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Einmal auf die Lofoten, und dann gleich im Winter. Unsere Autorin liebt Schnee und Eis, Berge und Meer. Im Nordwesten Norwegens fand sie genau das und obendrauf noch humorvolle Menschen, die dem harten Leben gelassen gegenübertreten.

Die Möwen kreisen über uns. Sie kennen das Ritual, wenn Geir Halvard Nilssen mit seinem Boot hinausfährt. Die Fischabfälle sind für sie reserviert. Eine Etage weiter oben fliegen zwei Seeadler, auch sie begleiten den Fischer manchmal, wenn er auf seinen täglichen Ausfahrten im Winter die Netze einholt. Leise tuckert das Boot mit rotem Rumpf in den Austnesfjord hinaus. Gestartet sind wir im Hafen von Sildpollen, etwa 15 Autominuten von Svolvær entfernt, der mit knapp 5.000 Einwohnern größten Stadt der Lofoten.

Die Inselgruppe ganz im Nordwesten Norwegens, bekannt für ihre spektakuläre Bergkulisse und ihre Fjorde, stand schon lange auf meiner Reiseliste. Dass ich diesen Wunsch nun im Winter umgesetzt habe, ist kein Zufall: Ich liebe die kalte Jahreszeit und die Lofoten gelten als eines der schönsten Skitourengebiete des Landes. Insgesamt bin ich bald vier Monate von Februar bis Mai mit meinem Campervan und Hund Ralfi in Nordnorwegen unterwegs. Die Natur hat es mir angetan, aber auch die Menschen.

Der Fischfang ist allgegenwärtig

Nach etwa 20 Minuten Bootsfahrt navigiert Nilssen zu einer orangefarbenen Boje und ankert. Vor etwa zwölf Stunden hat er hier ein Netz ausgeworfen und hofft nun auf einen guten Fang. "Bisher hatten wir noch nicht viel Dorsch", sagt er und berichtet davon, dass sich diesen Winter weniger dieser wertvollen Fische, auch atlantischer Kabeljau genannt, in den Fjorden befinden. In den arktischen Gewässern der westlichen Barentssee genießt der Dorsch das global höchste Vorkommen.

Einst begründete der große Fischreichtum die Macht der Wikinger, auch heute ist Fisch, vor allem Lachs aus Aquakulturen, nach Öl das zweitwichtigste Exportgut Norwegens. Der Dorsch, vor allem der Skrei, ein Raubfisch, der bis zu 40 Kilogramm wiegen kann, gehört zur Identität und dem typischen Erscheinungsbild der Lofoten. Am Wegesrand sieht man den Dorsch als Stockfisch auf Holzgestellen trocknen, als Bacalao findet man diesen salzigen Fisch auf der ganzen Welt, zum Beispiel in traditionellen Fischsuppen in Portugal und Brasilien.

Nilssen greift das Netz und hängt es in einen automatischen Aufzug ein, der das Netz, in dem sich Fische und Krabben verfangen haben, auf seinen Arbeitstisch befördert. Mit einem Hakenmesser befreit er die Fische aus dem Geflecht, schneidet ihnen die Kehle durch und wirft sie in eine Tonne. Die Krabben wirft er zurück ins Meer. Am Ende befördert er auf diese Weise 200 Kilo aus dem Fjord. Schuppen, Blut und Salzwasser spritzen durch die Gegend. Nilssen ist nicht zimperlich, das habe ich auch nicht auf einem Fischerboot erwartet.

So geht norwegischer Humor

Er mache häufiger Ausfahrten mit Touristen. "Einmal hatte ich eine Schwedin mit an Bord", sagt er verschmitzt. Er gab ihr etwas Fischinnereien in die Hand, die in einem dicken Gummihandschuh steckte, und sagte ihr, sie solle ihre Hand ausstrecken, um die Möwen zu füttern. "Dann fragt sie mich doch ernsthaft, ob die Möwen Tollwut übertragen", sagt Nilssen und schüttelt den Kopf. Sticheleien gegenüber dem Nachbarland, aber auch gegen den Süden Norwegens, vor allem Oslo, sind typisch für die einheimischen Menschen hier.

Ich lache herzhaft. Den Humor der Nordnorweger habe ich in den vergangenen Wochen zu schätzen gelernt. Trocken, verspielt und ehrlich. Aber auch die Bodenständigkeit der Menschen im Norden gefällt mir. Sie arbeiten hart und arrangieren sich jeden Winter aufs Neue mit den harten Bedingungen. Daraus ergibt sich eine Gelassenheit, die auch auf mich übergegangen ist. Ich fühle mich entspannt wie selten. Die Hektik der großen Städte und deutschen Autobahnen habe ich längst hinter mir gelassen.

