Um gleich mal mit dem ersten Vorurteil aufzuräumen: Südengland hat ein sehr mildes und stabiles Klima, das nicht nur für Palmen und satte Landschaften sorgt, sondern auch im September noch T-Shirt-Wetter mit nur wenig Niederschlägen hat. In über drei Wochen werden wir nur zwei Mal Regen erleben. Und als wir naiv denken, Mensch, was für ein Glück wir doch haben, klären uns Einheimische auf, dass es eigentlich jedes Jahr so ist.

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Ein Blick in die Wettertabelle bestätigt dies. Durch den Golfstrom bleiben tags die Temperaturen bei um die 18 Grad und obendrein hat die Gegend die geringste Niederschlagsmenge in Großbritannien. Da dem Anschein nach viele Herbstcamper den Süden Englands jedoch nicht auf dem Zettel haben, überwiegt das Angebot an freien Campingflächen bei weitem die Nachfrage und man bekommt auch ohne vorige Anmeldung großartige Plätze mit teils wunderschönem Meerblick.

Single-Track-Roads in Cornwall

Niemand, der je einen Rosamunde-Pilcher-Film gesehen hat, muss wohl davon überzeugt werden, was für ein fast schon kitschig schön anmutendes Fleckchen Erde dies ist. Die Küste ist gesäumt von vielen kleinen, süßen Fischerdörfern, Stränden und Felsformationen. Was uns bis dahin allerdings nicht bekannt war, ist, dass es einen großartigen "Coastal Hike" entlang der gesamten Küste gibt, auf dem man, ob für kurze oder längere Strecken, fantastische Wanderungen machen kann. Immer wieder spazieren wir kleinere Abschnitte entlang und sind überwältigt von der Schönheit der Küsten: Die Ostküste längs des Ärmelkanals ist ein wenig sanfter, während es an der Atlantikküste schroffer zugeht. Hier finden wir auch die beliebten und bekannten Surfspots, inklusive der langen und breiten Strände mitsamt den tollen, bunten Badehäuschen.

Ein weiteres Highlight in Cornwall, dem südwestlichsten Zipfel Englands, sind die Single-Track-Roads, manchmal umgangssprachlich auch "Straßen der Freundlichen" genannt. Um an Küstenorte oder Buchten zu kommen, nimmt man meist einspurige, mit hohen Hecken gesäumte Fahrbahnen. Bei entgegenkommendem Verkehr muss dann stets einer von beiden in eine der extra angelegten Haltebuchten zurücksetzen. Für geübte Fahrer mit einem Van kein echtes Problem, bei größeren Wohnmobilen sollte man jedoch auf die Beschilderung achten und nur die Straßen befahren, die auch das Ausweichen größerer Fahrzeuge zulassen. Diese Sträßchen sorgen automatisch für Entschleunigung und strahlen so einen besonderen Charme auf uns aus, dass wir sie sogleich nach Verlassen der Grafschaft wieder vermissen.

Ungewöhnliche Mini-Campingplätze

Großbritannien bietet Campenden drei großartige Alternativen zu konventionellen Campingplätzen. Viele Bauern haben sich ein zweites Standbein aufgebaut, indem sie Campern auf ihren nicht genutzten Flächen die Möglichkeit zur Übernachtung anbieten. Häufig liegen genau diese Orte dann auch direkt an den Küsten und bieten somit einen grandiosen Blick auf das Meer. Zumeist einfachere, aber vollkommen ausreichende Sanitäranlagen runden das Angebot ab. Im Sommer, wenn Hochbetrieb herrscht, ist sicherlich mehr Geduld gefragt. Doch wir sind teilweise die einzigen Gäste und haben freie Platzwahl.

Finden und buchen kann man diese Mini-Campingplätze über Farmstay, Hipcamp oder Pitchup. Zugegebenermaßen sind die Seiten anfänglich ein wenig ungewohnt, aber sobald man sich mit den Filtermöglichkeiten angefreundet hat, kann man hier wahre Schätze entdecken.

Campen am Pub

Zu einer Englandreise gehört ganz selbstverständlich auch der Besuch in einem Pub. Und weil das Fahren mit dem einen oder anderen Pint natürlich keine Option ist, hat sich eine weitere tolle Möglichkeit etabliert. Denn einige Pubs lassen Camper kostenlos übernachten, sofern man bei ihnen etwas konsumiert. Die Ausstattungen variieren – die Bandbreite reicht von der einfachen Wiese hinterm Haus (ohne Sanitärzugang außerhalb der Öffnungszeiten) bis zum richtigen Campingplatz-Style.

