Mit Airlines wie Ryanair oder Eurowings lässt sich zum Spottpreis um die Welt jetten. Doch wie die Recherchen von "Team Wallraff – Reporter undercover" zeigen, haben die billigen Tickets durchaus einen hohen Preis. Denn die Fluggesellschaften sparen an anderer Stelle - und das kann schnell gefährlich werden.

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Enthüllungsjournalist Günther Wallraff hat wieder einmal seine Undercover-Reporter ins Feld geschickt. Am Montagabend war dies vorrangig Alicia. Sie schlüpfte für die RTL-Reportage gleich in drei verschiedene Rollen und wurde Flugbegleiterin und Bodenstewardess bei der Billigfluglinie Ryanair. Zudem schleuste sie sich bei Eurowings ein, um als Stewardess am Boden nach Missständen zu schnüffeln.

Dass dies angesichts der medial schon unzählige Male thematisierten Ungereimtheiten bei den Billigfliegern kein Scoop à la Watergate werden wird, war im Vorfeld des TV-Abends klar. Interessant war die aktuelle "Team Wallraff"-Ausgabe aber dennoch.

Mehr Verkaufstraining als Sicherheitsschulung

Schon die Ryanair-Ausbildung zur Flugbegleiterin gestaltete sich für Alicia überaus turbulent. "Ich bin die Person, die ihr in den nächsten Wochen oder vielleicht euer restliches Leben am meisten hassen werdet", so die Ryanair-Ausbilderin zu Beginn der Schulung, was Assoziationen an die Ausbildungsszenen im Kriegsfilm "Full Metal Jacket" hervorrief.

Sicherheit stand bei der sechswöchigen Schulung nicht so sehr auf dem Schulungsplan - der Bordverkauf von Essen, Getränken und Parfums schon eher, wie Reporterin Alicia rasch lernen durfte.

Nur 18 Urlaubstage pro Jahr

Medizinische Notfälle etwa wurden im Eilzugtempo abgehandelt. Um die Relationen ein wenig zu erfassen: Die Verkaufsschulung dauerte eine ganze Woche, das Erste-Hilfe-Training eineinhalb Tage. Auch war es überwiegend theoretischer Natur, praktisch geübt wurde lediglich die Herzrhythmusmassage.

Selbst die im Falle einer Notlandung notwendige Evakuierung wurde nur in Ansätzen trainiert. "Als maßgebende erfüllende Ausbildung würde ich das nicht ansehen", so Luftfahrt-Sicherheitsexperte Thomas Friesacher, der das Training als "Pflichtveranstaltung" bezeichnete, "damit die rechtlichen Vorgaben erfüllt sind".

Auf Nachfrage erklärt die Leiharbeitsfirma Crewlink, bei der die Flugbegleiter von Ryanair nach ihrer Ausbildung angestellt werden: "Alle unsere Kabinenpersonalschulungen sind von der irischen Luftfahrtbehörde gemäß den EASA-Bestimmungen [Europäische Agentur für Flugsicherheit; d. Red.] genehmigt."

Nach sechs Wochen hatte Alicia den Arbeitsvertrag in der Tasche – mit einer Kündigungsfrist von null Tagen in den ersten 13 Wochen und mit nicht mehr als 18 Urlaubstagen im Jahr.

"Das ist Ryanair scheißegal!"

Gratis gibt es bei Ryanair über den Wolken rein gar nichts. Um keine Probleme mit Vorgesetzten zu bekommen, müssen die Mitarbeiter bestimmte Umsätze generieren und sich somit beim Verkaufen richtig ins Zeug legen.

So mussten Passagiere aufgrund eines Unwetters gut zweieinhalb Stunden im immer heißer werdenden Flieger auf den Start warten. Laut EU-Fluggastrecht stehen ihnen ab einer Wartezeit von zwei Stunden kostenlose Getränke und Gratis-Snacks zu. Jedoch: Fehlanzeige. "Das ist Ryanair scheißegal", konstatierte ein Kollege Alicias. "Team Wallraff" ersuchte das Unternehmen dazu um eine Stellungnahme. Diese blieb aus.

Der Haken an den Rubbellosen

Besonders perfide: das System hinter den Rubbellos-Verkäufen an Bord. Wer mit Ryanair fliegt, bekommt während des Flugs in der Regel Rubbellose angeboten, die einen Millionen-Gewinn in Aussicht stellen und deren Erlös an Kinderhilfsorganisationen gehen soll.