Neben Skrei (arktischer Kabeljau), Rødfisk (Rotbarsch) und Lyr (Pollack) landet auch Halibut, also Heilbutt, in Nilssons Netzen. Ein besonders schönes Stück hat den Weg in Siv-Hilde Lillehaugs Küche gefunden. Die Meisterköchin betreibt ein eigenes Restaurant in Henningsvær, einem Fischerdorf mit gut 500 Einwohnern, das man nur über Brücken erreicht. Der Ort ist vor allem bekannt für seinen Fußballplatz, der am Ende der kleinen Inselgruppe errichtet worden ist. Von ihm kursieren spektakuläre Drohnenaufnahmen in den sozialen Netzwerken.

Restaurant-Tipp: "Lofotmat" – Lillehaugs Restaurant

"Lofotmat", also Essen von den Lofoten, heißt Lillehaugs Restaurant. Sehr passend, weil sie vor allem lokale Produkte verarbeitet. Lofotmat befindet sich direkt an der schmalen Hauptstraße. Zwei Schaufenster lassen die warmen Sonnenstrahlen des Tages in den Raum. Die acht Tische sind bereits für den Abend eingedeckt. Siv-Hilde Lillehaug und ihr Mann Geir Robertsen haben sich auf die Zubereitung von Abendessen spezialisiert. Von Donnerstag bis Sonntag können ihre Gäste entweder von der Karte wählen oder sich ein Fünf-Gänge-Menü servieren lassen. "Mittagstisch bieten wir nicht mehr an, weil wir unseren Service mehr spezialisieren wollten", sagt Lillehaug.

Der Blick auf die Küche steht allen Besuchern frei. "Das ist Teil unseres Konzepts: Die Menschen, die zu uns kommen, sind keine Kunden, sondern unsere Gäste und dürfen uns bei der Arbeit zusehen", sagt sie. Auf diese Weise kreieren sie Abend für Abend eine familiäre Stimmung. Lillehaugs Küche ist dabei von ihren Reisen inspiriert, aber auch von ihrer Kindheit. Fiskekaker, die typischen Fischfrikadellen, habe ihre Oma schon für sie zubereitet, sie gehörten zu Norwegen wie die Fjorde oder süße Waffeln.

Lecker, herzhaft und simpel

Fiskekaker bestehen aus Schellfischfilet, Sahne und Kartoffelmehl. Lillehaug legt die weißen, runden Taler in eine gusseiserne Pfanne auf den Gasherd und brät sie goldbraun an. Dann richtet sie die Frikadellen auf einem Teller an, gibt einen Klecks selbstgemachter Remoulade mit frischen Kräutern dazu und lässt mich probieren. "Das duftet wie in meiner Kindheit", kommentiert sie meine ersten Bissen. Lecker, herzhaft und simpel, ein Essen, das ich mir nach einem Ausflug im Schnee wünschen würde.

Einige der Zutaten sammelt Lillehaug selbst, wie etwa Pilze, Beeren und Kräuter, die sie im Winter auch in getrockneter Form weiterverarbeitet. "Den Rest kaufe ich auf dem Markt", sagt sie. Exotische Gewürze wie Safran lässt sie anliefern. In einem tiefen Keramikteller serviert sie ein Stück saftig glänzendes Heilbuttfilet auf einem Bett von fein geschnittenem Gemüse. Als ich den Fisch anschneide, zerfällt er fast vor Zartheit. "Wunderbar", sage ich, während ich mir Fisch und Gemüse auf die Gabel schiebe. Als ich mich von dem Ehepaar verabschiede, lädt mich Siv-Hilde Lillehaug ein, sie im Sommer wieder besuchen zu kommen. "Dann gehen wir zusammen Beeren sammeln", sagt sie. In Gedanken markiere ich mir den August in meinem Kalender.

Knut Åland und seine Ziegen

Mein nächster Stopp führt uns in ein kleines Seitental in der Nähe von Bøstad und hält ebenso aromatische Überraschungen parat. Zunächst für meine Nase. Knut Åland öffnet die Tür zum Ziegenstall und uns strömt der unvergleichliche Geruch entgegen. Neugierig gucken sie uns an, meckern aufgeregt, hoffen wohl auf ihr Abendessen. Dafür ist es an diesem Nachmittag noch etwas zu früh. Ich gehe hinein und stürze mich mitten ins Getümmel. Einige Zicklein rücken mir auf die Pelle, zerren an meinem Hosenbein und ziehen die Schnürsenkel meiner Winterstiefel auf.

"Hey", rufe ich und nehme eines der Zicklein, ein weißes mit schwarzen Flecken, auf den Arm. Es streckt seine vier Beine von sich, dreht seinen Kopf aber in meine Richtung und kaut auf meinen Haaren herum. "Den Winter verbringen die Ziegen im Stall, aber nach der Schneeschmelze im Mai grasen sie auf den umliegenden Hängen", erklärt Knut Åland. Wirklich vorstellen kann ich mir das nicht, weil jetzt im März alles von Schnee bedeckt ist. Wenig später begrüßt uns Tove Åland, Knuts Frau, mit Kräutertee, Gebäck und Ziegenkäse im Haus nebenan. Das Ehepaar übernahm den Bauernhof "Aalan Gård" schon vor etwa 40 Jahren, damals lebten dort gerade mal 28 Ziegen.

