- Die Ukraine ist ein wichtiger Exporteur von Tierfutter. Darauf ist auch die deutsche Landwirtschaft angewiesen.
- Der Verband der Geflügelwirtschaft schlägt Alarm: Betriebe mit Bio-Tieren könnten ihre Siegel verlieren, wenn sie auf konventionelles Futter zurückgreifen müssen.
- Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft warnt dagegen vor Panikmache und fordert: Deutschland müsse die eigene Produktion von eiweißreichem Futter ausbauen.
Eisen, Stahl, Getreide – aber auch Tierfutter: Das sind die wichtigsten Exportgüter der Ukraine. Der russische Angriffskrieg bringt aber auch die Wirtschaftsbeziehungen des Landes durcheinander. Das hat Folgen für den Weizen-Weltmarkt und damit für die Welternährung. Doch auch deutsche Landwirtinnen und Landwirte bekommen die Krise zu spüren – vor allem Öko-Betriebe.
Der Grund: Aus der Ukraine bezieht die Branche einen Großteil ihres eiweißreichen Tierfutters. Darauf sind vor allem Betriebe angewiesen, die Geflügel und Schweine halten. "Für gentechnikfreies Futter gibt es keine anderen Lieferanten", sagte Holger Hennies, Präsident des Landvolks Niedersachsen, der Deutschen Presse-Agentur.
Betriebe sind auf proteinreiches Futter angewiesen
Zuvor hatte auch der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, Alarm geschlagen: "Die Bio-Tierhalter sind als erste von den Kriegsauswirkungen betroffen. Wir werden eine echte Versorgungskrise beim Bio-Futter, insbesondere beim Eiweiß, haben", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Bezahlinhalt) am Wochenende. Die Vorräte reichten bis auf wenige Ausnahmen nur noch bis Juni oder Juli.
Knapp werden könnten proteinreiche Futtermittel wie Sonnenblumen und Sojabohnen. Die Ukraine exportiert zum Beispiel sogenannte Soja-Presskuchen. Das berichtet das Fachmagazin "agrar heute". Auf solche Eiweiß-Futtermittel ist die Branche dringend angewiesen, um die Versorgung der "Monogastrier" mit lebenswichtigen Aminosäuren zu decken. Monogastrier sind Tiere mit nur einem Magen - also unter anderem Hühner und Schweine.
EU-Öko-Verordnung schreibt 100 Prozent Bio-Futter vor
Die Öko-Betriebe stellt das vor Probleme. Denn wenn die Lager mit Ökofutter wirklich leer sein sollten, müssten sie auf konventionelles Futter umsteigen. Die Öko-Verordnung der Europäischen Union schreibt allerdings seit diesem Jahr vor, dass ausgewachsene Bio-Schweine und Bio-Geflügel zu 100 Prozent mit Bio-Futter versorgt werden müssen. Das berichtet das Informationsportal oekolandbau.de.
Nach Angaben des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft werden in Deutschland etwa zwölf Prozent der Legehennen in Bio-Betrieben gehalten. Dort ist die Angst nun groß, das entsprechende Siegel zu verlieren, wenn sie auf konventionelles Futter zurückgreifen müssen. Präsident Friedrich-Otto Ripke rief die Bundesregierung dazu auf, die Pflicht zur Verfütterung von Bio-Futter zeitweise auszusetzen. Ohne Ausnahme stünde die Produktion von Bio-Eiern "vor einem harten Bruch", so Ripke.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass man in Kontakt mit der Europäischen Kommission und auch mit den Bundesländern stehe, da diese die EU-Vorgaben umsetzen. Ziel sei eine rechtliche Lösung, um eine Versorgung der Bio-Tiere mit Eiweißfuttermitteln sicherzustellen. Anzeichen für einen Engpass bei der Versorgung mit Bio-Lebensmitteln sieht das Ministerium derzeit aber nicht.
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft warnt vor Panikmache
Etwas differenzierter als die Geflügelzüchter sieht der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) das Thema . "Hier Panik zu schüren, das ist übertrieben und hilft auch niemandem", erklärt eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Zwar seien Warenströme durch den Krieg in der Ukraine gestört, es komme daher zu Spekulationen und Unsicherheiten. Auch der BÖLW spricht sich dafür aus, die 100-Prozent-Regel erst mit Verspätung in Kraft treten zu lassen.
Wahr sei aber auch: "Bio bedeutet flächengebundene Tierhaltung. Das heißt, dass die Höfe einen bedeutenden Anteil des Futters auf dem Hof anbauen oder von Kolleginnen und Kollegen aus der Region beziehen", erklärt die Sprecherin. Viele Bio-Betriebe hätten verstärkt und langfristig auf heimische Futtermittel gesetzt, vor allem die Betriebe in den Bio-Verbänden. "Sie sind aktuell deutlich weniger betroffen als Betriebe, die auf eine kurzfristige Beschaffung von Bio-Futtermitteln setzen."
Der BÖLW fordert schon länger, dass die deutsche Landwirtschaft sich weitere Bio-Eiweißquellen erschließt und damit unabhängiger von Importen wird. Nötig sei dafür zum Beispiel die Erlaubnis, Bio-Schlachtnebenprodukte oder Insekten zu nutzen. Auch die Forschung zu eiweißreichen Pflanzen müsse verstärkt werden.
Lesen Sie hier: Krieg in der Ukraine gefährdet Lebensmittelversorgung von Millionen Menschen
Verwendete Quellen:
- Deutsche Presse-Agentur
- Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Pressestelle
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Pressestelle
- Agrarheute.com: Krieg in der Ukraine: Wie lange reicht das Ökofutter?
- NOZ.de: Geflügelhalter warnen: Das Bio-Futter für die Bio-Hühner wird knapp
- Oekolandbau.de: 100 Prozent Bio-Fütterung – gibt es genug Rohstoffe
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