Seit zehn Jahren gibt es den Bitcoin. Er hat Träume geweckt. Und Enttäuschungen produziert. Doch egal ob man an die Digitalwährung glaubt oder nicht: Die technische Grundlage dahinter hat das Zeug dazu, die Welt zu verändern.
Die Digitalwährung Bitcoin ist zu einem der großen wirtschaftlichen Phänomene unserer Zeit geworden. Ihr sagenhafter Kursanstieg in den vergangenen Jahren befeuerte Träume von schnellem Reichtum, die massiven Wertschwankungen und ein Kursabsturz in diesem Jahr weckten die Angst vor dem Platzen einer gewaltigen Spekulationsblase.
Experten sehen vor allem in der technischen Basis hinter dem Bitcoin die Lösung für viele Sicherheitsprobleme.
Der Grundstein für den Bitcoin wurde vor zehn Jahren gelegt. Jemand veröffentlichte unter dem Namen "Satoshi Nakamoto" ein Papier, das die Prinzipien für autonomes digitales Geld beschrieb.
Es war eine revolutionäre Idee: Keine Kontrolle durch eine Zentralbank, keine nationale Grenzen. Für Vertrauenswürdigkeit und Absicherung sollte stattdessen ein Mechanismus mit dem Namen Blockchain sorgen.
Grob beschrieben werden alle Transaktionen nacheinander registriert - versucht jemand, an dieser Kette von Datenblöcken herumzudoktern, fällt das sofort auf, weil es viele Kopien gibt. Die Bitcoin-Einheiten werden in komplexen mathematischen Verfahren am Computer generiert. Ihre mögliche Menge ist beschränkt, und je weiter man kommt, desto aufwendiger wird der "Schürf"-Prozess.
"Satoshi Nakamoto" bleibt ein Rätsel
Der Link zum "Satoshi"-Manifest wurde im November 2008 in einer Mailing-Liste veröffentlicht. Rund zwei Monate später stand die Software dazu.
Der Vorstoß fiel in eine wirtschaftlich turbulente Zeit: Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers unter der Last fauler Immobilienkredite in den USA hatte das globale Finanzsystem in die Krise gestürzt. Der Bitcoin tauchte aus dem Nichts als eine Alternative auf.
"Satoshi Nakamoto" werden rund eine Million Bitcoins zugerechnet. Dieser Schatz - nach aktuellem Kurs wäre das Paket rund 5,6 Milliarden Euro wert - blieb aber bisher unangetastet.
Die Frage, wer hinter dem Namen steckt, wurde zu einem großen Rätsel, das viele lösen wollten. "Satoshi" kommunizierte mit seinen frühen Mitstreitern stets nur elektronisch, bevor er sich nach einigen Jahren zurückzog.
Diverse Krypto-Experten wurden einzeln oder gemeinsam als Bitcoin-Urheber vermutet. Das Magazin "Newsweek" glaubte 2014, einen pensionierten kalifornischen Ingenieur, der früher tatsächlich Satoshi Nakamoto hieß, als Strippenzieher ausgemacht zu haben. Er stritt alles ab.
Dann schien das Geheimnis im Mai 2016 gelüftet zu sein: Der in der Bitcoin-Szene gut bekannte australische Unternehmer Craig Wright erklärte, er sei "Satoshi", und wollte die Behauptung unter anderem mit dem Krypto-Schlüssel des Erfinders untermauern.
Doch ziemlich schnell meldeten Experten Zweifel an der Demonstration an. Wright kündigte erst an, als ultimativen Beweis Bitcoin aus dem "Satoshi"-Paket zu bewegen - und machte dann einen Rückzieher. So bleibt die Frage, wer "Satoshi Nakamoto" ist, weiter offen.
Extreme Kursschwankungen
Der Bitcoin-Einsatz kam anfangs nur langsam in Gang. Erst war es eine Spielwiese für Computer-Experten: Legendär ist die Geschichte von einem Programmierer, der 2010 für zwei gelieferte Pizzen mit 10.000 Bitcoin bezahlt haben soll.
Auf dem Höhepunkt der Bitcoin-Euphorie Ende 2017 wäre das Paket rund 170 Millionen Euro wert gewesen - und nach dem jüngsten Kurs-Verfall jetzt immer noch rund 56 Millionen Euro.