Lohnend ist diese besondere Art des Campens allemal, denn die Pubs sind zumeist mega-urig und sehr gemütlich. Neben frisch gezapftem Bier stehen viele britische Leckereien auf der Speisekarte. Wir hatten ehrlicherweise vorab nicht sonderlich große Erwartungen an die englische Küche und rechneten überwiegend mit frittierten Gerichten. Doch wir werden eines Besseren belehrt und sehr positiv überrascht, denn es gibt viele moderne Interpretationen klassischer Gerichte und sogar an entlegenen Orten immer vegetarische oder vegane Optionen. Und man sollte sich auf keinen Fall den Toffee-Pudding zum Nachtisch entgehen lassen. Oder die Scones mit Clotted Cream und Erdbeermarmelade zur Tea Time am Nachmittag, very british und sehr yummy.

Freistehen im Dartmoor Nationalpark

Die dritte Option neben konventionellen Campingplätzen ist das Freistehen, zumindest wenn man sich im Dartmoor Nationalpark befindet, denn dort ist das Campen für bis zu zwei Nächte erlaubt. Streng genommen gilt das allerdings nur für Zelte. Wir finden hier wunderschöne Plätze inmitten der Natur. Dank vieler öffentlicher Toiletten, die meistens viel sauberer sind als die in Deutschland, können wir gut mal eine Nacht mit Bulli "wild" campen.

Unfassbare Gastfreundlichkeit

Für alle Hundebesitzenden, die vielleicht Bedenken haben, ihre Vierbeiner mitzunehmen, geben wir Entwarnung. Wir haben vorab recherchiert, denn schließlich hat der Brexit die Einreisebedingungen verschärft. Wenn man diese jedoch befolgt, gibt es keine Probleme. Ganz im Gegenteil, die Engländer sind sehr hundebegeistert und letztlich war England von all unseren bis dato bereisten Ländern das absolut hundefreundlichste.

Die Gastfreundlichkeit endet jedoch nicht bei den Vierbeinern, auch wir werden überall sehr freundlich empfangen. Mehrfach berichtet man uns mit Bedauern, dass nicht mehr so viele ausländische Camper-Reisende kämen, seitdem Großbritannien die EU verlassen hat. Schade, denn dieses Land hat doch sehr viel zu bieten und ist zudem ein sehr sicheres und unbedenkliches Reiseziel. Nur vor den Möwen sollte man sich tunlichst in Acht nehmen, denn das sind die wahren Gangster der Küstenörtchen. Sie stehlen einem die Cornish Pasty, das typischen Gebäck der Gegend, schneller, als man "Oh dear" sagen kann.

Anreise über Calais-Dover

Soweit alles gut und schön, aber was ist mit der Überfahrt und dem Linksverkehr? Wir haben uns für die Fähre von Calais nach Dover entschieden. Der Hafen in Calais ähnelt Fort Knox und man sollte die Nacht vor der Überfahrt, ob mit Fähre oder durch den Tunnel, vielleicht lieber ein wenig außerhalb statt auf einem der Stellplätze am Hafen verbringen. Mehr über die Fährverbindungen gibt es hier.

Wir übernachten auf belgischem Gebiet bei einem Bauern, der eine großartig ausgestattete Campsite eingerichtet hat. Die Autos werden beim Einchecken am Hafen stichprobenartig durchsucht, daher sollte man mindestens eine Stunde vor dem Ablegen vor Ort sein. Die Überfahrt selbst ist dann eher kurzweilig und alsbald kann man schon die weißen Kalkfelsen von Dover erspähen.

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An den Linksverkehr gewöhnt man sich auch überraschend schnell. Die ersten Kilometer nach der Fähre sind bereits so angelegt, dass es Ausländern einfach gemacht wird. Und wenn man dann erst einmal im Verkehrsfluss ist, dann läuft’s eigentlich auch schon. Nur nach längerer Pause oder bei Fahrtantritt muss man sich anfangs etwas mehr konzentrieren. Mehr zu Verkehrsregen in Europa gibt es hier.  © Promobil

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