Seit dem 24.Februar 2022 gibt es wieder einen Krieg in Europa. Und in einem Krieg ist es ungleich schwieriger, an verifizierte Quellen und Fakten zu gelangen. Umso wichtiger ist es dabei für unsere Redaktion, bei der Berichterstattung noch genauer hinzusehen: Was ist wahr, was zumindest fragwürdig? Welchen Quellen können wir trauen? Über was berichten wir – und über was nicht? Denn auch in diesem Krieg gilt: Propaganda und Desinformation gibt es auf beiden Seiten.
Weinende Mütter, schreiende Kinder, zerstörte Häuser: Die Bilder, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, sind bedrückend, verstörend und oftmals nur schwer zu ertragen. Auch für Journalistinnen und Journalisten, die es in ihrer täglichen Arbeit gewohnt sind, mit solchen Bildern konfrontiert zu werden.
Dabei eine Distanz zu den Geschehnissen zu wahren, ist nicht leicht – und dennoch unabdingbar für eine seriöse, faktenbasierte Berichterstattung, die die Menschen in die Lage versetzen soll, sich ein eigenes, umfassendes Bild vom Krieg in der Ukraine zu machen.
Dabei geht es nicht darum, eine künstliche "Balance" in der Einschätzung beider Kriegsparteien zu wahren – zu eindeutig sind bei diesem Angriffskrieg die Fakten, die Putin klar als den Verursacher des Leids, das derzeit Hunderttausende von Ukrainerinnen und Ukrainern zur Flucht zwingt, ausmachen.
Vielmehr geht es darum, trotz dieser Eindeutigkeit zu unterscheiden, was wahr ist und was nicht. Was plausibel erscheint und was nicht. Und: Was Kriegspropaganda ist (die es auf beiden Seiten gibt) und bei welchen "offiziellen" Informationen zumindest Vorsicht geboten ist.
Welche Information veröffentlichen wir – und welche nicht?
Wir verwenden Informationen sowie Text-, Bild- und auch Video-Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters. Diese Agenturen haben entweder eigene oder Pool-Reporter vor Ort und beziehen ihre Informationen aus gesicherten Quellen, deren Verlässlichkeit genauestens überprüft wurde. Hierbei berufen wir uns auf das Agenturprivileg.
Bei Informationen, die nicht von einer Nachrichtenagentur stammen, halten wir uns bei deren Einordnung an unsere redaktionsinterne Qualitätssicherung wie in unseren Transparenztexten "Wann ist eine Nachricht eine Nachricht?" und "Wie stellen wir sicher, dass unsere Inhalte stimmen?" beschrieben.
Darüber hinaus arbeiten wir mit dem spendenfinanzierten Recherchezentrum Correctiv zusammen, das mit seinen Faktenchecks Falschinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten aufdeckt. Näheres zur Arbeit von Correctiv finden Sie hier.
Lassen sich die Informationen so immer noch nicht verifizieren, verzichten wir auf eine Publikation, bis entweder die Quellenlage verlässlich ist oder eine Nachrichtenagentur mit verlässlichen Quellen den Sachverhalt bestätigt.
Wann veröffentlichen wir Informationen, obwohl die Quellenlage nicht eindeutig ist?
Bei einer militärischen Auseinandersetzung wollen beide Kriegsparteien die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten beeinflussen. Darüber ist sich unsere Redaktion bewusst.
Wenn Informationen über den Kriegsverlauf nicht anders als über offizielle Kanäle beider Kriegsparteien erhältlich sind, sehen wir es unter Umständen trotzdem als wichtig an, diese Informationen zu veröffentlichen – allerdings nur mit dem Hinweis, dass diese Informationen nicht unabhängig überprüft und verifiziert werden konnten. Die Entscheidung, ob wir eine solche Information veröffentlichen, wird dabei immer von Fall zu Fall getroffen und hängt auch von der Bedeutung der jeweiligen Information ab.
Wie gehen wir mit Bildern von Gräueltaten im Zusammenhang mit dem Krieg um?
Fotos erzählen die Geschichte eines Kriegs meist anschaulicher als viele Worte. Dennoch sind wir uns bewusst, dass nicht jeder Mensch mit der Abbildung des Kriegsgeschehens in Form eine Fotos konfrontiert werden möchte - insbesondere nicht mit Bildern von toten Menschen.
Wir haben in der Redaktion intensiv darüber diskutiert, ob und wenn ja welche Bilder von Gräueltaten an Menschen wir zeigen möchten und dürfen. Auch in der Redaktion gibt es diesbezüglich kein einheitliches Bild: Einige Kolleginnen und Kollegen plädieren dafür, die Grausamkeiten des Kriegs schonungslos darzustellen, andere sprechen sich für eine zurückhaltendere Herangehensweise aus. Jede dieser Sichtweisen hat dabei ihre Berechtigung.
Wir haben uns, insbesondere nach den Vorkommnissen im Ort Butscha mit zahlreichen toten Zivilisten, nach teils kontroverser Diskussion auf folgende Abwägung geeinigt:
- Wir zeigen auf unseren Startseiten keine Toten.
- Wir können innerhalb von entsprechenden Artikeln auf Bildergalerien verweisen, in denen auch Tote gezeigt werden, machen unsere Leserinnen und Leser aber gut erkennbar darauf aufmerksam, dass die folgenden Seiten für manche verstörende Bilder enthalten. Auch in diesem Fall werden keine entsprechenden Bilder als Startfoto verwendet.
- Wir achten die Würde der Abgebildeten, d.h. wir verwenden keine sensationsheischenden Bilder und sorgen dafür, dass die Gesichter der dargestellten Personen unkenntlich gemacht und nicht identifizierbar sind.
Grundsätzlich orientieren wir uns bei der Verwendung von Kriegsbildern an dem Leitspruch: Unser Ziel ist es, zu dokumentieren, nicht zu eskalieren.
Transparenz bei Bildinhalten: Was zeigt dieses Foto? Von wann stammt es?
Bilder können täuschen. Gerade bei einer kriegerischen Auseinandersetzung ist es deshalb umso wichtiger, den Aufnahmeort und das Datum eines Fotos deutlich zu kennzeichnen und so die Echtheit des Bildes klar zu dokumentieren. Um unseren Leserinnen und Lesern die Einordnung eines Fotos in einem kriegerischen Kontext zu erleichtern, versehen wir deshalb alle Bilder aus Kriegsgebieten mit folgenden Hinweisen:
- Fotos über den Krieg werden in der Bildunterschrift künftig immer mit dem Datum und dem Ort der Aufnahme versehen. Der Fotograf wird im Copyright namentlich genannt.
- Sollten uns diese Informationen nicht vorliegen, machen wir diesen Umstand kenntlich (z.B. mit dem Hinweis "Undatiertes Fotos aus Ort xyz“).
- Wir übernehmen diese Praxis auch für weitere Themen, bei denen Ort und Zeit aus unserer Sicht wichtig für eine korrekt Einordnung sind.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.