Laut Recherchen des Wallraff-Teams erreicht aber tatsächlich nur ein kleiner Teil der Erlöse die wohltätigen Organisationen. Und der Rest? Den sacke Ryanair ein, sagten einige Mitarbeiter.

"Team Wallraff" zufolge liegt die Chance auf einen Hauptgewinn bei einem solchen Rubbellos bei 1 zu 1,2 Milliarden. Zum Vergleich: Bei einem deutschen "Platin 7"-Rubbellos ist der 500.000-Euro-Jackpot einmal in 1,7 Millionen Losen enthalten. Äußern wollte sich Ryanair auch dazu nicht.

Callcenter: Kunde bekommt maximal vier Minuten Zeit

Die deutsche Billigfluggesellschaft Eurowings, eine Lufthansa-Tochter, hat ebenfalls so ihre Methoden, um den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen.

"Team Wallraff"-Reporterin Sonja hat sich ins Callcenter des Subunternehmens "Bosch Service Solutions" eingeschleust. Dort lernte sie, dass Passagiere, die umbuchen, einen Sitzplatz reservieren oder Gepäck nachbuchen möchten, eine Servicegebühr von 10 bis 20 Euro zahlen. Außerdem soll ein Anruf nicht länger als vier Minuten dauern, wie Sonja im Zuge der Schulung erfuhr. Der Betreiber wollte sich dazu nicht äußern.

Behinderte Menschen benachteiligt

Erschreckend ist, wie die Fluggesellschaft mit Menschen mit Behinderung umgeht. Aus Kostengründen wurden Sonja und die anderen Callcenter-Mitarbeiter angehalten, maximal zwei Personen einzubuchen, die nicht selbständig in den Flieger einsteigen können – auch wenn ausreichend Plätze vorhanden sind. Dies widerspricht entsprechenden EU-Verordnungen.

Eurowings bestritt im Nachhinein, nur zwei Rollstuhlfahrer pro Maschine mitzunehmen. Die Anzahl an Passagieren, die auf einen Rollstuhl angewiesen seien und ohne Begleitung reisen würden, sei allerdings auf fünf pro Flug limitiert. Und zwar "aus Sicherheitsgründen", wie man dem "Team Wallraff" schriftlich erklärte.

Der Billigflug kann teuer werden

Wer bei Eurowings den Basic-Tarif bucht, kommt günstig weg - allerdings nur dann, wenn keine Probleme auftauchen. Im Basic-Tarif gibt es keine Garantie, das Handgepäck mit in die Kabine nehmen zu dürfen. Wiegt es mehr als acht Kilo, wird eine Gebühr fällig, was Alicia am Düsseldorfer Flughafen in Konflikt mit Kunden geraten ließ. Als sie einen Vorgesetzten um Hilfe bat, meinte dieser lapidar: "Wenn sie das nicht zahlen möchten, dann fliegen sie einfach nicht mit."

Alicias Recherchen ergaben zudem, dass Eurowings bei Überbuchungen zuerst die Urlaubsträume von Spartarif-Kunden platzen lässt. Die Fluggesellschaft dementierte dies.

Hohes Flugaufkommen auch in der Gepäckhalle

Und was passiert eigentlich mit den Koffern, nachdem man sie aufgegeben hat? Reporter Moritz ließ sich in den Bauch des Flughafens Düsseldorf einschleusen, um für die Firma Aviapartner am Gepäckband seinen Dienst zu verrichten. Was er in der riesigen Halle zu sehen und zu spüren bekam: Mitarbeiter, die Koffer durch die Gegend warfen und ihren Frust über den enormen Zeitdruck an den Gepäckstücken der Fluggäste ausließen. "Achte nicht darauf, wenn sie kaputtgehen", so ein Vorgesetzter zum jungen Undercover-Reporter.

Bei Aviapartner will man von solchen Praktiken freilich nichts wissen. "Wir können ausschließen, dass unsere Mitarbeiter regelmäßig das Gepäck werfen, schleudern oder sogar mit den Füßen treten", hieß es in einer Stellungnahme.

Skandalöse Entlohnung

Als Wallraff-Journalistin Alicia schließlich nach vier Wochen Undercover-Arbeit bei "Ryanair" kündigte, bekam sie 102,26 Euro ausbezahlt. Wegen Nachlässigkeit des Arbeitgebers zog Irland ihr jede Menge Strafsteuern vom Gehalt ab.

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