer Schwangerschaft kann ein großer Berg aus Angst und Fragen vor uns auftauchen. In dieser Situation kann eine Doula unterstützen und zur Seite stehen.
Eine Studie hat die Auswirkungen auf Frauen untersucht, die eine kontinuierliche Unterstützung bei der Geburt erhielten. Die Ergebnisse:
- Die Wahrscheinlichkeit, dass sie von negativen Gefühlen über ihre Geburtserfahrung berichteten, war geringer.
- Die Wahrscheinlichkeit für die Zuhilfenahme von Schmerzmitteln war geringer.
- Die Wehen waren kürzer.
- Es gab eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Kaiserschnittgeburt.
Wenn ich mich für eine Doula entscheide, wie läuft das dann ab? In welcher Phase lernen Sie die Paare kennen?
Das ist sehr individuell. Es gibt die Frauen, die rufen mich bei positiven Schwangerschaftstests an, weil sie wissen, dass es Doulas gibt oder Positives davon gehört haben. Und dann gibt es Frauen, die im Verlauf ihrer Schwangerschaft davon hören und sich in Woche 35 melden. Alles ist möglich, aber meine Empfehlung wäre natürlich, sich zeitig zu melden. So hat man Zeit, um sich kennenzulernen und Nähe und Vertrauen aufzubauen.
Eine Komplett-Betreuung bei Ihnen kostet im Normalfall etwa 1.100 Euro. Ist dieser Preis vergleichbar mit allen Doulas in Deutschland oder unterscheidet sich das stark?
Das variiert. In ländlicheren Regionen liegen die Preise zwischen 700 und 900 Euro. In den Städten kann das auf bis zu 2.000 Euro hochgehen.
Wie läuft ein erstes Gespräch mit den werdenden Eltern in der Regel ab?
Das ist unterschiedlich. Ich bin gerne bereit, mich an einem gemütlichen Platz, etwa einem Café, mit den werdenden Eltern zu treffen, komme aber auch genauso gerne in ihr Zuhause. Das finde ich immer sehr schön, schließlich werde ich später bei einem sehr besonderen und wichtigen Ereignis im Leben der Frau oder des Paares dabei sein. Das erste Kennenlernen dauert meist eine bis anderthalb Stunden. Es geht am Ende darum, dass die Eltern eine Vorstellung davon bekommen, was sie von meiner Begleitung erwarten können.
Was können die Eltern denn erwarten?
Oftmals ist ihnen nicht bewusst, dass sie mich sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag um den errechneten Termin herum erreichen können und ich ab Geburtsbeginn an ihrer Seite sein werde, bis ihr Baby geboren ist. In den Tagen nach dem Kennenlernen können sich die Eltern dann überlegen, ob sie meine Dienstleistung in Anspruch nehmen möchten und wir vereinbaren als nächstes einen Termin zur Geburtsbesprechung.
Was passiert bei einer Geburtsbesprechung?
Wir gehen alle Phasen einer Geburt durch. Ich beschäftige mich dabei auch mit den Denkmodellen "Best Case" und "Worst Case", um ihnen zu erklären, dass es nicht zwangsläufig immer in die eine Richtung geht. Geburt ist immer eine Blackbox. Wir wissen nicht, wie es laufen wird. Läuft eine Geburt nicht wie erwartet oder gewünscht, hat man auf jeden Fall mehrere Auswahlmöglichkeiten, um bestmöglich zu reagieren. In meinen Geburtsbesprechungen geht es daher auch darum, die werdenden Eltern in ihre Selbstbestimmung zu bringen, indem sie über die verschiedenen Alternativen der geburtsunterstützenden Maßnahmen so gut wie möglich Bescheid wissen.
Was für Möglichkeiten können das sein?
Das fängt bei Atemtechniken, Massagen oder anderen natürlichen Taktiken der Schmerzerleichterung an und geht bis hin zur PDA und dem besten Zeitpunkt ihres Beginns. Ich bespreche gerne die bereits vorangegangenen Geburten, sofern es sie gibt. Es ist mir wichtig, über die Höhen und Tiefen, die mit einer Ankunft des neuen Babys in Zusammenhang stehen, aufzuklären, damit sich die Eltern gut vorbereiten können. Und dann gibt es noch eine Wochenbettbesprechung, in der man versucht, ein Bild zu kreieren, wie das Wochenbett aussehen kann und den Familien Tipps für eine gute Vorbereitung mit an die Hand gibt.
Was ist eine PDA?
- Bei einer Periduralanästhesie (PDA), die auch Epiduralanästhesie (EDA) genannt wird, erhalten Frauen während oder vor der Geburt eine Spritze in die Nähe des Rückenmarks. Nach wenigen Minuten setzt eine Betäubung von der Hüfte abwärts ein und Geburtsschmerzen werden gelindert.
Spielt es für Sie eine Rolle, wie oder wo geboren wird?
Nein, wobei ich tatsächlich meistens Klinikgeburten begleite. Am Ende ist es aber nicht entscheidend, ob ich zu Hause, im Krankenhaus oder im Geburtshaus agiere.
Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit dem Partner oder der Partnerin der Schwangeren?
Ich finde es immer schön, wenn Partner oder Partnerinnen in der Schwangerschaft an Terminen teilnehmen, weil man auch ihnen ein Bild von dem vermittelt, was auf sie zukommt. Wenn ich merke, die Lust mitzumachen ist da, wirkt sich das ganz wunderbar auf Stimmung und Zusammenarbeit aus. Aber die Schwangere ist ganz klar die, die die Zügel in der Hand hat.
Kam es schon mal vor, dass Partner auch Einzelgespräche mit Ihnen haben wollten?
Ja, durchaus. Das sind dann meistens Anrufe, in denen Unsicherheiten geklärt oder Fragen gestellt werden. Dinge wie: "Was mache ich, wenn es losgeht?"
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"Doula" ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Wann darf man sich "Doula" nennen? Gibt es eine spezielle Ausbildung?
Tatsächlich ist Doula noch keine eingetragene Berufsbezeichnung. Ich finde, dass jede und jeder, der sich zur Geburtsbegleitung berufen fühlt, eine möglichst umfassende und fundierte Vorbereitung auf diese Tätigkeit absolvieren sollte. Das beginnt mit einer zertifizierten Ausbildung, mehrmonatiger Hospitation im Kreißsaal, der Bereitschaft, viele Schwangere zu betreuen, um damit Erfahrungen zu sammeln. Es gibt mittlerweile mehrere Ausbildungsstätten für Doulas. Werdende Eltern und Interessierte können da gern im Netz recherchieren. Für mich persönlich war es essenziell, die Geburten während meiner Hospitation im Kreißsaal zu begleiten. Dabei merkt man, ob diese Berufung einem entspricht oder eher nicht. Meine Erfahrungen aus dieser Zeit sind wichtiger Bestandteil meiner jetzigen Tätigkeit.
Was Sie aufzählen, macht wahrscheinlich genau den Unterschied zum Partner, der Partnerin oder der besten Freundin aus, die ja auch emotionale Stütze bei der Geburt sein können, oder?
Dazu muss ich sagen, die Menschen waren wahrscheinlich früher, noch vor jeglicher modernen Medizin, viel verbundener mit natürlichen Geburten. Hausgeburten waren keine Seltenheit und die Frauen einfach viel mehr in Kontakt mit Gebärenden. So ist es kein Wunder, dass heutzutage selbst die beste Freundin, Schwester, Mutter oder Verwandte nicht die Erfahrung aufbringen kann, eine Gebärende optimal zu unterstützen.
Sie wenden bei der Geburt schmerzlindernde Methoden an, die Sie zuvor mit den Müttern üben. Was sind das für Methoden?
Allen voran sind das Massagetechniken. Angefangen von der Kreuzbeinmassage, die vielleicht viele auch im Geburtsvorbereitungskurs lernen. Dann zum Beispiel auch ein Hip Squeeze, der für mich auch körperlich anstrengend ist, jedoch von den meisten Frauen als sehr angenehm empfunden wird. Aber auch tatsächlich so simple Dinge wie mit der Frau atmen. Das hört sich banal an, ist jedoch ein wichtiges Werkzeug. Wenn eine Frau es schafft, sich gut durch die Wehen durchzuatmen, ist das sehr wertvoll. Und dabei hilft es ihr einfach, wenn mitgeatmet wird und sie so ein bisschen an die Hand genommen wird. Und dann hat man natürlich auch sein Doula-Köfferchen. Ich habe zum Beispiel ein TENS-Gerät dabei, das durch Elektroden auf der Haut die Nervenbahnen stimuliert und eine schmerzlindernde Wirkung erzielt. Auch der Geburtskamm wird gern von Frauen unter der Geburt verwendet. Diesen legt man in die Hand und drückt dadurch passende Akupressurpunkte. Auch Öle, einen Fächer, Snacks und Kerzen sind immer mit dabei.
Erklärungen zu den erwähnten schmerzlindernden Methoden
- Kreuzbeinmassage: Das ist eine Massagetechnik für den unteren Rückenbereich, die gezielt Schmerzen lindern kann. Vor allem in der Schwangerschaft und während der Geburt kann die Kreuzbeinmassage eine gute Möglichkeit sein, den gesamten Beckenbereich zu entspannen.
- Double Hip Squeeze: Bei dieser Technik, auch Beckenpresse genannt, steht man hinter der Frau und drückt ihre Hüftknochen zusammen, was unter den Wehen sehr erleichternd sein und der Frau helfen kann, besser los- oder lockerzulassen.
- TENS-Gerät: TENS steht für "Transkutane Elektrische Nervenstimulation" und ist ein Reizstromgerät. Dabei werden Stromimpulse mit niedriger bis hoher Intensität gezielt eingesetzt, um Nervenbahnen oder Muskulatur zu stimulieren. Das Ziel ist es, die Nervenbahnen zu beeinflussen, die für die Schmerzübermittlung zuständig sind. Dadurch wird die Schmerzleitung minimiert oder sogar vollständig unterbrochen. Gleichzeitig regt die Elektrotherapie die Ausschüttung von Endorphinen an, die als körpereigenes Schmerzmittel eine langfristige Schmerzlinderung versprechen.
