Smartphones stehen bei vielen Kindern ganz oben auf dem Wunschzettel. Aber ab welchem Alter ist ein Kind überhaupt bereit für ein Handy? Wichtig zu wissen: Fit für ein Handy wird ein Kind nicht von allein.
Digitale Medien sind für Eltern von heute eine enorme Herausforderung bei der Erziehung. "Aber auch eine Chance und große Bereicherung", lenkt Kristin Langer den Blick auf das Positive. Als Mediencoach der Initiative "Schau hin!" unterstützt sie Familien bei der Medienerziehung. Immerhin haben laut einer Bitkom-Studie bereits 97 Prozent der Zwölfjährigen ein eigenes Handy.
Entscheidend sei: "Ich darf ein Kind nicht damit überfordern, indem ich es zu früh und unbegleitet in die digitale Welt entlasse", warnt Langer.
Smartphone: Tor zu einer komplexen neuen Welt
Mit dem Handy tue sich für das Kind eine völlig neue, komplexe Welt auf. Neben Telefonieren kann man ins Internet gehen, Fotos machen - aber durch die GPS-Funktion auch geortet werden. "Kinder gehen unbedarft und spontan an diese Welt heran, das birgt viele Risiken. Zu denken, unsere Kinder seien in das digitale Zeitalter hineingeboren und der richtige Umgang sei ihnen damit in die Wiege gelegt, ist blauäugig", sagt Langer.
Ein Kind unter neun Jahren vermag aus Sicht der Medienpädagogin weder die Komplexität noch die Kosten eines Smartphones einzuschätzen, immerhin sei ein Handy ein Kleincomputer im Hosentaschenformat.
Smartphones würde sie nicht für Kinder unter elf Jahren empfehlen. Ein wichtigerer Anhaltspunkt als das Alter aber sei, ob das Kind "Medienkompetenz" besitzt. Diese durch eigenes Vorbildverhalten zu vermitteln und sein Kind Schritt für Schritt an digitale Medien heranzuführen, liegt bei den Eltern.
Tipp:
- "Vor dem Kauf eines eigenen Handys gemeinsam mit den Kindern am gesicherten Handy oder Tablet spielen und surfen. So entwickelt das Kind Medienkompetenz, also einen verantwortungsvollen Umgang mit den vielen Funktionen, und erwirbt Wissen über mögliche Stolperfallen", erläutert Langer.
Checkliste: So wird Ihr Kind medienkompetent
Folgende Aspekte gehören zur Medienkompetenz und dienen als Kriterien, ob das Kind reif für das erste eigene Smartphone ist.
Sicher surfen
"Das Internet ist nicht für Kinder gemacht", bringt Langer es auf den Punkt. Eine der Gefahren sei, dass man relativ leicht auf nicht altersgerechte Inhalte stoße. Pornografische und gewaltträchtige Angebote verängstigen, irritieren und hinterlassen Spuren bei Kindern.
Tipps:
- Für Smartphone-Einsteiger sichere Surfräume mit Kindersuchmaschinen einrichten: "fragFINN" und "Blinde Kuh" filtern Seiten heraus, die sich für Kinder nicht eignen.
- Jugendschutz-Apps installieren, um Inhalte und Nutzungszeiten festzulegen und zu regulieren.
Smartphone sichern
Nicht nur die Surf-, auch die generellen Sicherheitseinstellungen des Handys können Eltern gemeinsam mit dem Kind vornehmen, damit es damit vertraut wird. Anleitungen dafür – sowohl für Android-Geräte als auch fürs iPhone bietet "Schau hin!" auf seinen Internetseiten.
Wichtiges Grundwissen für junge Smartphone-Nutzer:
- Sichere Passwörter verwenden und regelmäßig wechseln
- Mobile-Daten-Nutzung nur nach Absprache
- Antiviren-Apps (immer auf dem neuesten Stand halten!)