Zu den ersten, die von den Vorzügen einer weitgehend anonymen Digitalwährung profitieren wollten, gehörten Online-Kriminelle. Auf Darknet-Marktplätzen wie Silk Road konnten mit Bitcoin unter anderem Drogen oder Waffen bezahlt werden.
Schon in den ersten Jahren hatte der Bitcoin mit extremen Kursschwankungen zu kämpfen, die Spekulanten anlockten. Anfangs sprang der Preis von wenigen Euro auf mehrere Dutzend - und zurück. Später wurden daraus Schwankungen von mehreren hundert oder sogar tausend Euro.
Die öffentliche Aufmerksamkeit und die Endlichkeit der Ressource Bitcoin, von denen nur 21 Millionen Einheiten generiert werden können, lösten in den vergangenen Jahren einen regelrechten Goldrausch aus. Der Kurs schnellte immer weiter in die Höhe.
Der Bitcoin ist ein Umweltsünder
Zu den Konsequenzen gehörte auch, dass der Grafikkarten-Spezialst Nvidia plötzlich mit Engpässen bei einigen Top-Modellen zu kämpfen hatte, die besonders effizient beim "Schürfen" der Bitcoin-Einheiten sind.
Kriminelle Hacker, die heimlich Rechenleistung auf fremden Computern abzweigen, nutzen sie jetzt bevorzugt nicht mehr für den Massenversand zweifelhafter E-Mails, sondern zur Bitcoin-Produktion. Die ahnungslosen Nutzer müssen dafür mit höheren Stromrechnungen bezahlen.
Denn die Bitcoin-Produktion erfordert inzwischen nach dem von "Satoshi Nakamoto" vorgesehenen Verknappungs-System die Rechenleistung von Server-Farmen. Zum Beispiel in Island mit seinem billigem Geothermie-Strom entstand daraus eine ganze Industrie.
Der Strombedarf des Bitcoin-Systems ist enorm. Die Rechen-Prozesse verbrauchten nach seriösen Kalkulationen bereits pro Tag so viel Strom, wie gut 12.000 Vier-Personen-Haushalte in Deutschland im ganzen Jahr benötigten.
Forscher der Universität von Hawaii kamen in einer diese Woche veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die Bitcoin-Erzeugung ungefähr so viel Treibhausgase freisetze wie ganz Österreich.
Obwohl ihre Berechnungsmethoden zum Teil angezweifelt wurden, ist das ein Weckruf: Schließlich ist das Bitcoin-System ja so konzipiert, dass mit der Zeit zum "Schürfen" immer mehr Rechenleistung verbraucht wird.
Blockchain-Idee hat noch Potential
Obwohl der Bitcoin in diesem Jahr rund zwei Drittel seines Werts verlor, ist die Goldrausch-Stimmung noch nicht verflogen: Schließlich könnten nach Einschätzung von Experten erst in rund 20 Jahren alle erstellbaren Bitcoin generiert sein. Zugleich warnen Regulierer regelmäßig vor Risiken für Verbraucher, die sich in den wechselhaften Bitcoin-Markt trauen.
Das technische Fundament des Bitcoin, die Blockchain-Idee, wird inzwischen auch von Banken sowie in vielen anderen Industrien von der Musik- bis zu Autobranche geprüft, um Prozesse abzusichern.
Die Blockchain könnte auch Einzug in Behörden halten, um beispielsweise in einem Grundbuchamt die Übertragung von Grundstücken einzutragen.
Dass Ketten-System sei zu aufwendig und langsam, warnen Kritiker. Befürworter entgegnen, dass die Probleme lösbar und die Sicherheitsvorteile groß seien. "Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und muss zunächst ausreifen, indem sie für zusätzliche Anwendungszwecke weiterentwickelt wird", sagt Prof. Christoph Meinel, Direktor des Hasso Plattner Instituts der Universität Potsdam.
Das wird auch in der Branche so gesehen: "Blockchain kann revolutionieren, wie alle - Unternehmen, Regierungen, Organisationen, Menschen - zusammenarbeiten", schrieb die Investmentbank Goldman Sachs in einem Bericht. Denn sie biete einen einfachen und sicheren Weg, praktisch jede Art von Transaktion zu verifizieren.
Das bedeutet auch: Durch die Speicherung der Kette an vielen Orten kann der Bedarf an zentralisierten Abwicklungsstellen entfallen, was das bisherige Geschäftsmodell vieler Firmen in Frage stellt. (mcf/dpa)
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