Wer nicht 24 Stunden am Tag bezahlt wird, soll auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen: In Australien ist das Recht auf Nichterreichbarkeit in Kraft getreten. Außerhalb der Arbeitszeiten dürfen Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet werden, auf Anrufe oder Textnachrichten reagieren zu müssen.

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In Australien ist am Montag das Recht auf Nichterreichbarkeit in Kraft getreten. Es gilt offiziell für Millionen Beschäftigte, die demnach nicht verpflichtet sind, außerhalb der regulären Arbeitszeit auf SMS, Mails oder Anrufe zu reagieren - es sei denn, ihre Weigerung wird als "unangemessen" betrachtet.

Gewerkschaften begrüßten die gesetzliche Regelung, der Unternehmensverband Australian Industry Group kritisierte sie als "schlecht durchdacht und verwirrend".

Die Regelung war im Februar verabschiedet worden, sie gilt für Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten. Für kleinere Firmen soll sie am 26. August 2026 in Kraft treten. In Europa gibt es entsprechende Gesetze seit 2017 in Frankreich, seit 2018 in Spanien und seit 2022 in Belgien.

Neues Gesetz zum "Recht auf Abschalten"
Immer für die Vorgesetzten erreichbar zu sein - das hat in Down Under jetzt sein Ende. © dpa / Mick Tsikas/AAP/dpa

Premierminister: "Es geht um die psychische Gesundheit"

Australiens Regierungschef Anthony Albanese betonte am Montag im Sender ABC: "Wir wollen sicherstellen, dass Leute, die nicht 24 Stunden am Tag bezahlt werden, auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen." Es gehe auch um die psychische Gesundheit: Die Menschen müssten sich von ihrer Arbeit lösen und sich ihrer Familie und ihrem Leben widmen können.

Die Leiterin der Schlichtungsstelle für Arbeitsrechtsauseinandersetzungen, Fair Work Ombudsfrau Anna Booth, rief Beschäftigte und Betriebe dazu auf, die neue Gesetzgebung mit "gesundem Menschenverstand" umzusetzen. Gerichte müssten entscheiden, wie der Begriff "unangemessen" im Streitfall zu definieren sei.

Das hänge von den Umständen ab: etwa dem Grund für einen Kontakt des Arbeitgebers außerhalb der regulären Arbeitszeit, die Position des Arbeitnehmers oder die Bezahlung für Überstunden oder die Erreichbarkeit.

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Die Regeln in Deutschland

Bei klar definierten Arbeitszeiten muss auch eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Deutschland außerhalb der Arbeitszeiten nicht erreichbar sein. Es gibt aber Ausnahmen.

Der Klassiker: die Rufbereitschaft. Hier müssen Beschäftigte erreichbar sein und sich bereithalten, um die Arbeit aufzunehmen, entweder von zu Hause aus oder vor Ort. Bei Führungskräften kann eine vertragliche Nebenpflicht zur Erreichbarkeit auch außerhalb der klassischen Arbeitszeit bestehen. (afp/dpa/bearbeitet von fab)

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