Die Schulglocke läutet, die Kinder strömen laut lachend und lärmend auf den Schulhof. Der Unterricht ist für heute vorbei, jetzt geht es erst mal nach Hause zum Spielen. Für 152 Millionen Mädchen und Jungen weltweit ist das unmöglich - sie müssen arbeiten, oft unter gefährlichen und ausbeuterischen Umständen.
Geschäftig eilt die zehnjährige Khine Sabai durch den Teeladen in Myanmars Handelszentrum Rangun. Sie wischt Tische ab, nimmt Bestellungen auf und bereitet Essen zu.
Sieben Tage die Woche arbeitet sie, von vier Uhr morgens bis elf Uhr abends. Ihre Freunde, die auf die Schule gehen, beneidet das Mädchen. "Ich will lernen", sagt sie. Doch ihre Familie braucht die 60.000 Kyats (38 Euro), die Khine Sabai im Monat verdient.
Kinderarbeit kein Einzelphänomen
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiteten 2016 weltweit rund 218 Millionen Kinder unter 17 Jahren.
Davon waren 152 Millionen in Verhältnissen wie Khine Sabai, die sie ihrer elementaren Rechte und Chancen berauben. Laut der ILO arbeiteten in Myanmar 2015 mehr als 1,1 Millionen Kinder.
Statt zur Schule zu gehen, schuften sie in Fabriken, Lokalen oder wie der mit 60 Prozent größte Teil von ihnen in der Landwirtschaft.
Bei gefährlichen Arbeiten, etwa in Minen oder auf Baustellen setzen rund 600.000 Kinder ihre körperliche und psychische Gesundheit aufs Spiel.
Inmitten des Straßenverkehrs verkauft der neunjährige Aung Phone Mo Wasserflaschen und Betelnüsse an Autofahrer. "Ich habe nur noch meine Mutter. Deshalb muss ich arbeiten und kann nicht in die Schule gehen", sagt er.
Armut übt großen Einfluss aus
"Wenn Familien ihre Kinder nicht zur Schule schicken können, entsteht ein Kreislauf der Armut. Myanmar benötigt qualifizierte Arbeitskräfte, nicht günstige", kritisiert Selim Benaissa von der ILO vor dem Internationalen Tag gegen Kinderarbeit (12. Juni).
Denn die Arbeit beeinflusse nicht nur Gesundheit und Zukunftsaussichten der Kinder - eine junge Generation ohne Schulbildung gefährde in Zukunft auch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, warnen Experten.
Problem: Soziale Akzeptanz von Kinderarbeit
Auch dringend benötigte Investitionen aus dem Ausland stehen auf dem Spiel. Telenor, eines von Myanmars führenden Telekommunikationsunternehmen, führte bei der Errichtung seiner 8.000 Sendemasten seit 2014 eine Null-Toleranz-Politik bei Kinderarbeit ein.
Unangekündigte Kontrollen brachten im vergangenen Jahr dem Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens zufolge keine Fälle von Kinderarbeit ans Licht.
"Die soziale Akzeptanz von Kinderarbeit und Armut sind die zentralen Probleme", sagt Min Thu, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit. "Genau wie die fehlenden Alternativen dazu."
Regierung in der Pflicht
Als die demokratische Regierung von Aung San Suu Kyi 2016 die jahrzehntelange Militärdiktatur ablöste, kündigte sie an, Kinderarbeit im Land zu bekämpfen.
In ihren zwei ersten Amtsjahren hob die neue Regierung das Mindestalter in Fabriken und im Einzelhandel von 13 auf 14 Jahre an und verbot die Vollzeitanstellung von Kindern unter 16 Jahren.
Einen Gesetzesentwurf aus dem vergangenen Juli diskutiert die Regierung seit Monaten. Er soll Minderjährigen verbieten, gefährliche Arbeiten zu verrichten.
Fortschritte nur langsam sichtbar
"Wir müssen geduldig sein", sagt Nyunt Win vom Arbeitsministerium. Er ist Teil eines im Februar gegründeten Komitees, das den nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Kinderarbeit umsetzen soll.
Besonders die Überprüfung der Betriebe sei eine Herausforderung, erklärt er, denn die finanziellen und personellen Ressourcen der Abteilung für Arbeitsrecht seien "sehr begrenzt".
"Die Gesetzgebung ist nur ein Teil der Lösung", warnt auch Teona Aslanishvili von der Hilfsorganisation UNICEF Myanmar. Die Tatsache, dass der Großteil der Kinderarbeit in Myanmar in der Landwirtschaft stattfindet, erschwere die Durchsetzung der Richtlinien. Erforderlich sei nun "eine differenzierte Strategie und langfristiger Einsatz", fordert Aslanishvili.
United Internet for UNICEF setzt sich gemeinsam mit UNICEF dafür ein, dass Kinderarbeit reduziert wird und der Schulbesuch für alle Kinder möglich ist. (sus/dpa)
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