London (dpa) - Geräucherter Fisch, italienischer Käse, kunstvolle Törtchen - Mitte Juli schieben sich die Menschen auf dem Borough Market in London durch die engen Gassen vorbei an Köstlichkeiten aus aller Welt. Nichts deutet mehr darauf hin, dass der Markt vor einigen Wochen Ziel eines Anschlags war.
Der Borough Markt und die nahe London-Bridge waren knapp sieben Wochen zuvor Ziele einer Terrorattacke mit acht Todesopfern. Insgesamt wurden bei Anschlägen seit März 2017 in Großbritannien 36 Menschen getötet.
Der Terror traf London inmitten eines touristischen Booms. Der Kursverfall des Britischen Pfunds nach dem Brexit-Votum im vergangenen Jahr lockte viele Urlauber in die britische Hauptstadt. Jüngsten Zahlen zufolge kamen im April diesen Jahres 42 Prozent mehr Urlauber nach London als im Vorjahresmonat. Im ersten Quartal 2017 erreichten die Besucherzahlen mit 4,5 Millionen ausländischen Touristen einen Rekord.
Sollte dieser Aufschwung durch die Terroranschläge abgewürgt werden? Merlin Entertainments, die Betreiberfirma hinter dem Riesenrad London Eye und dem Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds, verzeichnete unmittelbar nach den Anschlägen einen Rückgang bei den inländischen Buchungen für Tagesausflüge. Schwieriger festzustellen scheint es, ob sich der Terror auf die Besucher aus dem Ausland auswirkt. Noch sind keine verlässlichen Besucherzahlen für Juni und Juli zu bekommen.
Es gibt aber Hinweise, dass sich London und Großbritannien als erstaunlich robust erweisen könnten. Das Unternehmen Forward Keys hat Millionen von Daten aus den Buchungssystemen von Reisebüros weltweit ausgewertet. Daraus geht hervor, dass die Terroranschläge in Großbritannien allenfalls kurzfristige Auswirkungen auf das Buchungsverhalten ausländischer Urlauber hatte. "Drei Wochen nach dem London-Bridge-Anschlag waren die Buchungen wieder höher als im Vorjahr", sagt David Tarsh von Forward Keys.
Diesen Eindruck bestätigt auch der Reiseveranstalter Tui. "Wir sehen keine Auswirkungen, die Nachfrage nach Londonreisen ist groß. In der aktuellen Sommersaison verzeichnen wir ein kräftiges Buchungsplus. Urlauber profitieren von der Abwertung des britischen Pfunds", teilte eine Tui-Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Ganz anders hatte es in Paris nach den Anschlägen vom November 2015 ausgesehen. Damals waren die Buchungen vollkommen eingebrochen und erholten sich nur langsam. Bislang kann nur spekuliert werden, warum sich das in London nicht wiederholt.
Der günstige Wechselkurs sei für viele Urlauber ein "stärkerer Anziehungsfaktor als die Abschreckung durch den Terror", sagt David Tarsh. Dazu komme, dass London als Tourismusziel vielfältiger sei als andere Städte. Das Königshaus, die Museen mit kostenfreiem Eintritt, Theater und Restaurants seien starke Besuchermagnete.
Auch die Touristen auf dem Borough Market lassen sich von den jüngsten Ereignissen nicht beeindrucken. "Ich liebe London und der Borough Market ist super", sagt der 29-jährige Devin Sullivan, ein US-Amerikaner, der seit vielen Jahren in Schweden lebt. "Wir hatten auch in Stockholm einen Terroranschlag und ich denke, wenn du dich davon abhalten lässt, gewinnen die Terroristen. Man ist sich schon bewusst, dass große Menschenansammlungen ein Ziel sein könnten. Aber statistisch gesehen ist die Chance, Opfer einer Terrorattacke zu werden, sehr gering."
"Natürlich sind die Terroranschläge etwas, worüber du nachdenkst und man ist auch irgendwie wachsamer", meint Hayley aus den USA, "Ich glaube, man kann sagen, dass die Leute ihre Umgebung schon aufmerksamer beobachten als vorher." Aber es gäbe keine Plätze, die sie explizit meide, sagt die 25-jährigen Flugbegleiterin. "Ich werde auch später noch auf die London Bridge gehen."
Sulamith, eine 35-jährige Kindergärtnerin aus Berlin, besucht London zum ersten Mal. Von den jüngsten Ereignissen hat sie sich nicht abschrecken lassen: "In London ist viel passiert und wir hatten schon Respekt davor, aber es stand nicht außer Frage, dass wir hierher kommen", meint sie. "Ehrlich gesagt, haben wir mehr Angst vor Taschendieben als vor solchen Sachen". © dpa
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