- Geburtskamm: Durch das feste Umklammern eines Kammes kann der Druck der Handfläche Akupressurpunkte stimulieren. Da sich das Gehirn nur auf eine begrenzte Anzahl von Empfindungen konzentrieren kann, lenkt der entstehende Schmerz von der Intensität der Wehen ab. Die Nervenenden in der Hand liegen dem Gehirn näher als die im Unterleib. Dadurch erreichen sie das Gehirn schneller und lassen die Kontraktionen weniger intensiv erscheinen.
Was machen Sie sonst noch unter der Geburt?
Viele Frauen vergessen beispielsweise während der Geburt zu trinken, auf die Toilette zu gehen oder ruhig zu atmen. Ich als Doula bin auch dafür da, die werdende Mutter zu bemuttern. Ich achte außerdem darauf, dass die Schwangere nicht verkrampft, dass ich zwischen den Wehen vielleicht eine kurze Meditation mit ihr mache. Es geht auch darum, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Für mich ist es das größte Kompliment, wenn eine Frau nach der Geburt zu mir sagt: "Ich habe das Gefühl, ich kann jetzt alles schaffen."
Und nach der Geburt?
Beim Wochenbettbesuch hat man als Doula die Möglichkeit, mit den Familien die Geburt Revue passieren zu lassen. Was hat die Geburt mit der Frau gemacht? Wie geht es ihr? Nur weil eine Geburt von außen betrachtet vielleicht optimal verlaufen ist, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass die Frau das später auch so empfindet. Ich möchte in diesem Punkt sensibilisieren: Geburt empfindet jede Frau komplett unterschiedlich. Ich finde, es ist wichtig, auch im Nachgang noch einen Ansprechpartner zu haben und jemanden, der im Wochenbett auf der Bettkante sitzt, zuhört und der Familie dabei hilft, anzukommen.
Wie ist es mit Sternenkindern, haben Sie das in Ihrem Beruf bereits erlebt?
Die Begleitung von Fehlgeburten und Totgeburten biete ich bisher nicht aktiv an, weil das natürlich auch etwas ist, das man sich selbst zutrauen muss. In meinem Arbeitsleben kam es jedoch zu frühen Abgängen, die nicht weniger schlimm sind und die auch begleitet werden müssen. Es gab dann aber keine Geburtsbegleitung in dem Sinne, sondern viele Gespräche und eine Doula, die ganz viel zuhört und Gefühle da sein lässt und aushält.
Es gibt den Verein "Doulas in Deutschland". Wie funktioniert das, wenn eine Frau beispielsweise sagt, sie hatte eine schlimme erste Geburtserfahrung und möchte für die zweite Geburt nun gerne eine Doula, es ist aber finanziell nicht drin. Wie geht man dann vor?
Man würde sich bei "Doulas in Deutschland" melden, die haben einen Topf, der über Spenden finanziert genau für diese Fälle da ist.
Arbeiten Sie auch ehrenamtlich?
Sofern es mir möglich ist, ja. Ich habe schlimme Schicksalsschläge in Familien miterlebt und deswegen auch schon ehrenamtlich begleitet.
Gibt es auch in anderen Ländern Doulas?
Ja, vor allem in den USA sind Doulas völlig etabliert. Es gibt Doula-Agenturen und Doulas arbeiten in Kliniken als Festangestellte. Hierzulande ist es so, dass ich manchmal in den Kreißsaal komme und die Hebamme sagt: "Mit einer Doula habe ich noch nie zusammengearbeitet."
Und wie reagieren Hebammen auf Sie?
Meistens sehr positiv. Man muss natürlich erst mal gucken: Wie tickt wer und wie arbeiten wir gut zusammen? Wenn ich Skepsis spüre, gehe ich offen auf Hebammen zu, weil mir die Atmosphäre im Kreißsaal sehr wichtig ist. Ich höre dann oft Sätze wie: "Schön, dass du da bist." Das freut mich, denn darum geht es, um Teamwork.
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Über die Gesprächspartnerin
- Helen Alexiew arbeitet seit 2021 Jahren als Doula in Hamburg. Sie ist zweifache Mutter und hat verschiedene Hospitationen, Aus- und Fortbildungen im Bereich Geburtshilfe absolviert. Diese sind auf ihrer Webseite einsehbar.
Verwendete Quellen
- Telefonisches Interview mit Helen Alexiew
- Pubmed.ncbi.nlm.nih.gov: Continuous support for women during childbirth (2017)
- Lasinoh.de: Doula – So kann sie dich rund um die Geburt unterstützen
- frauenaerzte-im-netz.de: Linderung des Geburtsschmerzes
- praxisvita.de: Kreuzbeinmassage: in der Schwangerschaft und während der Geburt
- saneostore.de: TENS: Was ist TENS und wie funktioniert es?
- deinedoula.ch: Was nützt ein Kamm bei der Geburt?
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