Eigene Käserei & Hofladen

Heute hat sich ihre Zahl fast verzehnfacht, zudem betreibt die Familie eine Käserei und einen kleinen Hofladen mit lokalen Produkten wie Käse, Marmeladen, Strickwaren aus Schafswolle und Kunsthandwerk. Tove Åland zeigt mir Bilder von saftigen Wiesenhängen und ihrem Kräutergarten. "So sieht es bei uns im Sommer aus", sagt sie. Ich bin beeindruckt. Ihren Tee und Käse können Gäste sogar auf den Hurtigruten genießen, den Postschiffen, die die Küste Norwegens abfahren und die Ålands regelmäßig beliefern.

Mit ihrem Hof hätten sie sich ihren Lebenstraum verwirklicht. "Wir lieben, was wir tun", sagt Knut Åland. Ich nehme ein Stück vom Capra, einem preisgekrönten, weichen Ziegenkäse, und lasse ihn mir auf der Zunge zergehen. Die Liebe, die schmeckt man, denke ich mir. Einen meiner größten Lebensträume habe ich mir mit meiner Reise auch erfüllt. Und ich weiß ganz sicher: Ich komme wieder, zum Beerensammeln und Entspannen.

Lofoten – Tipps & Infos

Anfahrt: Verschiedene Wege (mit und ohne Fähre) führen auf die Lofoten. Ich habe mich für die Anreise über Dänemark (Öresund- und Storebaeltbrücke, Kosten etwa 90 Euro) und Schweden (E45) entschieden. Die stets gut geräumte Europastraße führt mautfrei von Göteborg bis nach Kiruna, dort fährt man westwärts nach Kiruna (auch einen Besuch wert!) und weiter auf die Lofoten.

Einreise: Mit einem EU-Personalausweis reist man für eine Reisedauer bis zu drei Monaten problemlos nach Norwegen ein. Wer länger bleiben will, beantragt spätestens zwei Wochen nach Einreise eine Aufenthaltsgenehmigung bei der norwegischen Polizei. Alkoholika, Tabakwaren und weitere Produkte unterliegen strikten Einreisebestimmungen. Auch für Heimtiere gelten Regeln wie Impfungen und Chip (auch für Schweden!). Hunde fahren auf Fähren entweder im Auto oder in extra Boxen unter Deck mit.

Reisezeit: Grundsätzlich kann man das ganze Jahr über auf die Lofoten reisen. Im Winter eignet sich der Zeitraum ab Mitte Februar (Tage wieder länger) bis Mitte/Ende April. Die Wintermonate habe ich als ruhig erlebt, selten sind mir andere Camper begegnet. Die Hotspots, die im Sommer oft überfüllt sind, hat man im Winter für sich allein. Dringende Reiseempfehlung.

Vor Ort: Wichtig: Vorab mit dem Thema Maut auseinandersetzen. Anbieter wie ØresundPAY ermöglichen die automatische Zahlung auf Brücken, Fähren und Mautstraßen in ganz Skandinavien mit Hilfe eines Transponders, der an der Windschutzscheibe angebracht wird. In Norwegen zahlt man alles mit Kreditkarte und benötigt kein Bargeld. Darauf achten, dass man eine Karte mit niedrigen Gebühren für den internationalen Einsatz besitzt. Norwegen ist grundsätzlich teurer als Deutschland, aber im Winter 2022 war die Norwegische Krone recht schwach. Im Vergleich zum Vorjahr habe ich 20 Prozent gespart. Also nicht von einer Reise abhalten lassen und lieber mal den Wechselkurs checken.

Gasversorgung: Oberhalb des nördlichen Polarkreises sind die Städte und Supermärkte rar gesät, dafür sind die Tankstellen sehr gut mit allem ausgestattet, was man als Wintercamper benötigt. Ich hatte für meinen Jetboil-Gaskocher auch Wintergaskartuschen dabei.

Straßenverhältnisse: Das war vorab meine größte Sorge: Werde ich mit meinem Bus ohne 4x4 durch den Polarwinter kommen? Ja, das war kein Problem, weil der Straßendienst sehr zuverlässig arbeitet. Wichtig sind hochwertige Winterreifen mit sehr gutem Profil. Solang man auf den öffentlichen Straßen bleibt, benötigt man auch keine Spikes. Schneeketten und Streugut für eisige Passagen einpacken.

Sicherheit: Norwegen und die Lofoten gelten als sehr sicher. Auch als Frau allein habe ich mich Tag und Nacht sicher und wohl gefühlt.

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Übernachten: In Norwegen gilt das Jedermannsrecht, das heißt: Zelten ist unter gewissen Umständen erlaubt. Camper nehmen dieses Recht gern auch für sich in Anspruch, was aber als Grauzone zu werten ist. Weil der Campingboom auf den Lofoten vor allem im Sommer überhandnimmt, gilt anders als in anderen Gegenden in Norwegen auf vielen Parkplätzen Übernachtungsverbot. Unbedingt auf Schilder achten und diese respektieren. Für die Stellplatzsuche habe ich die App Park4Night verwendet.  © Promobil

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