Die Strompreise sinken, doch die EEG-Kosten für Solar- und Windenergie steigen. Energiepolitiker warnen vor einem Milliardenloch, das im Haushalt entstehen könnte. Wie die Entwicklungen zusammenhängen und was das für den Steuerzahler bedeutet, erklärt Experte Andreas Löschel.
Auf den ersten Blick klingen die Entwicklungen positiv: Energie wird wieder billiger, die Strompreise sinken. Gleichzeitig steigt die Zahl der Solar- und Windkraftanlagen in Deutschland schneller als angenommen. Den Staat indes bringt diese Kombination ins Straucheln.
Sinkende Strompreise bedeuten höhere EEG-Kosten für Solar- und Windstrom. Die Folge: ein Milliardenloch auf dem EEG-Konto. "Früher wurden die EEG-Umlagen von den Verbrauchern eingesammelt", sagt Ökonom und Energieexperte Andreas Löschel. Im sogenannten Marktprämienmodell finanzieren die Zahlungen der EEG-Umlage durch die Verbraucher die Mehrkosten der erneuerbaren Energien.
"Bei den Ausschreibungen für erneuerbare Energien wird Investoren für 20 Jahre ein Mindesterlös garantiert, der bei schwankenden Börsenstrompreisen eine Absicherung nach unten darstellt", sagt Energieexperte Löschel. 2023 wurde diese EEG-Umlage abgeschafft, an ihre Stelle trat die Förderung der erneuerbaren Energien als Teil des Bundeshaushalts.
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Preise waren historische Ausnahme
Wenn der Strompreis unter der garantierten Vergütung für die erneuerbare Energie liegt, zahlt der Staat die Differenz. Genau das schlägt nun als Riesenposten beim Bundeshaushalt auf.
Wegen der hohen Strompreise auf den Großhandelsmärkten fielen in den vergangenen zwei Jahren keine Mehrkosten an und so war eine Absicherung für Investoren nicht notwendig. Im Gegenteil: Die Investoren konnten ihren Strom am Markt teurer verkaufen als durch die Marktprämie zugesichert. "Der Staat musste also den Erneuerbaren auf den durchschnittlichen Börsenstrompreis nichts drauflegen", erklärt Löschel.
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Historisch betrachtet war das eine Ausnahme: "Die Erneuerbaren waren viele Jahre ein Bereich, in den man reichlich reinbuttern musste", sagt Löschel. Zwar sind die notwendigen garantierten Vergütungen zuletzt deutlich gesunken. Insbesondere alte Garantievergütungen, die für die Erneuerbaren gezahlt wurden, hätten aber deutlich über dem jeweiligen Strompreis gelegen. "Durch die hohen Strompreise hat sich das nun für eine Zeit geändert", sagt der Experte.
Energiepolitischer Sprecher der FDP vermutet Loch in Milliardenhöhe
Aber wohl eben nur für eine Zeit: Die Netzbetreiber hatten bereits in der Vergangenheit gewarnt, dass die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) veranschlagten 10,6 Milliarden Euro, die für diesen Posten 2024 im Klima- und Transformationsfonds (KTF) bereitstehen, nicht reichen dürften. Sie forderten zusätzliche 7,8 Milliarden Euro.
Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hält diese Zahl für zu niedrig: "Die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren explodieren." Die 7,8 Milliarden Euro seien lediglich die Spitze des Eisbergs – Kruse schätzt die Ausgaben für Erneuerbare um 17 Milliarden Euro höher ein.
Die Befürchtung: Die EEG-Ausgleichszahlungen könnten den Klima- und Transformationsfonds auffressen. Den Steuerzahler würde das indirekt treffen. Experte Löschel hält die Schätzung für durchaus realistisch. Auch er geht davon aus, dass sich der durchschnittliche Börsenstrompreis mittelfristig bei etwa sieben oder acht Cent pro Kilowattstunde bewegen dürfte – und nicht wie vom Bundeswirtschaftsministerium fortgeschrieben bei über neun Cent liegen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bekräftigt auf Anfrage unserer Redaktion, mit den Netzbetreibern zum EEG-Finanzierungsbedarf im engen Austausch zu stehen. Der Bedarf – 10,6 Milliarden – sei für das Jahr 2024 aufgrund des maßgeblichen Prognosegutachtens der Übertragungsnetzbetreiber festgelegt worden. Dieses sei im Herbst 2023 vorgelegt worden. Damals war der Strompreis noch deutlich höher.