- Vor dem App-Einkauf: mit Eltern sprechen, Vorsicht vor Kostenfallen
- Bluetooth und GPS in der Regel ausschalten
"Viele Eltern schaffen ihrem Kind ein Handy an, um es mit entsprechenden Apps kontrollieren zu können", weiß Langer. Das empfehlen wir ausdrücklich nicht und raten dringend, GPS-Funktionen nur gezielt zu nutzen und ansonsten ausgeschaltet zu lassen, damit eben auch Fremde nicht den Aufenthaltsort des Kindes herausfinden können."
Eigene Daten schützen: Vorsicht beim Messenger
Kompetente Smartphone-Nutzer wissen: "In wessen Hände gelangen meine Daten, beispielsweise in den sozialen Medien, und wie werden sie weiterverarbeitet?", sagt Mediencoach Langer.
Ein Beispiel: Wer einen Messenger wie WhatsApp nutzt, der laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ein Mindestalter der Nutzer von 16 Jahren erfordert, gewährt in der Regel Zugriff etwa auf Fotos, Mikrofon und häufig den eigenen Standort. Bei WhatsApp ist standardmäßig zudem der Zugriff auf die Kontakte eingestellt – auch derer, die WhatsApp gar nicht verwenden.
Außerdem sammelt WhatsApp Metadaten der User und räumt sich in den Nutzungsbedingungen das Recht ein, diese auch an den Mutterkonzern Facebook weiterzugeben.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen übte aus diesen Gründen wiederholt Kritik an WhatsApp und empfiehlt, "generell solche Messenger zu verwenden, die weder Nachrichteninhalte noch andere Daten ihrer Nutzer zu Werbezwecken verwenden oder an andere Unternehmen weitergeben."
Marktwächter des Verbraucherzentrale Bundesverbands haben WhatsApp sogar verklagt, da sie die Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen für unzulässig halten. Die erste mündliche Verhandlung dazu findet im Februar 2020 vor dem Landgericht Berlin statt.
Tipp:
- Einen anderen Messenger installieren, etwa "Signal" – den sogar Edward Snowden nutzt - oder "Threema". Beide nennt auch die Verbraucherzentrale beispielhaft für weniger kritische Alternativen: "Signal etwa ist quelloffen (jeder kann also Einblick in den Quellcode bekommen, Anm.), sicher und vergleichsweise verbreitet. Threema hat den Vorteil, dass man den Messenger auch anonym nutzen kann", heißt es von der Verbraucherzentrale NRW auf Nachfrage unserer Redaktion.
Auch Langer hält es für bedenklich, dass bei WhatsApp die eigene Telefonnummer als Absender erscheint: "Das Risiko, dass Fremde zu meinem Kind Kontakt aufnehmen können, ist bei Messengern, die mit ausgefeilten Verschlüsselungssystemen arbeiten und auf die Weitergabe von Daten zu Werbezwecken verzichten, deutlich geringer."
Umgang mit Apps: Nutzer blockieren
Sexuelle Belästigung zählt zu den Risiken, die vor allem Apps mit sich bringen, bei denen der Austausch von Fotos im Mittelpunkt steht. "Insbesondere jüngere Kinder handeln spontan und sind ungeschützt", erklärt Langer, "die Anbieter großer sozialer Netzwerke sorgen oft nicht für einen angemessenen Jugendschutz." Wie schnell sich persönliche Fotos im Netz verbreiten können und wer sie mit welchem Interesse betrachtet, sei gerade für Kinder nicht überschaubar.
Zu unerwünschter Belästigung zählen aber auch Kettenbriefe: "Hier werden Kinder mit erfundenen Nachrichten textlich, per Foto oder Film mit Informationen beschickt, die sie erschrecken oder ängstigen können. Todesdrohungen bezogen auf Familienmitglieder oder Haustiere sind dabei nicht selten. Das sind intensive Medienerlebnisse, die es zu verhindern gilt und über die Eltern im Ernstfall mit ihrem Kind sprechen, damit es das Erlebte verarbeiten kann."
Tipp:
- "Das Kind ermuntern, den Eltern von etwaigen Belästigungen zu erzählen und unbedingt zeigen, wie man Nutzer blockieren oder melden kann."
