An vielen Ecken Deutschlands mangelt es an bezahlbaren Wohnungen. Wohnungsbau könnte Abhilfe schaffen. Doch stattdessen werden laut einer Umfrage immer mehr Projekte abgesagt. "Die Verunsicherung im Markt ist riesig", so ein Experte.

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Im deutschen Wohnungsbau klagen immer mehr Firmen über Stornierungen und Auftragsmangel. "Die Stornierungen im Wohnungsbau türmen sich zu einem neuen Höchststand auf", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, am Dienstag.

Im August hätten 20,7 Prozent der Firmen von abgesagten Projekten berichtet - ein Plus von 1,8 Punkten zum Vormonat. 44,2 Prozent der Unternehmen meldeten einen Auftragsmangel - das sind 3,9 Prozentpunkte mehr als im Juli.

Wohlrabe: Einigen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals

"Seit Beginn der Erhebung 1991 haben wir noch nichts Vergleichbares beobachtet. Die Verunsicherung im Markt ist riesig", sagte Wohlrabe zu den Stornierungen. Infolge der rasant gestiegenen Baukosten und des wesentlich höheren Zinsniveaus seien viele Projekte, die Anfang 2022 noch rentabel waren, aktuell nicht mehr darstellbar.

"Einigen Betrieben steht das Wasser bereits bis zum Hals", sagte Wohlrabe. "Aktuell melden 11,9 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau Finanzierungsschwierigkeiten. Das ist der höchste Wert seit über 30 Jahren." Und für das kommende halbe Jahr befürchteten die Unternehmen mehrheitlich weitere Geschäftsrückgänge. "Die Geschäftserwartungen notieren mit minus 60,1 Punkten auf einem außergewöhnlich schwachen Niveau."

Bundesregierung will Wohnungsbau ankurbeln

Eigentlich ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung, dass pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen. Der jahrelang boomende Wohnungsbau ist allerdings wegen des starken Zinsanstiegs bei Krediten und teureren Materialien ins Stocken geraten. Das belastet die Baubranche, die im Immobilienboom eine Stütze der Konjunktur war.

Die Bundesregierung will mit steuerlichen Anreizen den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln. Wie Bauministerin Klara Geywitz Anfang September sagte, mache es die Schuldenbremse allerdings kompliziert, schnell wirksame Impulse zu setzen. 2024 werde für die Baubranche noch einmal ein sehr schwieriges Jahr. Im Jahr darauf würden sich die Marktakteure dann voraussichtlich an Bedingungen wie das Zinsniveau gewöhnen.

Handwerkspräsident warnt vor Kollaps der Baubranche

Der Handwerkspräsident Jörg Dittrich hatte derweil unlängst vor einem Kollaps der Baubranche gewarnt. "Wir fahren beim Bau mit hohem Tempo auf eine Mauer zu, und die Bundesregierung schafft es einfach nicht, auf die Bremse zu treten", sagte Dittrich der "Bild am Sonntag" am Wochenende.

Noch würden Projekte abgearbeitet, die vor mehreren Jahren beschlossen und finanziert worden seien. Die Baufinanzierungen für künftige Projekte seien hingegen eingebrochen. "Wenn die Politik nicht gegensteuert, wird sich das im Abbau von Kapazitäten niederschlagen", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Die Ampel rede zwar dauernd von "Deregulierung" und "Entfesselung", mache am Ende aber nichts: "Die Regularien sind noch genauso kompliziert, die beschlossenen Förderprogramme sind ein Tropfen auf den heißen Stein." (dpa/thp)



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