Reiseveranstalter und Hotels in Europa haben einen Trend entdeckt – den gewinnträchtigen Tourismus mit strenggläubigen Muslimen, "Halal-Tourismus" genannt. Wer attraktiv für muslimische Urlauber sein will, muss allerdings einiges beachten, wie einige Beispiele aus Österreich zeigen.

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Zwölf Milliarden Euro: So viel geben Touristen aus arabischen Ländern jährlich in etwa für ihren Urlaub aus. Der muslimische Tourismus ist eines der am schnellsten wachsenden Segmente in der Reiseindustrie.

Von diesem Kuchen will auch der österreichische Tourismus etwas abbekommen. Dazu gehört einiges an Raffinesse, wie am Mittwoch das ORF-"Weltjournal" berichtete.

Vom eleganten Schloss in Frankreich über ein Halal-Hotel in der Türkei und einen Tourguide in Australien bis hin zum heimischen Zell am See besuchte das „Weltjournal“-Team Veranstalter, Hoteliers und muslimische Gäste, um dem Trend auf den Grund zu gehen.

Gebetsteppich und Koran im Hotel

Veranstalter und Hoteliers müssen einiges beachten, wenn sie muslimische Gäste anziehen wollen, wie das Beispiel des französischen Schloss-Hotels La Roche Tinard zeigt.

Im Gästehaus für Muslime gehört der Koran zur Grundausstattung. In jedem der Zimmer wird ein Gebetsteppich zur Verfügung gestellt und die Richtung nach Mekka angezeigt. Das Essen ist Halal, also nach islamischen Regeln zubereitet, und es herrscht strenges Alkoholverbot.

Auflagen, die die Besitzerin des Hotels, selber seit Jahren eine Muslima, gerne für ihre Gäste erfüllt. "Ich habe einmal miterlebt, wie eine Frau, nur weil sie Kopftuch trug, in einem Hotel abgelehnt wurde. Deshalb habe ich vor sechs Jahren beschlossen, das Gästehaus für muslimische Urlauber zu eröffnen“, so die Besitzerin Isabelle.

Zell am See: Vorgeschmack aufs Paradies

Nach einigen Koran-Interpretationen soll das Paradies das genaue Gegenteil davon sein, was Gläubige im Diesseits erleben. Für die arabischen Touristen, die aus Wüstengegenden kommen, wirkt daher Zell am See mit seinen Bergen, Seen, saftigen Wiesen und grünen Tälern wie das Paradies auf Erden und ist daher ein beliebtes Urlaubsziel.

Mehr als 70.000 Touristen aus arabischen Ländern verbringen jedes Jahr in der 10.000 Einwohner zählenden Kleinstadt ihren Sommerurlaub. Sie sind willkommene Gäste, geben sie doch dreimal so viel Geld aus wie europäische Touristen.

Kellner sprechen Arabisch

Deshalb hat man sich an die arabischen Gäste angepasst. Es gibt Schilder auf Arabisch und orientalische Restaurants, in denen die Kellner Arabisch sprechen.

Mohsen Ali Soleiman, ein irakischer Kurde, war vor zehn Jahren der erste hier, der sein Geschäft auf die muslimische Kundschaft eingestellt hat. Mittlerweile betreibt er mit seiner Familie zwei Restaurants und einen Halal-Supermarkt.

"Wir sind mit dem Geschäft sehr zufrieden, wir sind die Nummer eins. Aber Zahlen nenne ich keine, ich will niemanden scharfmachen, ich will nicht, dass hier eine Konkurrenz aufmacht", so Mohsen Ali Soleiman.

"Knigge" für muslimische Gäste sorgte für Unmut

Doch der Umgang zwischen den arabischen Urlaubern und den Einheimischen läuft nicht immer reibungslos ab. 2014 wurde deshalb vom Fremdenverkehrsbüro eine Art "Knigge" für das "richtige" Verhalten im Salzburger Kulturraum herausgegeben.

Die mittlerweile wieder aus dem Verkehr gezogene umstrittene Broschüre mit dem Titel "Where Cultures Meet" war als Orientierungshilfe gedacht und gab allgemeine Hinweise zu den heimischen Gepflogenheiten.

Einige Beispiele: Österreichische Frauen sind frei in ihrer Kleiderwahl. Schwarz signalisiere Trauer, und die Pinzgauer seien es gewöhnt, in die lächelnden Gesichter der Menschen zu schauen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen und Vertrauen zu fassen.

Außerdem stand im Handbuch, dass Kinder im Auto angeschnallt werden müssen, Müll müsse in Mülleimer geworfen werden, im Hotelzimmer dürfe man nicht auf dem Fußboden essen und die Preise beim Einkauf seien nicht verhandelbar.

Autovermieterin: "Man will das Geld, aber nicht die Saudis"

Auch bürokratische Hürden galt es für die saudi-arabischen Urlauber zu überwinden. Da Saudi-Arabien die entsprechenden Genfer-, Pariser-, und Wiener-Konventionen nicht unterschrieben hatte, wurden die Führerscheine in Österreich nicht anerkannt. Damit durften saudische Touristen keine Autos mieten oder lenken.

Erst als Saudi-Arabien kürzlich die Wiener Konvention unterschrieb, kehrte wieder Ruhe ein. "Man hat etwas gesucht, um arabische Gäste wieder aus Österreich hinausbringen zu können. Man will das Geld, aber nicht die Saudis", mutmaßt da Autovermieterin Sigrid Wells.

Wie sich das Burka-Verbot, das im Oktober in Kraft tritt, auf den Tourismus auswirken wird, ist noch unklar. Muslimische Touristen werden sich aber wohl auch davon nicht abschrecken lassen, den Vorgeschmack auf das Paradies in Zell am See zu genießen.

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