Kaum zu glauben, dass im August 2022 in den Niederlanden wegen Wassermangels der Notstand ausgerufen wurde. Wer durch die im Landesinneren gelegene Region Utrecht in den Niederlanden streift, wird nicht leicht einen Standort finden, von dem aus kein Fluss, kein Kanal, keine Gracht, kein See zu erblicken ist. Wasser, Wasser, wo man hinschaut, vom Lek im Süden, dem 62 Kilometer langen Mündungsstrom des Rheins, bis zum Eemmeer im Norden, einem der Seen, die seit 1932 im Zuge der Landgewinnung in der ehemaligen Zuiderzee entstanden sind.
Die erste Station unserer kleinen Wasserrunde, für die wir uns über das Portal goboony.de ein hübsches Mietmobil aus privater Hand angelacht haben, ist Wijk bij Duurstede. Hier zweigt der Kromme Rijn vom Niederrhein ab und mäandert munter gen Utrecht. An ihm entlang locken Spaziergänge und Radtouren.
Über Wijks Altstadt thronen die "Grote Kerk", ein gotischer Backsteinbau mit einem mächtigen Turm-Torso, und die "Molen Rijn en Lek". 1659 wurde die Mühle auf dem Stadttor am Übergang vom Rhein in Lek und Kromme Rijn aufgebaut. Bis heute wird hier mit Windkraft Getreide gemahlen. Kasteel Duurstede, das Wasserschloss, auf einer kleinen Insel malerisch von einem Park umgeben, ist ein weiteres Glanzlicht.
Radausflug zum versunkenen Wald
Kann ein Wald im Wasser versinken? In der Region Utrecht kann er. Um sich das Ergebnis anzuschauen, radelt man vom Camping ’t Boomgaardje aus etwa 40 Minuten nach Westen am Kanal entlang zum "Verdronken Bos", durch den man auf hölzernen Stegen spazieren kann.
Glücklich, wer in IJsselstein, 35 Kilometer westlich von Wijk, ein Boot besitzt. Ein wenig beneiden wir die Menschen hier, die an den Grachten wohnen, auf denen die Fortbewegung so friedlich anmutet. Momente der Ruhe genießen wir aber auch in der St. Nicolaasbasiliek, der lichtdurchfluteten neugotischen Kirche an der Stadsgracht. Pflicht bei jeder Reise nach NL: Käse kaufen! In der Benschopperstraat finden wir reichlich, was wir suchen.
Das Navi will uns auf der Weiterfahrt nach Oudewater immer wieder auf Sträßchen lenken, die an Wassergräben entlangführen und so schmal sind, dass wir bei Gegenverkehr kaum ausweichen können. Das nächste Mal bringen wir mehr Zeit mit und radeln hier lieber. Die bestens erhaltene Altstadt Oudewaters entzückt uns.
Wie viele Besucher steigen auch wir im Museum "De Heksenwaag" auf die historische Waage. Kaiser Karl V. hatte der Stadt im Jahr 1545 das Privileg bestätigt, der Hexerei bezichtigte Personen durch Wiegeproben freizusprechen. Als mit Brief und Siegel ausgewiesene Nichthexe und -hexer werden wir nach dem Museumsbesuch beruhigt nebenan im modernen Grand Café Hex oder im urgemütlichen Eetcafé Lumière einkehren.
Wasserschloss Kasteel de Haar & Utrecht
Nach einer ruhigen Nacht im Motorhome park Polderhaan zieht es uns zum größten Schloss der Niederlande, zum Kasteel de Haar – einem Wasserschloss, versteht sich. Idealerweise besorgt man sich vorab Eintrittskarten und Parkticket. Doch Achtung: Für größere Mobile ist der beengte Parkplatz nur schwer zu entern; wer kann, reise besser mit dem Fahrrad an.
Was sich dann hinter den Eingangstoren auftut, überwältigt uns. Zwischen 1892 und 1912 hatten Baron Étienne van Zuylen van Nyevelt van de Haar und seine Gemahlin Hélène de Rothschild auf der mittelalterlichen Ruine mit Rothschild’schem Geld ein prunkvolles Schloss im neugotischen Stil errichten lassen, in dem sich in späteren Jahrzehnten die Schönen und Reichen die Klinke in die Hand geben sollten. Schloss und Park sind unbedingt einen ganzen Besichtigungstag wert. Das gleichfalls sehenswerte Slot Zuylen, nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt und wiederum von Wasser umgeben, verblasst da im direkten Vergleich etwas.
Jetzt wird es aber Zeit, auch der Stadt Utrecht einen Besuch abzustatten – am besten wiederum vom Stellplatz aus mit dem Fahrrad oder öffentlich, denn mobiltaugliche Parkmöglichkeiten in Zentrumsnähe sind rar und teuer. Viel gäbe es in der Stadt zu erleben. Wir entscheiden uns diesmal für einen Shopping-Bummel entlang der Oudegracht und verbringen kurzweilige Stunden im "Museum Speelklok", wo Spieluhren und mechanische Musikinstrumente aller Arten und Größen bestaunt und belauscht werden können.
Spakenburg: Altes Fischerdorf & traditionelle Holzschiffe
Fehlt noch ein Ausflug an den nördlichen Rand der Region, nach Spakenburg, einem alten Fischerdorf. Vom Stellplatz am Jachthaven aus spazieren wir durch den pittoresken Museumshafen und fühlen uns in alte Zeiten zurückversetzt. Dutzende traditionelle, Botter genannte Holzschiffe liegen hier am Kai, und in der ältesten Schiffswerft der Niederlande arbeiten bis heute beständig Schiffszimmerleute daran, die Botterflotte in Schuss zu halten. Klar, dass bei uns heute Abend Fisch auf dem Speiseplan stehen wird. Online können Segeltörns mit einem Botter gebucht werden, Infos dazu gibt es auch im Museum in der Oude Schans 47–63.
Eigentlich wollten wir ja unbedingt auch noch das Waterlinie Museum in Bunnik besuchen. Da hätten wir lernen können, wie mittels eines ausgeklügelten Schleusensystems ganze Landstriche kontrolliert überflutet werden konnten, um im Verteidigungsfall die Angreifer im Morast versinken zu lassen. Doch wegen Regenwetters ist dieser Programmpunkt für uns diesmal leider ins Wasser gefallen ...
Der besondere Tipp: Utrechtse Kroket
Exquisite Gaumenfreuden aus aller Welt finden sich in vielen Restaurants des Landes. Zu den schlichteren heimischen Spezialitäten zählen neben Haring met Ui (roher Hering mit Zwiebeln) und Pannekoeken (herzhafte oder süße Pfannkuchen) auch Kroketten in allerlei Varianten. Die regionaltypische "Utrechtse Kroket" wird mit Brot, Senf und Salat serviert. Die panierten und frittierten Röllchen bestehen aus fein gehacktem Rindfleisch mit Gewürzen, Kräutern, Bouillon, Mehl und Butter. Ein Genuss zum Beispiel im Restaurant Bistro Belle beim Schloss Zuylen.
Stellplätze in und um Utrecht
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