Im Sudan breitet sich eine immer schwerere Hungersnot weiter aus. Wie das Welternährungsprogramm (WFP) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF mitteilten, wiesen unabhängige Experten die Kriterien einer Hungersnot in mindestens fünf Gebieten des Landes nach.

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Qabil Awad war im siebten Monat schwanger, als sie vor dem Krieg in Khartum floh. Ihre Gesundheit litt stark unter der Flucht und dem Krieg – sie hatte kaum oder gar nichts zu essen. Bei einer Untersuchung in einer Gesundheitsklinik lag ihr Armumfang bei 18,5 Zentimetern.

Als sie ihren Sohn Mohammed zur Welt brachte, hatte sie kaum Milch. Flüsternd erzählt sie: "Seine Gesundheit wird beeinträchtigt, weil ich krank bin und ihn nicht gut stillen kann. Er bekommt nicht genügend Nahrung." Eine sofortige Behandlung war entscheidend, um ihre Gesundheit wieder zu stabilisieren und ihr das Stillen zu ermöglichen.

Ein Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm
Qabil Awad und ihr Sohn Mohammed bei einem Kontrollbesuch in einer von UNICEF unterstützten Klinik in Alkarama im Bundesstaat Kassala, Sudan. © UNICEF/UNI689250/Elfatih

So wie Qabil Awad leiden derzeit Hunderttausende von Menschen im Sudan unter Hunger.

Vier Monate nach der ersten Bestätigung einer Hungersnot im SamSam-Camp für Vertriebene und Flüchtlinge sind nun drei weitere Lager in Nord-Dafur betroffen.

Zukunft im Sudan von Hunger geprägt

"Diese Ergebnisse markieren eine alarmierende Eskalation des Hungers und der Mangelernährung – und das zu einer Zeit, die normalerweise Erntezeit ist, wenn die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln am höchsten sein sollte", heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der UN-Organisationen.

Für fünf weitere Gebiete Nord-Darfurs, darunter die Stadt El Fascher, wird bis Mai 2025 mit dem Ausbruch einer Hungersnot gerechnet. In Teilen der Hauptstadt Khartum und der Stadt Al Dschasira könnte ebenfalls eine Hungersnot herrschen, die wegen fehlender aktueller Daten nicht bestätigt werden kann.

Wann beginnt eine Hungersnot?

Eine Hungersnot ist die schlimmste Form der Hungerkrise. Sie entspricht der höchsten Stufe auf einer Skala von eins bis fünf der sogenannten Integrated Food Security Phase Classification (IPC). Die IPC-Stufen sind eine weltweit anerkannte Methode, um den Grad der Nahrungsmittelunsicherheit zu bewerten.

Bei Stufe fünf herrscht bei mindestens einem Fünftel aller Haushalte extremer Nahrungsmangel und es sterben täglich mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Menschen an akuter Unterernährung.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Hunger betroffen

Insgesamt leiden mehr als 24,6 Millionen Menschen im Sudan und damit über die Hälfte der Bevölkerung an akuter Nahrungsmittelunsicherheit (IPC Phase 3 oder höher). Davon befinden sich 8,1 Millionen Menschen in einem Notstand (IPC Phase 4) und mindestens 638.000 Menschen leiden unter katastrophalen Bedingungen (IPC Phase 5).

Menschengemachter Horror im Sudan

Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, ist vor Kurzem selbst im Sudan gewesen und hat sich ein Bild von der vor Ort gemacht. "Die Nachricht von der Ausweitung der Hungersnot im Sudan ist ein furchtbares Ausrufezeichen", sagt er in der Pressemitteilung von UNICEF.

Er selbst habe gesehen, was der Hunger im Sudan anrichte: "Völlig entkräftete, apathische Kleinkinder, ausgezehrte Gesichter und verzweifelte Eltern, die um das Leben ihrer Kinder bangen. Dieser Horror ist menschengemacht, er ist die entsetzliche Folge des nicht enden wollenden Krieges im Sudan."

Ein Mann sitzt auf einem Krankenhausbett, neben ihm eine Frau und Kleinkind
Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, bei seinem Besuch im Sudan. © UNICEF/UNI693455/Kahmann

Menschen werden immer schwächer und sterben

"Der anhaltende Konflikt, die ständigen Vertreibungen und die wiederkehrenden Krankheitsausbrüche haben im Sudan einen gefährlichen Nährboden für Unterernährung geschaffen", sagt die UNICEF-Direktorin für Nothilfeeinsätze, Lucia Elmi. "Millionen von jungen Menschenleben stehen auf dem Spiel."

Der Bürgerkrieg und die damit verbundene Vertreibung der Menschen sowie der stark eingeschränkte Zugang für humanitäre Hilfe sind den Experten zufolge die Hauptursachen der sich verschärfenden Hungerkrise. Auch Lucia Elmi sagt: "Die Lieferung von lebensrettenden therapeutischen Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten kann dazu beitragen, die tödliche Unterernährungskrise zu stoppen. Aber wir brauchen einen sicheren, dauerhaften und ungehinderten Zugang, um die am meisten gefährdeten Kinder zu erreichen und Leben zu retten."

Im Sudan im Nordosten Afrikas herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und dessen früherem Vize Mohamed Hamdan Daglo, der sich zu einem regionalen Stellvertreterkrieg entwickelt hat. Daglos Miliz RSF, die nach Ansicht von Experten von den Vereinten Arabischen Emiraten unterstützt wird, kontrolliert den größten Teil der westlichen Provinz Darfur.

Mehr als elf Millionen Menschen sind vor den landesweiten Kämpfen geflohen, etwa die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche.

Verwendete Quellen:

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