"Aufgrund der tatsächlichen Schwankungen der Strompreise über das Jahr hinweg sind Aussagen zu einem möglichen Mehrbedarf in 2024 zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht", teilt Sprecherin Ungrad mit.
Massive Probleme bei der Finanzierung der EEG-Kosten
Die EEG-Finanzierungskosten würden auf wissenschaftlich fundierten Prognosen beruhen, die bereits früher Grundlage zur Berechnung der EEG-Umlage gewesen seien. "Die EEG-Kosten haben keine Auswirkungen auf den Strompreis", betont die Sprecherin des Bundesministeriums. Damit ist der Börsenstrompreis gemeint, der bei der Berechnung der Differenzkosten relevant ist. Es werde bei der Abschaffung der EEG-Umlage bleiben, ergänzt die Sprecherin. Die EEG-Umlage wiederum hatte eine Auswirkung auf den Strompreis für Haushalte und Unternehmen – sie senkte ihn.
Löschel sagt: "Die Finanzierung der Erneuerbaren-Kosten über den Bundeshaushalt ist richtig, weil so die Strompreise für die Haushalte und Unternehmen sinken. Aber diese Entlastung schafft im Budget augenblicklich Probleme in der Finanzierung. Auf der Einnahmenseite liefert der Emissionshandel nicht mehr so viel wie erhofft, weil die Preise dort zuletzt recht stark gesunken sind."
Die hohen historischen Förderbedarfe für die Erneuerbaren sind aber – wenn auch auf reduziertem Niveau – weiterhin zu leisten. "Die hohen Strompreise in den letzten Jahren haben hier ein trügerisches Bild über die notwendigen Förderbedarfe gezeichnet", sagt er.
Auch wenn die Erneuerbaren in der jüngsten Vergangenheit überraschenderweise dazu beigetragen hätten, den Fonds aufzufüllen, blieben sie realistischerweise noch ein Ausgabeposten. "Die Börsenpreise sind deutlich angestiegen und werden auf einem höheren Niveau als noch Anfang des Jahrzehnts verbleiben. Neue Anlagen dürften daher immer weniger Unterstützung benötigen. In Summe bleibt aber ein Finanzierungsbedarf für etliche Jahre", sagt Löschel.
Lange Laufzeiten für Mindestvergütungen
An den alten Ausschreibungen und vereinbarten Vergütungen könne man nichts mehr ändern. "Wir beobachten ein massives Lernen in der Technologie, wenn man etwa die Kosten von Photovoltaik-Anlagen im Laufe der Jahrzehnte vergleicht", sagt Löschel. Die Kosten für neue Anlagen seien deutlich gesunken, doch man habe sich in der Förderung lange an bestimmte Beträge gebunden – und müsse diese nun auch bezahlen.
"Wichtig ist es, in Zukunft nicht noch einmal so große Belastungen aufzunehmen", warnt Löschel. Eine dauerhafte Subventionierung der Erneuerbaren gilt es zu vermeiden. "Sie sollten sich aus dem Markt heraus finanzieren können", sagt der Experte.
Stromangebot ausweiten
Das treffe auf die PV-Anlagen bereits zum großen Teil zu, jedoch nicht auf die Windanlagen. Dort würden besonders mehr Flächen, höhere Rechtssicherheit und schnellere Genehmigungen fehlen, damit die geforderten Mindestvergütungen sinken.
Dennoch dürfe man nicht vergessen, dass das Absinken der Strompreise in den vergangenen Monaten in der Summe positiv zu betrachten sei. Das sieht auch das Bundeswirtschaftsministerium so: "Die fallenden Strompreise an den Strombörsen zeigen den Erfolg unserer energiepolitischen Maßnahmen", sagt Sprecherin Ungrad.
Löschel mahnt jedoch, nicht nachzulassen: "Es ist wichtig, dass wir das Stromangebot weiter ausweiten, denn die Nachfrage nach Strom wird absehbar steigen." Dann seien es auch nur kleinere Teile des Strommarktes, wo hohe, alte Förderungen gezahlt werden müssen. "Der große Teil der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten besteht dann aus den Anlagen, die zu deutlich geringeren Kosten augenblicklich noch neu dazukommen. Sie müssen schnell kommen – mit niedrigen Preisen. Deshalb ist es so wichtig, auf Flächen und Genehmigungsverfahren zu schauen", sagt der Ökonom.
Über den Gesprächspartner
- Prof. Dr. Andreas Löschel ist Ökonom und Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum.
Verwendete Quellen
- mit Material der dpa
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