Ist die Mutter gestresst, wirkt sich das auf ihre Kinder aus, wie eine aktuelle Studie zeigt. Über eine Erkenntnis war das Forschungsteam überrascht: Jungen lassen sich mehr vom Stress ihrer Mama anstecken als Mädchen.

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Stress gehört für viele Eltern zu ihrem Alltag dazu. Arbeiten, den Haushalt schmeißen und dann noch die Kinder betreuen. Der Stress, den Mütter empfinden, ist allerdings keine individuelle Erfahrung, wie eine Studie am Uniklinikum Jena und dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig zeigt. Die Ergebnisse wurden im "Journal of Experimental Psychology: General" veröffentlicht.

Wenn eine Mutter gestresst ist, wirkt sich das laut der Studie auf ihre Kinder aus. Jost Blasberg, Psychologe und Erstautor der Studie, erklärt in einer Mitteilung des Universitätsklinikums Jena: "Kinder fühlen den akuten Stress ihrer Mütter sowohl emotional als auch physiologisch mit."

Studie: Kinder beobachteten Mütter in Stresssituation

An der Studie nahmen 76 Mütter und ihre Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren teil. Das Forschungsteam testete die Reaktion der Kinder auf den akuten Stress der Mutter. Ein Teil der Kinder beobachtete seine Mutter, während diese einem Stresstest ausgesetzt war. Kinder einer anderen Gruppe schauten ihren Müttern im Rahmen einer Kontrollgruppe beim Vorlesen zu.

Währenddessen überprüften die Forschenden den Kortisol-Spiegel der Kinder. Kortisol wird im Körper vermehrt bei Stress produziert. Kontrolliert wurde zudem der Pulsschlag der Kinder, der in Stresssituationen schneller wird. Auch die Herzratenvariabilität wurde erfasst. Diese zeigt an, wie sich die einzelnen Herzschläge im Laufe der Zeit verändern. Außerdem sollten sowohl die Mütter als auch die Kinder ihren empfundenen Stress auf einer Skala von eins bis sieben bewerten.

Kinder empfinden Stress der Mutter nach, Jungen mehr als Mädchen

Die Kinder der Stressgruppe empfanden den Stress ihrer Mutter nach. "Wir kommen zu dem Schluss, dass kleine Kinder, auch wenn sie nur leicht gestresst sind, spontan den mütterlichen Stress reproduzieren", heißt es in der Studie. "Das ist gut, denn wer Stress nachempfinden kann, ist eher gewillt, anderen zu helfen", sagt Blasberg. Kinder im mittleren Alter würden sich jedoch grundsätzlich "nicht so leicht vom Stress ihrer Mütter anstecken, wie wir das erwartet hatten".

Ein weiteres für das Forschungsteam unerwartetes Ergebnis hielt die Studie noch bereit. "Überrascht hat uns auch ein bisschen, dass Jungen stärker auf den Stress ihrer Mütter reagieren als Mädchen im selben Alter", so der Psychologe. Bei Jungen, deren Mütter sich in einer Stresssituation befanden, wurde mehr Kortisol ausgeschüttet als bei Mädchen. Und auch die Herzratenvariabilität fiel stärker ab. "Dafür haben wir noch keine Erklärung", sagt Blasberg. Auch in der Studie betont das Wissenschaftsteam, dass dieses Ergebnis "mit Vorsicht zu genießen" sei.

Hat der Stress der Mütter negative Einflüsse auf die kindliche Entwicklung?

Die Forschenden gehen davon aus, dass einzelne Situationen, in denen sich Kinder mit dem Stress ihrer Eltern anstecken, ungefährlich sind. Allerdings gibt Veronika Engert, Leiterin der Arbeitsgruppe Soziale Neurowissenschaft, zu bedenken, dass "angesichts der hohen kindlichen Abhängigkeit von den Eltern, gerade in Familien mit chronischer Stressbelastung das häufige Erleben von empathischem Stress die kindliche Entwicklung negativ belasten" könnte.

Da sich das Stresssystem in der Kindheit noch entwickele, könne eine häufige und ungerechtfertigte Aktivierung besonders lang anhaltende und schädliche Auswirkungen haben, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten deshalb weitere Studien für erforderlich, um die langfristigen Auswirkungen der empathischen Stresserfahrung von Kindern zu untersuchen. Zudem wollen sie erforschen, wie sich Stress bei Vätern auf Kinder auswirkt.

Verwendete Quellen:

  • National Library of Medicine, Studie "Empathic stress in the mother-child dyad: Multimodal evidence for empathic stress in children observing their mothers during direct stress exposure"
  • Pressemitteilung des Universitätsklinikums Jena: "Stresserella? Von wegen! Mädchen reagieren cooler auf gestresste Mütter als Jungen"
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