Der Fachkräftemangel verschlimmert sich. Laut einer Studie blieb im ersten Halbjahr 2022 fast jede zweite Stelle für Fachkräfte unbesetzt. Der Schaden des Fachkräftemangels auf die deutsche Wirtschaft ist bereits jetzt beträchtlich.

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Fast die Hälfte aller Betriebe in Deutschland hat in der ersten Jahreshälfte 2022 seine Stellen für Fachkräfte nicht besetzen können. Dies geht aus einer am Freitag vorgestellten Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

Der Fachkräftemangel wird damit immer mehr zum Hauptproblem für die deutsche Wirtschaft. Kleinbetriebe, die schließen, weil sie kein Personal mehr finden, häufen sich. Diese sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen. Unter anderem deshalb, weil sie weniger Ressourcen für eine professionelle Anwerbung von Fachkräften haben.

Während über alle Betriebe hinweg rund 45 Prozent der Stellen für Fachkräfte unbesetzt blieben, waren es bei Kleinstbetrieben den Angaben nach sogar 62 Prozent. In Großbetrieben fiel der Anteil der unbesetzten Stellen für Fachkräfte mit 24 Prozent geringer aus.

Fast alle Branchen betroffen, Baubranche am schlimmsten

Große Unterschiede zeigten sich bei der Untersuchung auch zwischen verschiedenen Branchen. Besonders betroffen war demnach das Baugewerbe, wo fast zwei Drittel aller Stellen nicht besetzt werden konnten. Auch in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie blieben viele Stellen unbesetzt.

Am geringsten war der Anteil demnach in der öffentlichen Verwaltung, wo jede zehnte Stelle unbesetzt blieb. Allerdings ist das Problem deutlich als branchenübergreifend zu betrachten. In fast allen Bereichen blieben über 30 Prozent der Stellen für Fachkräfte unbesetzt.

Kontinuierliche Entwicklung seit 2013

Seit 2013 steigt der Anteil nicht besetzter Stellen für Fachkräfte kontinuierlich an. Damals waren noch unter 25 Prozent der Stellen unbesetzt geblieben. Bis 2019 war der Anteil bereits auf 40 Prozent angestiegen. Die Corona-Pandemie sorgte kurzzeitig für eine geringere Nachfrage an Fachkräften. Doch bereits 2021 stieg der Wert wieder auf 40 Prozent an und steigerte sich 2022 sogar auf 45 Prozent.

Teilweise ist diese Entwicklung mit dem höheren Bedarf an Fachkräften zu erklären. Dieser ist laut der Studie so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Von den befragten Betrieben zeigten im ersten Halbjahr 2022 rund 40 Prozent einen Bedarf an Fachkräften an. Vor zehn Jahren habe dieser Anteil noch bei 28 Prozent gelegen.

Für die Studie griffen Forscher auf Daten des IAB-Betriebspanels zurück. Bei dieser laut IAB repräsentativen Befragung nehmen jährlich rund 15.000 Betriebe teil.

Politik und Wirtschaft müssen gezielt entgegenwirken

Die Studienautoren sehen drei Stellschrauben, mit denen Politik und Wirtschaft der Entwicklung entgegenwirken können. Erstens die Stärkung der beruflichen Ausbildung. Zweitens müssten Beschäftigte besser weitergebildet werden. Und drittens würde sich eine politisch gesteuerte Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland als wirkungsvoll erweisen.

Wenn nichts unternommen wird, könnte sich die Situation weiter verschlechtern. Durch die demografische Entwicklung gehen jedes Jahr mehr Menschen in Rente. Dem steht eine deutlich kleinere Anzahl an jungen Menschen entgegen, die auf den Arbeitsmarkt kommen.

Der Einfluss des Mangels an Arbeitskräften auf Unternehmen ist bereits jetzt enorm. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung Boston Consulting kostet der Arbeitskräftemangel die deutsche Wirtschaft jährlich 86 Milliarden Euro.

Verwendete Quellen:

  • Mit Material der dpa
  • Studie: IAB Forschungsbericht 2022

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