Grundlagen von Copyright verstehen
Was darf ich überhaupt im Netz teilen? "Musik und Bilder, die nicht selbst erstellt wurden, sind in der Regel urheberrechtlich geschützt. Private Fotos von Bekannten dürfen nicht einfach verbreitet werden. Das verletzt nicht nur die Privatsphäre, sondern auch das Recht am eigenen Bild", betont Langer.
Kosten im Blick haben
Im Internet lauern zahllose versteckte Kostenfallen. "Für Kinder ist nicht immer gleich ersichtlich, dass für Erweiterungen von Apps oder virtuelle Währungen echtes Geld fließt. Netzanbieter bieten zudem oft an, Sonderrufnummern oder Anrufe ins Ausland zu sperren", erklärt Langer.
Sie rät auch, die Kinder wissen zu lassen, wie teuer die Anschaffung eines Smartphones und dessen Betrieb ist, und sie in verträglichem Anteil daran zu beteiligen.
Tipp:
- Damit Kinder eine Vorstellung der Kosten entwickeln, die bei der Smartphone-Nutzung zu Buche schlagen, starten Smartphone-Einsteiger mit einer Prepaid-Karte oder einem festen Budget im Mobilfunkvertrag.
Nutzungszeit einhalten
Ebenso wie die Inhalte, mit denen sich Heranwachsende am Smartphone oder Tablet beschäftigen, gilt es laut Langer, die Zeit im Blick zu behalten. Für Kinder im Alter von etwa zehn Jahren empfiehlt die Medienpädagogin, nicht länger als 45 bis 60 Minuten Bildschirmzeit am Tag einzuräumen.
Es sei immens wichtig, das Handy danach auch wirklich ausschalten zu können: "Nicht zuletzt, weil Kinder Zeit brauchen, um das eben Erlebte zu verarbeiten. Auch wenn ich 'nur' chatte: Ich tauche ja dabei stark in das Leben eines anderen ein. All das beschäftigt Gedanken und Gefühle und ich muss es verarbeiten", so Langer.
Praktische Hilfe: Der "Mediennutzungsvertrag"
Die Initiative "klicksafe.de" bietet einen "Mediennutzungsvertrag" an, den Eltern und Kinder online zusammen gestalten und herunterladen können. Der Vertrag wird dann von allen Beteiligten unterschrieben und soll helfen, Regeln zur Handynutzung verbindlich aufzustellen und einzuhalten.
Etwa können Formulierungen aufgenommen werden wie "Wenn ich mich irgendwo anmelden möchte oder neue Apps und Internetseiten ausprobieren möchte, bespreche ich das erst mit meinen Eltern."
Auch gibt es umgekehrt für die Eltern Regeln, etwa: "Ich spreche mit meinem Kind über (sexuelle) Belästigung und Umgang mit ungewollten Kontakten im Internet."
Goldene Regel: Über das Erlebte sprechen
"Das Internet kann überwältigend, faszinierend bis zutiefst verstörend sein für Kinder. Denken Sie allein an YouTube", sagt Langer, "schon die Werbung vor einem Clip ist oft völlig ungeeignet für Kinder. Zudem müssen wir Eltern bedenken: Bildliche Eindrücke wirken sehr massiv der Wahrnehmung Heranwachsender. Sie brauchen einen Ansprechpartner, der das Erlebte mit ihnen einordnet."
Tipp:
- Experten raten Eltern dringend, regelmäßig nachzufragen, was das Kind mit dem Smartphone erlebt. Kommunikation und Vertrauen seien sehr wichtig, damit das Kind sich an die Eltern wende, sollte es im Netz unangenehme Erfahrungen machen. Langer betont: "Auch alle technischen Sicherheitseinstellungen können diese wichtige Begleitung niemals ersetzen."
Verwendete Quellen:
- Interview mit Kristin Langer von "Schau hin!"
- Bitkom-Studie/dpa
- WhatsApp-Nutzungsbedingungen
- Auskünfte der Verbraucherzentrale Nordhrein-Westfalen
- Pressemeldung der Marktwächter des Verbraucherzentrale Bundesverbands zur Klage gegen WhatsApp
Offenlegung: WEB.DE und GMX gehören zur 1&1-Gruppe. Diese bietet auch Mobilfunkverträge und Smartphones an.
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